Interview: „Das Handwerk zeigt sich mit viel Stolz“

Heidi Kluth ist seit fünf Jahren Vorsitzende des Bundesverbandes der Unternehmerfrauen. In der Mitte ihrer zweiten Amtszeit zieht sie ein positives Fazit über die Situation im Handwerk.

Heidi Kluth, Bundesvorsitzende der Unternehmerfrauen im Handwerk. - © Henning Angerer

Frau Kluth, wie hat sich das Handwerk in Ihrer Zeit als Bundesvorsitzende der Unternehmerfrauen verändert?

Das Handwerk geht offensiver an die Öffentlichkeit und zeigt mit berechtigtem Stolz die gesamte Bandbreite seiner über 150 Lehrberufe und die einmaligen Karrierechancen, die das Handwerk bietet. Die Krisenfestigkeit unseres dualen Ausbildungssystems und der handwerklichen Familienbetriebe insgesamt ist in den Fokus gerückt, und die Begeisterung für das Handwerk soll alle Schüler vom Abiturienten bis zum Hauptschüler erfassen.

Letzte Woche war ich bei einer großen Meisterfeier. Dort habe ich wieder den Stolz der jungen Menschen gesehen, die ihren Meisterbrief erhalten haben. Sie gehen nach ihrer Aus- und Weiterbildung im Handwerk mit einer positiven Einstellung ihren Weg und haben die besten Erfolgsaussichten. Das Handwerk hat erkannt, dass diese Erfolgsgeschichten außerhalb des Handwerks sichtbar gemacht werden müssen.

Wo liegen die größten Chancen und die größten Risiken für das Handwerk?

Eine Gefahr ist sicher der Trend zur Akademisierung. Dass immer mehr Jugendliche ein Studium anstreben, trifft das Handwerk empfindlich. Berufliche Bildung ist gleichwertig mit der akademischen Bildung – diese Botschaft muss bei den Menschen ankommen, nicht nur bei den Jugendlichen und Freunden, sondern auch besonders bei den Eltern. Wir müssen die Chancen deutlich machen, die die duale Ausbildung mit der Kombination von Theorie und Praxiserfahrung bietet. Die Karriereaussichten hier sind besonders gut: Nicht nur die Möglichkeit, langfristig gutes Geld zu verdienen, sondern auch die besondere Sensibilität des Handwerks, wenn es um Familienfreundlichkeit und gutes Betriebsklima geht, denn im Handwerk ist man keine Nummer.

Wo steht das Handwerk in fünf Jahren?

Eine der größten Stärken des Handwerks in seiner langen Geschichte war, sich stets den veränderten Rahmenbedingungen zu stellen. Individuelle Lösungen, in Bezug auf altersgerechtes Wohnen und die wachsende Mobilität, werden weiterhin die Stärke unserer Betriebe sein. Sie haben nicht nur das technische Know-how, sondern sind auch höchst flexibel und schnell in ihren Entscheidungsprozessen. Das sehen wir besonders gut bei der Umsetzung der Energiewende. Deshalb bin ich sicher, dass das Handwerk in fünf Jahren mehr denn je die Wirtschaftsmacht von nebenan sein wird.

Wo sehen Sie den größten und wichtigsten politischen Handlungsbedarf, um den Wirtschaftsbereich Handwerk „fit für die Zukunft“ zu machen?

Angesichts des spürbaren Fachkräftemangels muss das Handwerk noch mehr tun, um junge Frauen zu gewinnen. Die vielen Familienbetriebe setzen bei der Unternehmensübergabe zunehmend auch auf ihre Töchter, wenn die entsprechende Neigung dazu erkennbar ist. Da hat sich in den letzten Jahren viel verändert. Die jungen Frauen stehen den jungen Männern in Sachen Qualifikation in nichts nach – auch in den eher männerdominierten Handwerksberufen nicht. Leider entscheiden sich aber noch immer viel zu wenige junge Frauen für die gewerblich-technischen Berufe. Eine Willkommenskultur für Frauen würde mehr weiblichen Nachwuchs für das Handwerk gewinnen – zum Beispiel durch die ausdrückliche Ansprache von Frauen in Stellenanzeigen.

Was ist die wichtigste Botschaft, die Sie gerade jungen Unternehmerfrauen mit auf den Weg geben möchten?

Kümmert Euch um Eure soziale Absicherung! Auch jüngere und gut ausgebildete Frauen wiegen sich nach dem Einstieg in einen Betrieb oft in falscher Sicherheit oder stellen ihre eigene soziale Absicherung, speziell auch die Altersvorsorge, zugunsten betrieblicher Belange zurück. Fragen der sozialen Absicherung, aber auch der Erteilung notwendiger Vollmachten oder der Testamentsgestaltung sind keine einfachen Themen, sie können aber im Notfall die Fortführung und die Existenz eines Familienbetriebes absichern. Krankheiten, Todesfälle und auch Trennungen werden nicht geplant. So sind auch Eheverträge oftmals nicht so gestaltet, dass im Scheidungsfall die Frau für ihre Leistungen angemessen entschädigt wird.

Was möchten Sie als Bundesvorsitzende in Ihrer Amtszeit noch erreichen?

Eine Verbreitung unserer Organisation in allen Regionen Deutschlands. Eine unserer Visionen für die Zukunft: Jede Unternehmerfrau im Handwerk soll in ihrer Nähe unser Netzwerk finden. Wenn wir in meiner Amtszeit dieser Vision ein Stück näher kommen würden, hätten wir allen Grund, stolz zu sein. Auch die stärkere Präsenz von Frauen in den Handwerksgremien ist ein großes Anliegen der UFH. Eine Erhebung hat gezeigt, dass Frauen hier unterrepräsentiert sind. Eine Quote würde uns nicht nützen, wenn wir  Frauen nicht für Ehrenämter begeistern können.