Kein Abschluss unter dieser Nummer

Kaltakquise | Immer mehr Firmen versuchen Unternehmern am Telefon einen ganzen Bauchladen diverser Produkte und Dienstleistungen anzudrehen – besonders riskant: überteuerte Geldanlagen.

Kein Abschluss unter dieser Nummer

Wenn das Telefon klingelte, dann wusste Gebäudereinigermeister Ranen Roy schon, was kommen würde. Eine computergesteuerte Stimme wollte den Unternehmer aus Mielkendorf bei Kiel benachrichtigen, dass er etwas gewonnen hätte. Ein Anrufer bot ihm Werbemaßnahmen aller Art an oder ein x-beliebiger Verlag beabsichtigte für diverse Vereine eine Broschüre herauszugeben. „Wenn ich den einen gerade abgewimmelt hatte, dann war der nächste schon in der Leitung.“ Dass das auf keinen Fall so weitergehen konnte, war für den Norddeutschen sonnenklar. Eine Strategie musste her, also „spielte ich mit und ließ mir Werbefaxe schicken, um herauszubekommen, wer dahinter steckt“. Auch eine Fangschaltung wurde installiert und in mühevoller Kleinarbeit ab sofort alle eingehenden Werbeanrufe notiert und mit der Telefonrechnung verglichen. Um seine Leitung wieder freizubekommen, informierte Roy die Wettbewerbszentrale und mahnte die Firmen reihenweise ab. Erfolgreich, wie er heute bestätigt, denn dass nur noch maximal drei Akquiseanrufe pro Woche kommen, hat er seiner eigenen Beharrlichkeit zu verdanken.

So wie Ranen Roy geht es auch unzähligen anderen Unternehmern, denen per Telefon beispielsweise ein angeblich lukratives Steuersparprodukt verkauft werden soll, das sich hinterher als unrentable und überteuerte Geldanlage entpuppt. Der Feierabend oder das Wochenende ist deshalb für viele Telefonverkäufer längst nicht mehr tabu: Egal, ob es um Steuersparmodelle oder Versicherungen geht, um Geldanlagen oder um den vermeintlichen Gewinn bei einer Lotterie – immer mehr Firmen ist der Feierabend oder das Wochenende nicht mehr heilig. Ihre exzellent geschulten Profis rufen gezielt dann an, wenn sie potenzielle Kunden zu Hause „kalt erwischen“ können, um die unvorbereiteten Opfer in ein Gespräch zu verwickeln. Im Fachjargon spricht man von Kaltakquise. Meistens enden solche Kontakte in eine Terminvereinbarung, manchmal sogar mit einem mündlichen Vertragsabschluss. Umfragen von Verbraucherschützern zeigen, dass sich 95 Prozent der Bundesbürger durch unerbetene Werbeanrufe genervt fühlen.

Was viele Betroffene nicht wissen: Gegen Eindringlinge per Telefon können sich Verbraucher wehren. Wer die Masche der Verkäufer durchschaut, wird leichter mit den lästigen Anrufern fertig. Deshalb sollten Sie die folgenden beliebtesten Tricks erkennen.

Der Griff in die Psychokiste: Wer sich ohne Vorankündigung bei potenziellen Kunden zu Hause meldet, hat häufig ein Verkaufstraining absolviert. Dabei lernt der Anrufer, nach einem bestimmten Standard vorzugehen. In einem Leitfaden wird nicht nur verordnet, dass während des Dialogs gelächelt werden soll, weil dann die Stimme freundlicher klingt. Auch die Fragen sind Satz für Satz notiert – und, wie auf Einwände des Gesprächspartners zu reagieren ist. Sagt der Kunde, er habe sich gerade erst scheiden lassen und deshalb kaum Geld, erwidert der Anrufer: „Dann müssen Sie erst recht etwas gegen Ihre finanziellen Sorgen tun. Ich kann Ihnen sagen, was.“

Das Spiel mit Bekannten: Dubiose Finanzfirmen berufen sich gerne auf Empfehlungen von Verwandten, Freunden oder Bekannten, um so Vertrauen zu gewinnen. „Solche Referenzen sind aber kein Beleg für die Seriosität einer Geldanlage“, betont Volker Pietsch, Chef des Deutschen Instituts für Anlegerschutz (Dias) in Berlin. Dies gelte auch, wenn Verwandte, Freunde oder Bekannte bereits hohe Renditen von einer Anlagefirma erhalten haben. Oft dienten solche Auszahlungen dazu, um weitere Anleger zu gewinnen, warnt der Experte für den Grauen Kapitalmarkt. Erst nach Jahren stelle sich heraus, dass in einem betrügerischen Schneeballsystem mit dem Geld der Neukunden Zinsen für Altkunden gezahlt worden seien.

