Vom Wachstum des Luxusmarkts können Handwerker besonders profitieren. Doch Luxus ist kein Selbstläufer. Wie Sie mit Kunden, die das Besondere suchen, exzellente Geschäfte machen. So auch Ullrich Welter und Susann Hoffmann.
Handwerk de luxe
Wer vor dem Haus in der Bülowstraße 66 im Berliner Stadtteil Schöneberg steht, sieht einen typischen Altbau in Mittelbraun. Nur ein kleines Schild über der Einfahrt verrät, dass sich dahinter der Gewerbehof Bülowbogen verbirgt. Ein hübsches Ensemble, viel Backstein, viel Grün, große Fensterfronten. In der Mitte ein paar Parkplätze für die Wagen der Kunden, darunter kann durchaus mal ein Bentley sein. Die Kunden von Welter Wandunikate, im zweiten Hinterhof angesiedelt, fahren eben nicht im Corsa vor. Welter-Kunden sind vermögend. Sie geben, ohne mit der Wimper zu zucken, 1000 Euro und mehr für einen Quadratmeter Tapete aus. Dafür sind die Wandkleider aber auch mit Blattgold überzogen, versilbert oder mit Glaskristallen beschichtet und haben so klingende Namen wie Berlin pearls, Crystals oder Directors Cut. Vor 27 Jahren hat Welter sein Unternehmen gegründet, trotz der üppigen Quadratmeterpreise hat er volle Auftragsbücher und einen Showroom in Dubai.
Trend zum Besonderen
Weltweit wächst der Markt für Luxusartikel rasant, das bestätigt eine aktuelle Studie des Beratungsunternehmens Roland Berger (siehe Chart rechts). Immer mehr Menschen haben das Geld, sich Kostbares leisten zu können, und selbst der Otto-Normalverbraucher verspürt mehr Lust auf Luxus. Nicht immer nennt er das Schöne, Edle und Teure Luxus, das Wort hat in Deutschland nicht das beste Image. Fakt ist aber, dass Premium begehrt ist wie nie. Immerhin sagen laut der Roland-Berger-Studie fast die Hälfte aller 21- bis 30-Jährigen und mehr als die Hälfte der 51- bis 60-Jährigen: „Manchmal leiste ich mir bewusst die allerbeste Qualität.“
Von der steigenden Lust auf Luxus profitieren keineswegs nur globale Marken wie Gucci und Prada oder gar die großen Konzerne. Im Gegenteil: Gerade heimische Handwerker und Manufakturen, die Premium-Produkte herstellen, machen gute Geschäfte mit der anspruchsvollen Klientel. Schließlich hat „Luxus viel damit zu tun, dass im Produkt Handarbeit steckt“, wie Petra-Anna Herhoffer, Inhaberin des Münchner Instituts für Luxus, Inlux, weiß. Die Menschen schätzen Handgemachtes und kleine Stückzahlen oder Unikate als Wert an sich. Dabei ist es egal, ob ein Unternehmen Tische, Anzüge, Pralinen oder Rasierpinsel herstellt, Haare frisiert oder Fotos macht - alles lässt sich als Luxusvariante anbieten.
Ästhetik und Design gefragt
Allerdings ist Luxus kein Selbstläufer. Auf Luxus sattelt man nicht einfach mal eben um. Wer mit Wohlhabenden Geschäfte machen will, muss sein Unternehmen entsprechend positionieren. Alles muss aus einem - besonderen - Guss sein. Vor allem aber müssen die Produkte von höchster Güte sein. „Ich habe ein hohes Qualitätsbewusstsein“, sagt der Autodidakt Welter. „Hätte ich nicht derart hohe Ansprüche, wäre das Produkt am Ende nicht so exquisit, wie es sein muss.“ Zur handwerklichen Klasse gehört nach Einschätzung von Expertin Herhoffer auch eine ästhetische Bildung sowie Designkompetenz. Außerdem müsse er die Materialien genauso kennen wie die Trends und wissen, was Avantgarde ist.
Zugegeben, die Anforderungen sind hoch. Doch erstens sind die Ansprüche der Kunden auch hoch. Zweitens kann jeder mögliche Lücken mittels Weiterbildung, durch die Lektüre von Fachpublikationen, Herstellerschulungen sowie den Besuch von Messen, schließen. Hilfreich ist es zudem, internationale Zeitschriften zu lesen und die Welt zu bereisen, um die globalen Ansprüche zu erkennen. „Der Handwerker muss ein Gespür dafür entwickeln, welche exklusiven Wünsche seine Klientel hat und wie er sie erfüllen kann“, sagt Herhoffer.
Dabei ist der Umgang mit Menschen, denen das Beste gerade gut genug ist, nicht immer leicht. Das Vorurteil, reiche Kunden diskutierten viel und zahlten unpünktlich, ist nicht ganz aus der Luft gegriffen. „Die Kunden sind mitunter schwierig“, gibt Welter zu. „Menschen, die viel Geld haben, sind es gewohnt, die Spielregeln zu diktieren.“ Der Berliner Handwerker nimmt es gelassen. Wenn nötig, ballt er die Faust in der Tasche - und gut. Außerdem habe die wohlhabende Kundschaft auch ihre guten Seiten. Man lerne interessante Menschen kennen. Und wenn sie auch nicht immer pünktlich zahlen: „Ausfälle haben wir so gut wie nie“, sagt Welter. Den besten Zugang zu den Reichen und Anspruchsvollen habe man, wenn man „authentisch“ sei. Nicht ruppig, um Gottes willen, aber auch nicht devot, sondern: Echt. Ungekünstelt. Normal.
Authentisch und offen auftreten
Wenn einer das kann, ist es Kay Gundlack, Inhaber der gleichnamigen Schuhmanufaktur im mecklenburgischen Parchim. Zu Gundlacks Kunden gehören Thomas Gottschalk, Katja Flint oder Udo Walz. Vor wenigen Wochen hat er dem Stargeiger David Garrett in einem Nobelhotel in Berlin ein Paar maßgeschneiderte Boots übergeben. Gundlack fürchtet solche Begegnungen nicht, er trainiert sie auch nicht. Gundlack ist einfach er selbst. Er ist offen und ehrlich. Und das kommt an. Nicht nur bei den Gottschalks und Garretts. Auch bei den Menschen, die nicht in der Zeitung stehen. Denn von den Prominenten alleine kann auch ein Luxusanbieter nicht leben. „Die Prominenten bringen das Image“, sagt Gundlack. „Die normale Kundschaft bringt Brot und Milch.“ Klar, dass er sie genauso gut bedient, ihnen den gleichen Service zukommen lässt. „Ich gebe gar keine Garantie“, sagt Gundlack. „Selbstverständlich wird ohne Diskussion jederzeit etwas geändert.“
Mit dieser Einstellung hat es der 39-Jährige innerhalb von nur sechs Jahren geschafft, eine überregional bekannte Marke zu werden. Gundlack und sein Mitarbeiter haben so gut zu tun, dass seine Kunden ein halbes Jahr lang auf ihre Schuhe warten müssen. Wie ihm das gelungen ist? Mit eisernem Willen. Und mit etwas Glück, wie der Handwerker sagt. Dem ersten Artikel in der Tageszeitung zur Eröffnung seiner Firma 2006 folgten diverse Fernsehberichte. Die Presse habe ihm viele Kunden beschert, glaubt Gundlack. Jetzt kämen die meisten Kunden über Mund-zu-Mund-Propaganda. „Empfehlungen“, so seine Erfahrung, „sind das Allerwichtigste.“ ◇
kerstin.meier@handwerk-magazin.de
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