Hohe Nachzahlungen vermeiden

Umsatzsteuer Für alle Handwerksbetriebe birgt die Umsatzsteuer Fallen. Vor allem Metzger sind durch zwei Urteile des Bundesfinanzhofs stark verunsichert. Wie Unternehmer jetzt vorgehen sollten.

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    Sollte auf fiktive Umsätze seines Ladens Steuern nachzahlen: Fleischermeister Klaus Gerlach aus Berlin.
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    „Bieten Sie beim Partyservice zurzeit nur die Lieferung von Speisen ohne Service an.“Klaus Zimmermann, Steuerberater der Kanzlei DHPG in Bornheim.
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    „Ich brauchte einige Zeit, um den Softwarefehler der Waagenkasse zu belegen.“Der Betriebsprüfer hatte bei einer nicht genutzten Waage Einnahmen unterstellt und Steuern nachgefordert.
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    Die Umsatzsteuer ist zweitwichtigste Steuerquelle des Bundes Tendenz steigend.

Hohe Nachzahlungen vermeiden

Fleischermeister Klaus Gerlach aus Berlin ist ein erfolgreicher Unternehmer. Mit seinem Hauptgeschäft im Stadtteil Prenzlauer Berg, vier Verkaufs- , einem Grillwagen für Wochenmärkte und seinen 17 Mitarbeitern setzt er 1,2 Millionen Euro im Jahr um. „Bis vor gut drei Jahren hatten wir auch noch einen Partyservice“, berichtet der Landesinnungsmeister für das Fleischerhandwerk Berlin-Brandenburg. „Doch das tue ich mir nicht mehr an, seitdem das Finanzamt die Einnahmen zum vollen Mehrwertsteuersatz von
19 Prozent besteuert.“ Denn anders als beim Verkauf von Fleisch, Wurst und anderen Lebensmitteln, der mit dem ermäßigten Steuersatz von sieben Prozent privilegiert ist, sah sein Betriebsprüfer den umfänglichen Partyservice mit Speisen, Leihgeschirr und Personal als reguläre Leistung an, die weit über die Abgabe von Lebensmitteln hinausgeht. Die Differenz zwischen sieben und 19 Prozent musste der Betrieb nachversteuern und aus der Firmenkasse bezahlen, weil die Kunden ihre Rechnungen längst beglichen hatten.

Häufige Steuerfalle

Diese Steuerfalle lauert bei vielen Metzgereien. „Alle Fleischer, aber auch andere Lebensmittelhandwerker wie Bäcker, Konditoren und Speiseeishersteller müssen bisher genau darauf achten, ob sie einfache Speisen außer Haus mitgeben, zum Verzehr vor Ort anbieten oder gar mit umfänglichem Service liefern, wenn sie sich nur an der BFH-Rechtsprechung orientieren“, so Matthias Lefarth vom Zentralverband des Deutschen Handwerks in Berlin.

Denn genau diese Abgrenzung verlangen die Richter in München mit zwei Grundsatzurteilen: Wer Gerichte, wie etwa Rostbratwurst mit Pommes frites zum Verzehr im Laden ohne Sitzgelegenheit anbietet, braucht nur sieben Prozent abzurechnen (Az. V R 18/10). Das gilt auch, soweit sich Kunden auf Stühle oder eine Bank des Nachbarbetriebs oder der Stadt setzen können. Im Urteilsfall konnten die Gäste des Imbisses ihre Speisen lediglich stehend oder auf einer städtischen Sitzbank vor dem Verkaufsstand essen - sieben Prozent war der richtige Steuersatz. Dann aber stellte der Betrieb selbst zwei Bänke und einen Tisch auf. Und musste ab diesem Tag 19 Prozent verlangen. Aus Gewohnheit blieb er jedoch beim ermäßigten Satz - mit der Folge der Nachzahlung, die der Betriebsprüfer forderte.

Im zweiten Grundsatzurteil über eine Metzgerei mit Partyservice war die Bestellung einer raffinierten Speisefolge für 70 Personen Grund für 19 Prozent Mehrwertsteuer. Denn damit überwiege im Auftrag die Dienstleistung der Metzgerei die reine Lieferung von Lebensmitteln, meint der Bundesfinanzhof (Az. XI R 6/08).

Betriebsprüfer beim Testkauf

„Was sich vor dem Hintergrund dieser Urteile in der Praxis abspielt, ist eine Unverschämtheit“, schimpft Heinz-Werner Süss, Präsident des Deutschen Fleischer-Verbands in Frankfurt am Main. „Da erscheint etwa der Betriebsprüfer des Finanzamts bei einem Kollegen als Testkäufer getarnt, bestellt ein Brötchen mit Fleischkäse und fragt, ob er es hier essen darf“, so Süss. „Bejaht dies die Verkäuferin, tippt aber nur auf die Taste mit sieben Prozent, nimmt das Finanzamt die Umsätze der vergangenen Jahre unter die Lupe.“ So geschehen auch bei Fleischermeister Klaus Gerlach: In seinem Laden fiel eine noch neue Verkäuferin auf den Testkäufer des Fiskus mit einer warmen Bockwurst und einer Fanta herein.

Hinzu kam das Softwareproblem beim Bizerba-Waagen-System mit Kassen: Wurde eine Waage nicht genutzt, war es nicht möglich, dass das Programm für diese im Tageskassenabschlussbericht „0 Euro Umsatz“ registrierte. Beim Betriebsprüfer kam daher der Verdacht auf, die Kasse sei abgeklemmt gewesen. Die vermeintlichen Umsätze schätzte er zu. „Außerdem versteuerte der Finanzbeamte 80 Prozent meiner Umsätze aus dem Partyservice und den Imbissständen der vergangenen Jahre pauschal mit 19 Prozent Mehrwertsteuer nach“, so Gerlach, „87000 Euro sollte ich zahlen“, ärgert sich der Unternehmer noch heute. Vor dem Finanzgericht Berlin, an dem er auch ehrenamtlicher Richter ist, erzielte er mit 20000 Euro Nachzahlung einen Vergleich, nachdem er auch den Softwarefehler nachweisen konnte.

