Antidiskriminierung Antidiskriminierung beachten

Ob Ausländer, Geschlecht oder Alter, die Gerichte achten verschärft darauf, dass kein Mitarbeiter benachteiligt wird. Wie Betriebe teure Verstöße gegen das Gesetz vermeiden.

Gleiches Recht für alle

Aynur Boldaz weiß, was es heißt, als Ausländerin in Deutschland zu arbeiten. 1968 im türkischen Tuncell geboren, kam sie 1987 nach Berlin, arbeitete in einer großen Gebäudereinigungsfirma. Sie lernte Deutsch, wurde Vorgesetzte von 150 Mitarbeiterinnen und gründete schließlich 2000 ihr eigenes Unternehmen Forever Clean. „Heute beschäftige ich rund 100 Mitarbeiter in Deutschland, 160 in der Türkei“, sagt die Chefin nicht ohne Stolz. „Ich achte ganz genau darauf, dass von der Stellenausschreibung bis zur Kündigung eines Mitarbeiters niemand benachteiligt wird“, betont Aynur Boldaz. Sie hat etwa je zur Hälfte Männer und Frauen sowie 30 Schwerbehinderte eingestellt. 85 Prozent ihrer Leute sind Deutsche, die anderen Migranten, „eine gute Mischung“, meint die Geschäftsführerin.

Teure Verstöße vermeiden

Ganz so vorbildlich verhalten sich nicht alle Handwerksbetriebe. „Sie laufen schon bei kleinen Verstößen gegen das Diskriminierungsverbot Gefahr, Schadenersatz zahlen zu müssen“, warnt Jobst-Hubertus Bauer, Fachanwalt für Arbeitsrecht in der Stuttgarter Kanzlei Gleiss Lutz. Wer jedoch die Regeln kennt und schon bei der Bewerberauswahl richtig im Betrieb umsetzt, vermeidet diese teure Folge.

Vorgeschrieben ist die Antidiskriminierung seit sechs Jahren im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG). Seitdem ist es ausdrücklich verboten, Menschen wegen ihrer Rasse oder ethnischen Herkunft, ihres Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu benachteiligen (mehr dazu im Kasten „Die acht Gebote der Gleichbehandlung“, Seite 51).

Stellenanzeigen richtig formulieren

Die häufigsten Verstöße registriert die Antidiskriminierungsstelle des Bundes in Berlin bei den Gründen Behinderung, Geschlecht und Alter. Fast 70 Prozent der bisher über 7000 Beratungsanfragen betrafen einen dieser Punkte (siehe Grafik Seite 52). „Auch Unternehmen wenden sich an uns, wenn sie nicht sicher sind, wie sie Diskriminierung bei der Mitarbeitersuche und im Betrieb selbst vermeiden können“, so Bernhard Franke.

Auch Anfragen zur korrekten Formulierung von Stellenanzeigen erreichen die Antidiskriminierungsstelle, die Handwerkskammern, Innungen und Rechtsanwälte. „Zwar ist inzwischen nach unserer Beobachtung in 98 Prozent der Fälle klar, dass Stellen geschlechtsneutral auszuschreiben sind“, berichtet Jobst-Hubertus Bauer. „Bäcker oder Bäckerin“, „Maurer oder Maurerin“ sowie „Kranfahrer oder Kranfahrerin“ sind als Beispiele ebenso erlaubt wie „m/w“ für „männlich/weiblich“ in Klammern hinter dem Beruf.

„Auch wir achten strikt darauf, dass wir geschlechtsneutral ausschreiben“, sagt Gisela Raab, Geschäftsführerin der Raab Baugesellschaft mbh & Co. KG im fränkischen Ebensfeld. Das gilt für alle 210 Mitarbeiter und 18 Auszubildende, mit denen der Familienbetrieb bereits in vierter Generation 30 Millionen Euro jährlich umsetzt. „Auf der Baustelle jedoch“, so die Diplom-Ingenieurin, „haben wir zu 100 Prozent Männer, weil sich dort so gut wie nie Frauen bewerben.“ In den technischen Büroberufen jedoch arbeiten etwa gleich viele Männer und Frauen.

Nicht offiziell nach Alter suchen

Genauso tabu wie die bevorzugte Suche nach Männern oder Frauen ist das Bewerberkriterium Alter. Auch wenn der Betrieb tatsächlich 40 Jahre als Obergrenze ansieht, weil er die Belegschaft verjüngen will, darf er das nicht schreiben. So geschehen jedoch bei einer SHK-Firma, die „Mitarbeiter im Alter von 52 bis 58 Jahre“ suchte, um ihnen eine Chance zu geben und damit jüngere Bewerber diskriminierte. „Das lief ausgerechnet über das Bewerberportal der Bundesagentur für Arbeit (BA)“, berichtet Jens Köhler, Fachanwalt für Arbeitsrecht in Köln. Prompt wurde der Betrieb verklagt und musste dem Jüngeren 1500 Euro Schadenersatz zahlen. Die BA war nicht für den Inhalt der Stellenanzeige verantwortlich.

