Hände waschen nicht vergessen

Schweinegrippe | In den Medien wird Panik verbreitet, viele haben Angst vor dem A/H1N1-Virus. Tatsächlich ist alles halb so wild wenn Betroffene, Arbeitgeber und Angehörige richtig reagieren.

Ausgehverbot:Experten halten viele Empfehlungen derzeit für Erkrankte und die betroffenen Familien für überzogen. Das Medikament Tamiflu wird nur Risiko-patienten verordnet. - © Hildebrandt-Woeckel

Hände waschen nicht vergessen

„Mama, mir geht es total schlecht.“ Bibbernd steht morgens um halb sieben der 13-jährige Jan im Schlafzimmer der Eltern: 39 Grad Fieber, Erbrechen, Durchfall. Und mit ihm sofort auch der schlimme Verdacht: Schweinegrippe. Schließlich geht das Thema seit Monaten durch die Presse und auch in der Schule gab es bereits einzelne Fälle. Dennoch: „Eigentlich wussten wir gar nicht, was das bedeutet“, sagt Klaus Schneider. Jans Vater klingt erschrocken, wenn er sich an die Situation erinnert. „Tausend Fragen schossen mir auf einmal durch den Kopf: Muss man das melden? Gibt es Quarantäne? Dürfen wir selbst zur Arbeit?“ Schneider ist Parkettleger und hat einen kleinen Betrieb, seine Frau jobbt tageweise in einem Friseursalon.

Gleich um acht Uhr kontaktiert der besorgte Vater den Hausarzt der jedoch reagiert erstaunlich gelassen. Fiebersaft und Wadenwickel. Und das Kind solle halt erst mal zu Hause bleiben. „Die Frage, ob ein Test auf Schweinegrippe gemacht wird, stand zunächst nicht im Raum.“ Auch auf weitere drängende Fragen weiß der Arzt keine Antwort: Muss die Frau wegen Ansteckungsgefahr zuhause bleiben, welche Schutzvorkehrungen kann Klaus Schneider in seinem eigenen Betrieb treffen?

Ein Einzelfall? Nein, auch wenn die Geschichte der Schneiders angesichts der Panikmache der Gesundheitsbehörden, die nunmehr seit Monaten von den Medien verbreitet wird, fast schon unglaubwürdig klingt. Ähnliche Erfahrungen machten und machen derzeit in Deutschland Hunderte von Betroffenen.

In den meisten Krankheitsfällen helfen im Betrieb und in der Familie Augenmaß und der gesunde Menschenverstand. Wenn zuhause wichtige Hygieneregeln beachtet werden und man als Arbeitgeber gültige Richtlinien einhält, dann ist alles nur halb so wild (siehe Kästen).

Die Probleme, mit denen die Erkrankten zu kämpfen haben, sind dabei fast immer dieselben. Das erste Problem: Obwohl das Thema in aller Munde ist, existieren keine bundeseinheitlichen Richtlinien, wie im Falle eines Krankheitsverdachtes zu verfahren ist. Es gibt zwar einen so genannten Pandemieplan für Deutschland, der vom Robert-Koch-Institut in Berlin erstellt wurde und dort auch kostenlos abrufbar ist. Er enthält jedoch nur Empfehlungen.

Die Durchführung obliegt den Bundesländern und die gehen keinesfalls einheitlich damit um. Im Gegenteil: In Hamburg wurden spezielle Quarantänestationen in Krankenhäusern eingerichtet, in Bayern verweisen viele Kliniken an den Hausarzt. Oft delegieren die Länder die Verantwortung einfach weiter an die Landkreise und Gemeinden. Hinzu kommt: Die beteiligten Behörden und Ärzte sind oft auch noch schlecht informiert und vorbereitet, sodass sie kaum verbindliche Auskunft geben können.

Das zweite Problem: So unterschiedlich die Handhabung ist und so unklar die offiziellen Anweisungen, so verwirrend sind auch die Informationen, die über die Medien auf die Betroffenen einstürmen. Einerseits warnt das Robert-Koch-Institut davor, dass das Virus aggressiver werden und bis 20 bis 30 Prozent der Bevölkerung erfassen könnte. Von Tausenden von Toten ist die Rede. Andererseits warnen Experten wie der Bremer Professor Peter Schönhöfer vor einer Angstpsychose und halten die geplanten Massenimpfungen für gefährlicher als die Krankheit selbst. Das sind widersprüchliche Einschätzungen, die für Verwirrung sorgen. Die Schneiders beispielsweise erhielten bei Ausbruch der Krankheit keine konkrete Anweisung, die Wohnung nicht zu verlassen. Andererseits hatten Nachbarn und Arbeitskollegen von Frau Schneider Angst. „Bleibt bloß alle zu Hause!“, forderte ihre Chefin. Es sei mit drastischen Strafen zu rechnen, wenn man mit Verdacht auf Schweinegrippe die Wohnung einfach verlasse, warnte ein Nachbar.

Notfallplan für den Betrieb

Die Maßnahmen sind nach übereinstimmender Expertenmeinung im Moment aber überzogen. „Anfang des Jahres war das noch sinnvoll“, erläutert Jürgen Zühl, Abteilungsleiter Gesundheitsschutz beim Gesundheitsamt München. „Damals ging es darum, den Ausbruch der Krankheit zu verzögern.“ Inzwischen gibt es auch in Deutschland so viele Fälle, dass die Ausbreitung nicht mehr zu stoppen ist. Aus diesem Grund verhängt seine Behörde keine Quarantäne mehr, sondern nur noch eine befristete Teilisolierung des Kranken.

Wer Kontakt mit Risikogruppen hat, sollte im Zweifel zuhause bleiben. Auch in den Betrieben, fordert Thomas Prinz, Jurist beim Bundesverband der Deutschen Arbeitgeberverbände, muss die Thematik ernst genommen werden. Denn verläuft die Pandemie so wie vermutet, könnten im Winter bis zu 30 Prozent der Beschäftigten erkranken. Bislang hat gerade einmal die Hälfte der Unternehmen einen Notfallplan, wenn Mitarbeiter erkranken, wie das Institut für Management- und Wirtschaftsforschung (IMWF) ermittelte.

Dabei gibt es Möglichkeiten, sich vorzubereiten, wie Klaus Schneider weiß. Er suchte im Internet nach Informationen, versorgte Haushalt und Betrieb mit Desinfektionsmitteln und vereinbarte mit seinen Mitarbeitern Regeln für den Ernstfall. Das positive Testergebnis seines Sohnes schockt ihn nicht mehr. Seinem Sohn geht es wieder gut und angesteckt hat sich niemand.

Sabine Hildebrandt-Woeckel

cornelia.hefer@handwerk-magazin.de