Praxistipps bis neue Regeln kommen

„Ob Verzehr vor Ort oder Partyservice, solange das Bundesfinanzministerium keine klaren Regeln für die Praxis aufstellt, bleibt die Verunsicherung groß“, weiß Steuerberater Klaus Zimmermann von der Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft DHPG in Bornheim. Sein Rat: „Den Verkauf in der Metzgerei, beim Bäcker oder Konditor nur dann mit sieben Prozent berechnen, wenn kein Stuhl und kein Tisch zum Sofortverzehr vorhanden sind. Und beim Partyservice nur dann, wenn die Lieferung von einfachen Speisen ohne Service und Geschirr erfolgt.“ Im Zweifelsfall sollten sich Unternehmer mit ihrem Steuerberater besprechen und das aktuelle Leistungsspektrum ihres Betriebs schildern. Er kann dann empfehlen, ob sieben oder 19 Prozent Umsatzsteuer richtig sind.

Für Betriebe mit Partyservice gibt es zudem einen Trick, den das Finanzgericht Rheinland-Pfalz bestätigt hat (Az. 6 K 1649/09): Der Metzger lieferte nur die Speisen an die Kunden, seine Frau bot mit ihrem Betrieb in separater Rechnung den Partyservice samt Geschirr an. Das Finanzamt wollte die Umsätze der Ehegatten voll versteuern, die Finanzrichter ließen beim Metzger nur sieben, bei der Ehefrau 19 Prozent zu.

Auch dieser Trick wäre nicht mehr erforderlich, wenn das Bundesfinanzministerium neue Regeln aufstellt. „Die Bund-Länder-Kommission der Finanzministerien hat in der letzten Märzwoche getagt, aber sich noch nicht geeinigt“, so Matthias Lefarth. Er rechnet bis Ende 2012 mit einem neuen Schreiben, das dann ab 2013 gelten soll.

Damit die betroffenen Betriebe bis dahin nicht weiter in Unsicherheit agieren müssen, hat der ZDH mit dem Bundesfinanzministerium Gespräche geführt. „Darin stellte das Ministerium klar, dass bis zum neuen Schreiben die Regeln des bisherigen vom 16. Oktober 2008 gelten“, so Lefarth. Im neuen Schreiben werde voraussichlich weder darauf abgestellt, ob Kunden Speisen im oder außerhalb des Ladens, mit oder ohne Sitzplatz essen. Auch die Unterscheidung in einfache oder individuell zubereitete Speisen wird wohl entfallen. Inzwischen sollen die Finanzämter die neue Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs nicht rückwirkend in Betriebsprüfungen anwenden - denn hier bestehe Vertrauensschutz. Das zurzeit geltende Schreiben ist bei handwerk- magazin.de abrufbar (siehe Online exklusiv, rechts unten).

Neues Schreiben abwarten

„Sobald dann die neuen Regeln aus Berlin tatsächlich da sind, müssen Betriebe, die von sieben zu 19 Prozent Umsatzsteuer wechseln, zügig ihre Preislisten ändern“, so Steuerberater Klaus Zimmermann, „sonst geht die Differenz vom Gewinn runter.“ Hier sicherheitshalber schon vorher
19 Prozent zu berechnen hält er nicht für sinnvoll. „Da das alte Schreiben eine gewisse Sicherheit bietet, sollten die Kunden nicht vorschnell mit höheren Preisen konfrontiert werden.“

Diese Probleme haben Handwerksbranchen außerhalb der Lebensmittelbranchen, die mit sieben Prozent Mehrwertsteuer abrechnen, nicht (siehe Kasten „Ermäßigung“ Seite 55). So regelt die neue Umsatzsteuer-Richtlinie 12.4, dass der Satz von sieben Prozent „auf alle Umsätze aus der Tätigkeit als Zahntechniker“ anzuwenden ist.

Weitere Umsatzsteuerfallen

Alle Betriebe gemeinsam beschäftigen jedoch weitere Umsatzsteuerthemen: so die vollständigen Pflichtangaben in Rechnungen, ohne die sie der Betriebsprüfer nicht akzeptiert (online im Download bei handwerk magazin). Oder etwa der auch privat genutzte Dienstwagen des Unternehmers: „Hier fallen auf den per Ein-Prozent-Methode oder Fahrtenbuch berechneten Privatanteil der Einkommensteuer zusätzlich 19 Prozent Umsatzsteuer an“, erklärt Steuerberater Zimmermann. Wenn der Firmenchef den Wagen in sein Privatvermögen entnimmt, muss er aus dem Brutto-Marktwert 19 Prozent herausrechnen und diesen Betrag ans Finanzamt abführen. Praxistipps für Abgaben an Mitarbeiter unten.

Fleischermeister Klaus Gerlach hat auch in diesem Bereich seine Erfahrungen mit dem Finanzamt gemacht: Auf den bei Metzgern üblichen Eigenverbrauch für Fleisch und Wurst sattelte der Betriebsprüfer noch einmal 80 Euro monatlich für seine zwei Hunde drauf. „Dass der eine von ihnen als Yorkshireterrier gar nicht so viel frisst, interessierte den Beamten nicht.“

harald.klein@handwerk-magazin.de

Online exklusiv

Hier ist die Checkliste, das geltende Schreiben und die Liste aller Güter mit sieben Prozent:
handwerk-magazin.de/06_2012

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