Jahresgespräch mit dem Mitarbeiter

Abseits vom Tagesgeschäft können Chefs ihre Mitarbeiter motivieren, kritisieren und Perspektiven aufzeigen. Im direkten Austausch miteinander lassen sich aber auch ungenutzte Potenziale heben.

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    Firmenchef Oliver Basan hat mit Mitarbeiterjahresgesprächen gute Erfahrungen gemacht.
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    „Jahresgespräche binden vor allem leistungsstarke Mitarbeiter an den Betrieb.“ Christian Ströwe, Mitgeschäftsführer der ­Profil M Beratung.
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    © Chart: handwerk magazin
    Gute Vorsätze bei der Mitarbeiterkommunikation werden selten im Unternehmen gelebt.

Austausch auf Augenhöhe

Alle Jahre wieder stehen im Januar bei der Basan Zimmerei im sächsischen Schkeuditz Jahresgespräche an. Bereits im Advent sucht Firmenchef Oliver Basan dafür nach passenden Terminen mit seinen sieben Mitarbeitern. Angesetzt ist pro Gespräch eine Stunde, meistens werden es eher zwei. „Jede Minute davon ist gut investierte Zeit, und zwar für beide Seiten“, ist der Handwerksunternehmer überzeugt. Seine Mitarbeiter bekommen Feedback für ihre Arbeit. Der Chef erfährt, wo jeden einzelnen Mitarbeiter der Schuh drückt. „In großer Runde würde ich vieles überhaupt nicht mitkriegen“, so der 49-Jährige.

Motivieren und wachrütteln

Die Liste, was ein gutes Jahresgespräch leistet, ist lang: Es bietet neben einer Plattform für Lob und Kritik auch wertvolle Einblicke in die Sichtweisen der Angestellten, Unternehmer bekommen praxisnahe Verbesserungsvorschläge und können individuelle Karrierepläne mit ihren Mitarbeitern entwerfen. Es geht also in erster Linie darum, seine Angestellten zu motivieren und ihre Potenziale wachzurütteln. „Clevere Chefs schaffen es, ihre Mitarbeiter für die gemeinsame Sache zu begeistern“, sagt Handwerksberater Klaus Steinseifer aus dem württembergischen Hemmingen.

Wer sich diese Chance entgehen lässt, setzt seine Firma hingegen unnötigen Gefahren aus, warnt Christian Stöwe, Mitgeschäftsführer der Profil M Beratung für Personalentwicklung in Wermelskirchen bei Köln: „Ohne Jahresgespräche können sich Konflikte aufstauen, aufschaukeln und verfestigen.“ Denn wenn sich Mitarbeiter unverstanden fühlen, kann ihre Unzufriedenheit schnell aus dem Ruder laufen – und der Firma erheblich schaden. Ein Horrorszenario, das sich leicht vermeiden ließe. Regelmäßiges Feedback kann Lästerer ruhigstellen. „Zufriedene Mitarbeiter hingegen sprechen positiver über das Unternehmen. Das hilft, neue Kunden zu gewinnen und Bewerber anzuziehen.“, so Berater Stöwe.

Gespräch ist nicht gleich Gespräch

Selbstläufer sind Jahresgespräche allerdings nicht. Das zeigt eine repräsentative Studie, für die die Metaberatung in Düsseldorf 1100 Arbeitnehmer hierzulande interviewt hat. 61 Prozent der Befragten bezeichnen Jahresgespräche als reines Pflichtprogramm der Führungskräfte, 55 Prozent empfinden die Bewertungen gar als unzutreffend oder willkürlich. Personalchefs hauen in dieselbe Kerbe, wie eine Untersuchung der ifp Personalberatung Managementdiagnostik in Köln unter mehr als 100 Personalmanagern aller Branchen zeigt: 70 Prozent von ihnen sehen Abweichungen zwischen der gelebten und der festgeschriebenen Feedbackkultur in ihrer eigenen Firma. An böser Absicht dürfte es selten liegen, eher an Unkenntnis oder Unsicherheit. Dabei ist eine gelungene Kommunikation kein Hexenwerk.

Was gutes Feedback ausmacht

Ein Chef braucht für das Jahresgespräch vor allem Menschenkenntnis. Schließlich sollte Feedback immer auch auf den Persönlichkeitstyp des jeweiligen Mitarbeiters abgestimmt sein. Empathische Menschen etwa freuen sich über das Lob „Toll, Sie im Team zu haben“. Analytikern hilft diese Aussage nicht weiter, sie kann man nur mit einer detaillierten Aufzählung ihrer Leistungen loben.

Diese Tatsache hat Zimmereichef Basan früh erkannt und stimmt seitdem seine Gespräche auf die einzelnen Mitarbeiter ab. Hierfür versucht er herauszubekommen, wofür der Einzelne im privaten Umfeld brennt. „Das lässt einige Rückschlüsse auf seine Motivationsmuster erkennen“, so der Handwerksunternehmer.

Kluges Feedback kommt zudem nicht mit der Brechstange daher – aber auch nicht mit Samthandschuhen. Man sollte das Gegenüber also nicht beleidigen, aber auch nicht um den heißen Brei herumreden. Steinseifers Rat: „Niemals nach der Friss-oder-stirb-Devise verfahren, sondern immer kooperativ agieren.“ Dazu gehöre zu fragen, was man tun kann, um ein Problem zu lösen, und Hilfe anzubieten. „So spürt der Mitarbeiter, dass er nicht allein ist.“

Feedback ist keine Einbahnstraße

Souveräne Unternehmer nutzen das Jahresgespräch auch zur eigenen Bewertung durch ihre Mitarbeiter. Damit dürften sie den Wünschen ihrer Beschäftigten entgegenkommen, denn ­gemäß der Metaberatung-Studie fordern 79 Prozent der Angestellten in Deutschland, dass Feedback keine Einbahnstraße sein darf. Kritik an­zunehmen und einzustecken wird so zu einer neuen Kompetenz für Vorgesetzte. Beurteilen können Mitarbeiter alles vom Informations-, Gesprächs- und Konfliktverhalten des Chefs bis hin zu seinen Fähigkeiten zur Delegation von Aufgaben und zur Förderung der Teammitglieder. Wer jedoch Kritik nur mit verschränkten Armen entgegennehmen kann, sollte erst gar nicht danach fragen.

Basan hatte all die Jahre stets ein offenes Ohr für Kritik und konnte deshalb schon viele Verbesserungswünsche umsetzen. Zum Beispiel das Bedürfnis seiner Mitarbeiter nach frühzeitiger Einbindung in neue Projektpläne. Oder den Wunsch vieler Kunden nach mehr Präsenz des Chefs über die Auftragsvergabe hinaus. 17 Jahre Erfahrung mit Jahresgesprächen haben den Unternehmer gelehrt: „Verbesserungsbedarf gibt es immer.“ Auch bei der Feedbackkultur im Unternehmen selbst. Was Chefs vor allem nicht vergessen sollten: Mitarbeitergespräche sind ein guter Anfang – doch längst nicht alles. „Kommunikation und Anerkennung sind ein ständiger Prozess. Es wäre fatal, wenn sie nur einmal im Jahr auf der Agenda stehen würden“, sagt Handwerksberater Steinseifer.