Haarschnitt vom Bürgermeister

Porträt - Seit Jahresbeginn ist Friseurmeister André Herzog Bürgermeister von Teutschenthal. Dass in seinem Salon auch weiterhin die Haare geschnitten werden, war ein Wahlversprechen.

Haarschnitt vom Bürgermeister

Ehrenamt, das klingt so nach Hobby“, schmunzelt André Herzog, Inhaber eines Friseurgeschäftes mit drei Mitarbeitern in Teutschenthal in Sachsen-Anhalt. „Dabei leitet man als Bürgermeister plötzlich ein Unternehmen, das um ein Vielfaches größer ist als das eigene“, wundert sich der Friseurmeister noch heute über seinen Mut, sich vor fünf Jahren zum ehrenamtlichen Bürgermeister seiner Heimatgemeinde wählen zu lassen. Der fliegende Wechsel zwischen Friseursalon und Amt wurde für ihn ebenso wie der 12-Stunden-Arbeitstag zur Normalität.

Weil sich die Einwohnerzahl von Teutschenthal durch Eingemeindungen in fünf Jahren mehr als verdoppelte, musste im November 2009 erstmals ein hauptamtlicher Bürgermeister gewählt werden, und André Herzog musste sich „zwischen Frisiertisch und Bürgermeisterstuhl“ entscheiden, denn eine Gemeinde mit zehn Ortsteilen und mehr als 14000 Einwohnern würde sich nicht mehr im Nebenjob regieren lassen. Herzog kandidierte und setzte sich in der Stichwahl mit mehr als 70 Prozent durch. Nun geht es ihm wie vielen Handwerkskollegen, die sich politisch engagieren: Er muss versuchen, Betrieb und Politik zu vereinbaren. Oft gelingt das nicht, was mit ein Grund ist, dass in den Kommunalparlamenten Handwerker selten vertreten sind. Wird die Politik zur Hauptprofession, wird der Handwerkeranteil geringer. So sind im aktuellen deutschen Bundestag von 622 Abgeordneten 47 Lehrer, aber gerade einmal 32 Unternehmer aus Handwerk, Handel, Gewerbe und Industrie.

Mutter führt den Salon

Friseurmeister Herzog klagt nicht über die Mehrfachbelastung. Der Macher, der mit 21 Jahren das vom Urgroßvater gegründete Geschäft übernahm, mit 23 seine Meisterprüfung absolvierte, hat vor seinem Amtsantritt fünf Jahre Erfahrung im Gemeinderat gesammelt. „Da merkt man, wie viel Arbeit hinter jedem Beschluss steckt, und dass ein kommunaler Haushalt eher ein Streich- als ein Wunschkonzert ist“, so Herzog.

Eine Lösung, das Bürgermeisteramt auszuüben und gleichzeitig Handwerksunternehmer zu bleiben, fand Herzog im Familienrat. Der 34-Jährige fasst sie so zusammen: „Ich bleibe Inhaber, ziehe mich aber aus dem Tagesgeschäft zurück und stelle dafür eine Friseurin ein. Meine Mutter, die ohnehin täglich im Salon mitarbeitet, übernimmt die Leitung.“

Ein Handwerksunternehmer als Bürgermeister ist für Bernd Richard Hinderer eher exotisch. Er berät in Baden-Württemberg Kandidaten bei ihrem Einstieg in die Kommunalpolitik und gilt mit etwa 50 gewonnenen Wahlkämpfen als „Bürgermeistermacher“. „Die meisten Bürgermeister sind Verwaltungsfachleute“, hat er beobachtet.

André Herzog ist Bürgermeister mit Leidenschaft, und er ist stolz auf die über 50 Vereine in seinem Ort. „Den Brand- und Katastrophenschutz, das Theater oder die alljährlichen Motocross-Läufe gibt es doch nur, weil sich viele Bürger bei uns engagieren“, lobt Herzog. Diesen Zusammenhalt will er stärken, und deswegen ist sein prall gefüllter Terminkalender auch keine Last, sondern „Herzensangelegenheit“.

- reinhold.mulatz@handwerk-magazin.de