Handwerk sieht rot bei Hygieneampel

Lebensmittelkontrolle Ob die Sauberkeit in einer Metzgerei stimmt, soll künftig ein Kontrollbarometer an der Tür anzeigen. Doch die Idee der Verbraucherminister schmeckt vielen Handwerksbetrieben nicht.

„Die Hygieneampel schafft für den Verbraucher nicht den geringsten Mehrwert.“Wilfried Blume-Beyerle, Kreisverwaltungsreferent in München. - © handwerk magazin

Handwerk sieht rot bei Hygieneampel

Um Kunden vor kulinarischen Katastrophen zu bewahren, testen Hygienekontrolleure regelmäßig deutsche Handwerksbetriebe in der Lebensmittelbranche. Den Verbraucherschutzministern der Länder reicht dies nun aber nicht mehr. Sie fordern die Einführung einer Lebensmittelampel und versprechen sich dadurch mehr Qualität für den Verbraucher. Das farbige Kennzeichnungssystem muss an der Tür oder im Fenster des Lokals gut sichtbar aufgehängt werden. Grün steht dabei für eine gute Bewertung bei der Hygienekontrolle, gelb kennzeichnet Mängel und rot bedeutet schwerwiegende Probleme in der Hygienequalität.

„Vernichtung von Existenzen“

So beliebt das neue Kontrollinstrument bei Verbraucherschützern ist, so besorgt zeigen sich die Handwerkskammern. Das bayerische Bäckerhandwerk hält das Farbbalken-Barometer für einen Schritt in die komplett falsche Richtung. Deshalb warnt Landesinnungsmeister Heinrich Traublinger: „Hier geht es nicht um Bestrafung, sondern um die Vernichtung von Existenzen.“ Ein Betrieb, der einmal negativ auffalle, könne diesen Imageverlust kaum ausgleichen. „Die Betriebe werden so regelrecht gebrandmarkt“, so Traublinger. Auch die Lebensmittelüberwachungsbehörden zeigen sich wenig begeistert von den neuen Kontrollmechanismen.

Wilfried Blume-Beyerle, Kreisverwaltungsreferent in München, empfindet die Regelungen zur Hygieneampel als völlig realitätsfern.„Hier wird ein gewaltiger Verwaltungsapparat geschaffen, der für die Betriebe einen unzumutbaren Mehraufwand und für die Verbraucher keinen sichtbaren Mehrwert bringt“, lautet sein Urteil. Der Kunde könne kaum eine realistische Kaufentscheidung aufgrund einer Monate zurückliegenden Hygeienekontrolle fällen.

Doch nicht alle Akteure teilen diese Bedenken. Doris Siegle, Geschäftsführerin der Metzgerei Siegle, sieht der Hygieneampel gelassen entgegen. „Generell habe ich nichts gegen verschärfte Untersuchungen, aber ich wüsste gern genauer, was da auf uns zukommt“, kommentiert die Unternehmerin. Bisher habe sie Informationen nur aus der Fachpresse erhalten, von offizieller Seite hingegen seien noch keine näheren Erklärungen eingegangen. In Gastronomiebetrieben soll die Ampel bereits ab Januar 2012 eingeführt werden. Bäcker, Fleischer, Lebensmittelhändler, Großküchen und Wochenmärkte sollen später stufenweise folgen.

Einteilung zu grob

Viele Handwerker bezweifeln jedoch, dass die grobe Einteilung in drei Bewertungen dem Kunden überhaupt ein realistisches Bild von der Hygiene im Betrieb liefert. „Bedeutet eine gelbe Ampel nun mangelnde Hygiene oder einen ungefegten Hinterhof?“, fragt sich auch Doris Siegle.

Und wenn ein Betrieb wirklich eine schlechte Bewertung erhält, wann kann er diese wieder rückgängig machen? „Meines Wissens wird es keine Möglichkeit für eine zeitnahe Nachbesserung geben“, erklärt Blume-Beyerle.

Die Bundesregierung soll nun eine Gesetzesgrundlage für das Kennzeichnungs-System erarbeiten, die noch offene Punkte klären soll. Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner (CSU) forderte die Länder dazu auf, auch für genügend Personal bei den Lebensmittelbehörden zu sorgen. Allerdings ist fraglich wie dieses ehrgeizige Unterfangen ohne einen höheren Etat bewerkstelligt werden soll. Geld vom Bund für mehr Kontrollpersonal wird es nämlich nicht geben. „Dafür sind die Länder zuständig“, sagte Aigner.

Zu wenig Kontrolleure

Bundesweit überprüfen derzeit rund 2500 Inspekteure die Einhaltung der Hygienevorschriften im Lebensmittelbereich. Bei rund 1,2 Millionen Lebensmittelbetrieben in Deutschland stehen damit jedem Lebensmittelkontrolleur durchschnittlich rund 32000 Einwohner und 480 zu überwachende Betriebe gegenüber. „Es mangelt jetzt bereits an genügend Personal“, erklärt Blume-Beyerle. Die Lebensmittelampel würde die personellen Kapazitäten der Lebensmittelkontrolleure endgültig sprengen. Allein das Bayrische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit musste im Jahr 2009 immerhin 22 Prozent der untersuchten Fleisch-erzeugnisse beanstanden. Bei Broten und Kleingebäck waren es 17 Prozent.

Unbestreitbar - schwarze Schafe gibt es nunmal. Ob man ihnen mit der Lebensmittelampel beikommen kann, ist allerdings fraglich.

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