Der Trick mit der Steuer: „Gier raubt den Verstand“, so Börsianer. Wenn ein vermeintlicher Experte erzählt, wie der Fiskus leer ausgeht, unterschreiben manche Menschen alles. Dubiose Anlagefirmen und Drückerkolonnen, die Beteiligungsmodelle oder hochriskante geschlossene Fonds und andere spekulative Finanzprodukte verkaufen wollen, leiten das Telefongespräch gerne mit dem Standardsatz ein: „Sie wollen doch Steuern sparen?“ Der Anrufer rät zum Treffen mit einem Experten – und schon stimmt der Angerufene einem Termin für eine Beratung im heimischen Wohnzimmer zu. Dort wird aber nicht beraten, sondern ein Produkt verkauft, das dem Verkäufer eine hohe Provision beschert. Volker Pietsch empfiehlt bei solchen Anrufen: „Am besten gleich auflegen.“

Das Preisausschreiben als Köder: „Herzlichen Glückwunsch“, sagt eine Stimme am Telefon. „Sie haben gewonnen. Für den ersten Preis hat es zwar nicht gereicht. Aber Sie haben eine kostenlose Wirtschaftsberatung gewonnen. Am besten wir machen gleich einen Termin aus.“ Auch hier handelt es sich nur um einen Vorwand, um einen Fuß in die Haustür zu bekommen. Die kostenlose Wirtschaftsberatung ist nur ein Deckmantel für den Versuch, ein womöglich hochriskantes Anlageprodukt gutgläubigen Kunden anzudrehen.

Der Anruf per Automat: Oft nutzen dubiose Firmen Automaten, um ihre unerbetenen Anrufe zu platzieren. In solchen Fällen meldet sich eine Computerstimme und spricht von einem Reise-, Geld- oder Sachpreis. Dieser lasse sich unter einer bestimmten Nummer anfordern. Hinter solchen Botschaften stecken meistens Betrüger. Nach Erfahrungen von Stiftung Warentest handelt es sich bei der genannten Nummer in der Regel um einen 0900-Anschluss, bei dessen Anwahl pro angefangene Minute 1,86 Euro fällig sind. Von diesen Gebühren kassiert der Betreiber einen Großteil. Auf seinen Gewinn wartet der Anrufer vergebens.

Der Urlaub als Mogelpackung: Abzocker locken häufig auch mit Reisegewinnen. Das Opfer erhält beispielsweise einen Anruf, in dem erklärt wird, es habe eine kostenlose Übernachtung gewonnen. Im Laufe des Gesprächs stellt sich aber heraus, dass es diese Gratisübernachtung im Hotel nur gibt, wenn der Kunde zuvor Anfahrt oder Flug bucht oder mit einem Partner verreist, der selbst zahlen muss. Sonst werde ein Einzelzimmerzuschlag fällig. Die Stiftung Warentest warnt vor solchen Angeboten: „Alles in allem ist der Gewinn oft teurer als ein regulär gebuchter Urlaub.“

Die Nummer mit dem Vertrag: Oft locken Werber nicht nur mit Gewinnen, sie fragen auch gezielt nach persönlichen Daten und der Kontoverbindung. Danach behaupten sie dann, es sei ein wirksamer Vertrag zustande gekommen, etwa über die Umstellung des Telefontarifs. Wer aber nach einem Telefonat einen Vertrag oder eine Rechnung zugeschickt bekommt, ohne etwas bestellt zu haben, oder sich am Telefon tatsächlich überrumpeln ließ, kann sich wehren. Helke Heidemann-Peuser, Juristin im Verbraucherzentrale Bundesverband, erklärt: „Auch am Telefon abgeschlossene Verträge können wirksam sein.“ Dann habe der Kunde aber meistens ein Widerrufsrecht. „Sie können Verträge binnen zwei Wochen schriftlich widerrufen.“ Wird der Angerufene nicht schriftlich über dieses Recht informiert, kann er auch später widerrufen.

Frank Schuster

andrea.moerke@handwerk-magazin.de