Noch diffiziler wird die Altersdiskriminierung, wenn sie indirekt verpackt ist. Da suchen Betriebe etwa einen neuen Mitarbeiter „für unser junges Team“, ein klarer Fall der Diskriminierung, auch wenn dort keine Altersgrenze genannt ist. Denn die Stellenanzeige signalisiert Bewerbern spätestens ab Mitte 30 oder ab 40, dass sie kaum Chancen auf den Job haben. „Nach Mitarbeitern mit mindestens fünf Jahren Berufserfahrung etwa darf der Chef aber sehr wohl suchen“, weiß Experte Bauer. „Denn das kann zur Qualifizierung der Stelle gehören und setzt nicht die Bandbreite eines bestimmten Alters voraus.“

Auch gute Kenntnisse der deutschen Sprache darf ein Arbeitgeber verlangen, wenn das für die Stelle wichtig ist. „Unsere Mitarbeiter im Büro müssen ohnehin gut Deutsch können“, so Gisela Raab. Aber auch die Männer auf der Baustelle müssen sich auf Zuruf sofort verstehen können. Und für Gebäudereiniger wie Aynur Boldaz ist gutes Deutsch wichtig, um mit Kunden vor Ort zu sprechen sowie um die Anleitungen auf den Etiketten der Reinigungsmittel verstehen zu können. „Dies also von Mitarbeitern zu verlangen ist keine Diskriminierung“, so Anwalt Köhler.

Deutsche nicht bevorzugen

Ein AGG-Verstoß liegt dagegen vor, wenn der Betrieb bevorzugt Deutsche sucht oder unter den Bewerbern auswählt. Das jedenfalls unterstellte eine Ingenieurin russischer Herkunft, die sich mit 45 auf eine Stelle beworben hatte, dem potenziellen Arbeitgeber. Dieser habe sie nicht zum Vorstellungsgespräch eingeladen, weil sie Frau, Migrantin und älter sei. Sie forderte die laut AGG fälligen drei Monatsgehälter Schadenersatz.

Das Problem dabei: Der Betrieb musste nachweisen, dass er sie nicht diskriminiert hatte. Denn laut AGG reicht es aus, wenn der Bewerber ein Indiz für die Diskriminierung nennt. Dann greift die sogenannte Beweislastumkehr und der Unternehmer muss belegen, dass er die Stelle aus anderen Gründen nicht mit der Bewerberin besetzt hatte. Wenn er diese Gründe auf Nachfrage nicht detailliert nennt, kann dies ein Anzeichen für die Diskriminierung sein, so der Europäische Gerichtshof in Luxemburg (Az. C-415/10).

Gegen AGG-Hopper vorgehen

„Dieser Fall ist ärgerlich, weil es sich hier um eine gerichtsbekannte AGG-Hopperin handelt“, schimpft Experte Bauer. AGG-Hopper sind Bewerber, die an der Stelle nicht interessiert sind, sondern es nur auf Schadenersatz anlegen. „Doch wer dies vor Gericht belegen kann, hat gute Chancen, dass die Klage allein deshalb zugunsten des Betriebs abgewiesen wird. Handwerksbetriebe sollten sich, auch über ihre Innungen und Kammern, gegenseitig über solche Fälle informieren.

Seine weiteren praktischen Ratschläge an Chefs: „Laden Sie bewusst auch Bewerber ein, die Diskriminierungsgründe vorbringen könnten. Wen Sie je nach Qualifikation und Bauchgefühl auswählen, ist Ihre Sache und muss in der Absage nicht begründet werden.“ Klagt der Bewerber innerhalb der AGG-Frist von zwei Monaten nicht, ist die Gefahr des Schadenersatzes vorbei.

Aber auch Diskriminierung unter den Mitarbeitern muss der Arbeitgeber verhindern und bei Verstößen einschreiten, um sich nicht schadenersatzpflichtig zu machen (siehe Diagramm Seite 55). Aynur Boldaz regelt solche Fälle pragmatisch. Bei ihr hatte ein deutscher Mitarbeiter seinen türkischen Kollegen beschimpft: „Lern besser Deutsch, dann kannst Du Deine Reinigungsmittel selbst bestellen. Die Chefin bestellte die zwei Streithähne ins Büro, schlichtete und beide arbeiten seitdem wieder friedlich zusammen. ?

harald.klein@handwerk-magazin.de

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