Holen Sie sich Ihr Geld zurück

Riskante Papiere, verdeckte Provisionen, heimliche Gewinne – Banken agieren gegen ihre Kunden. Doch die Gerichte sind zunehmend auf deren Seite. Was Anleger wissen müssen.

Die hohen Gerichtskosten, die zu den höchsten in Europa zählen, treiben das Prozessrisiko zusätzlich in die Höhe. - © handwerk magazin

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Euphorie bei der Deutschen Bank. Mit zehn Milliarden Euro Gewinn rechnet Vorstands-chef Josef Ackermann dieses Jahr. „Das entspricht dem new normal“, wie er sich ausdrückt. „Wir werden 2012 und 2013 noch ambitioniertere Ziele haben“, frohlockt der Schweizer.

Zumindest einen kleinen Teil dieses Erfolgs verbucht das größte deutsche Kreditinstitut auf Kosten seiner Kunden. So wie die eines mittelständischen Unternehmers in Hessen. Er hatte sich bei seiner Geldanlage auf einen Zins-Swap-Vertrag, einer Zinswette, mit zwei Millionen Euro eingegelassen. Über das immense Risiko wurde er nicht aufgeklärt. Doch als besonders gravierend verurteilte der Bundesgerichtshof, dass die Deutsche Bank den Marktwert der Anlage bereits bei Vertragsschluss um 80000 Euro niedriger eingestuft hatte. So konnte der Unternehmer nur noch verlieren. Den gesamten Verlust des Geschäftsmannes von 540000 Euro musste die Deutsche Bank als Schadenersatz zahlen (Az. XI ZR 33/10).

Quantensprung für Anleger

„Das ist ein Quantensprung für den Anlegerschutz“, freut sich Rechtsanwalt Klaus Nieding von der Frankfurter Kanzlei Nieding und Barth im Gespräch mit handwerk magazin. Sein Büro vertritt 60 Mandanten, die 180 Millionen Euro Verluste aus Swap-Geschäften mit der Deutschen Bank erlitten haben, „unter ihnen auch viele Handwerksunternehmer mit sechs- bis siebenstelligen Beträgen“. Er ermuntert alle enttäuschten Investoren, die Verluste mit ihren Geldanlagen erlitten haben, mögliche Ansprüche gegen ihre Bank prüfen zu lassen, wenn sie falsch beraten oder gar getäuscht wurden. Dabei sollten sie auch genau auf die Verjährung achten (Seite 48).

Rechtsanwalt Andreas Tilp in Kirchentellinsfurt bei Tübingen stimmt ihm zu: „Noch nie war die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs so anlegerfreundlich wie heute“, sagt er bei einem Besuch von handwerk magazin in seiner Kanzlei Tilp Rechtsanwälte, wo sich elf Rechtsexperten auf Bank- und Kapitalmarktrecht spezialisiert haben (siehe auch Interview Seite 49).

Vorsätzliche Schädigung

Im Swap-Urteil des BGH findet Tilp zwei Punkte besonders wichtig: „Die Richter fordern auch bei Geschäftsleuten, dass sie ehrlich und transparent über die Risiken einer Anlage informiert werden. Zudem stufen sie den Einbau eines negativen Marktwerts im Vertrag zugunsten der Bank als vorsätzliche Schädigung des Kunden ein.“ Dieser zweite Punkt verschaffte dem Unternehmer den Schadenersatz. „Und er verlängerte die Verjährung von drei auf zehn Jahre“, erklärt Tilp.

Der Urteilstrend pro Anleger setzte bereits 1994 ein. Viele Anleger hatten hohe Verluste mit Optionsscheinen erlitten. Bei den riskanten Papieren, etwa für Warentermingeschäfte, stufte der BGH Privatanleger in einem Grundsatzurteil als quasi minderjährig ein. Jeder Bankkunde, der nicht im eigens unterschriebenen Informationsblatt von der Bank auf die Risiken hingewiesen worden war, konnte sein Geld zurückfordern. Nach einem Beitrag von Tilp im „Effecten Spiegel“ riefen ihn innerhalb von drei Wochen 217 Anleger an, die gegen ihr Institut vorgehen wollten.

Als Nächstes gerieten die Banken wegen verschwiegener Provisionen ins Visier der Gerichte. Diese neudeutsch „Kickbacks“ genannten Zuwendungen sind nicht ungewöhnlich. Die Bank und ihre Berater bekommen sie vom Emittenten, also dem Unternehmen, das die verkauften Wertpapiere ausgegeben hat. Das Problem dabei: Der Anlageberater hat meist mehr seine Provision als Anreiz, anstatt den vor ihm sitzenden Kunden nach dessen Interesse und Risikofreude zu informieren. Deshalb genügt dem BGH allein das Verschweigen einer Provision um dem Kunden Schadenersatz zuzusprechen. Eine Richtlinie der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht setzte die Informationspflicht über Kickbacks um. Inzwischen ist sie gesetzlich geregelt.

90000 Euro Schadenersatz

Ob ein verkauftes Papier auch bei vollständig wahrheitsgemäßer Beratung Kursverluste eingefahren hätte, spielt keine Rolle mehr, wenn die Bank die Provision verschwiegen hat. So geschehen in einem Fall gegen die HypoVereinsbank in München, den die Kanzlei Tilp Rechtsanwälte bis zum Bundesgerichtshof durchgeboxt hatte: 90000 Euro forderte ein Anleger. Der Verlust war durch einen massiven Kurseinbruch der Papiere entstanden, die er bei der Bank gekauft hatte. Der Bundesgerichtshof hatte seinen Anspruch wegen der Kickbacks bejaht (Az. XI ZR 586/07).

„Dieses Urteil trifft Aussagen, die weit über die Kickback-Fälle hinaus für das gesamte Bankrecht von elementarer Bedeutung sind und Meilensteine für den Zivilprozess geschädigter Bankkunden darstellen“, erläutert Andreas Tilp. Dabei trägt die volle Beweislast, ob der Kunde schuldhaft nicht über Kickbacks aufgeklärt wurde, die Bank. „Das ist sachgerecht und wichtig, weil, die Bank ihren Berater und damit sich in Schutz nimmt, um Schadenersatzansprüche abzuwehren.“ Die Land- und Oberlandesgerichte hatten dies früher stets zu Lasten der Anleger entschieden.

Bank haftet bis zu 30 Jahre

Mit dem Urteil gilt jetzt auch für Wertpapiere und Derivate, dass noch alle Schäden aus Vorgängen der letzten 30 Jahre erfolgversprechend geltend gemacht werden können. „Denn bereits bei bedingt vorsätzlichem Handeln einer Bank, das der BGH hier angenommen hat, greift die kurze Verjährungsvorschrift von drei Jahren nicht“, erklärt Andreas Tilp (siehe auch Seite 48).

Als erstes Oberlandesgericht hat nun auch das in Stuttgart die anlegerfreundliche BGH-Rechtsprechung fortgeschrieben, indem es im Verschweigen von Kickbacks strafbares Verhalten der Bank sieht. Die Richter sprachen einem Anleger, der mit seinen 2000 bei der Kreissparkasse Tübingen gekauften Deka-Investmentfonds-Anleihen über 23000 Euro Verlust eingefahren hatte, vollen Schadenersatz zu, weil ihm die Provision verschwiegen wurde. Das von der Kanzlei Tilp erstrittene Urteil fährt schweres Geschütz auf: „Es liegt nahe, das Verschweigen einer Bank, die diese Provision für sich behalten will, als Vorsatz zu bewerten. In Betracht kommt der Tatbestand der Untreue oder des Betrugs“, geißeln die schwäbischen Richter und sichern enttäuschten Anlegern damit nicht nur den Ausgleich für ihren Kursverlust, sondern auch die lange Verjährung.

„Doch auch wenn die Gerichte den Anlegern zurzeit so wohlgesonnen sind, sollte niemand zu euphorisch werden“, warnt Andreas Tilp. Fondsgesellschaften und andere institutionelle Anleger, die er etwa als Anwalt des Musterklägers im 970 Millionen Euro schweren Sammelverfahren gegen die Münchener Hypo Real Estate (HRE) vertritt, könnten die Anwaltsgebühren und die horrenden Gerichtskosten wegstecken. Kleinanlegern rät er aber oft vom Prozess durch drei Instanzen ab, „um nicht dem Verlust noch mehr Geld hinterher-
zuwerfen und sich nicht jahrelang zu ärgern.“

harald.klein@handwerk-magazin.de

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