Gegen den Wind

Finanzierung | Die Banken verschärfen in der Finanzkrise das Rating und mauern bei Krediten. Unternehmer, die 2009 noch investieren wollen, müssen schnell gegensteuern.

Landschaftsgärtner Dirk Teske und Andrea Lüdemann: Ihre Ratingnote liegt über dem üblichen Schnitt für Handwerksunternehmen. - © Berri Bieber, iStockphoto

Gegen den Wind

Als Musterbetrieb sieht Dirk Teske sein Unternehmen nicht. Trotzdem halten sich der Landschaftsgärtner und seine Mitgeschäftsführerin Andrea Lüdemann von „Lebendige Gärten“ strikt an das vorgegebene Regelwerk der Bank.

„Jeden Monat reichen wir unsere betriebswirtschaftliche Auswertung bei der Hausbank ein. Weichen Zahlen ab oder gibt es auffällige Entwicklungen nach oben oder nach unten, wird das von uns kommentiert“, sagt Teske. Einmal im Jahr steht dann das Großprojekt, der Geschäftsplan, für den gelernten Landschaftsgärtner aus dem schwäbischen Eberdingen nördlich von Stuttgart auf dem Programm. „Das kostet jedes Mal viel Zeit. Der jährliche Geschäftsplan umfasst 30 bis 40 Seiten und wird im Winter, wenn es im Betrieb ruhiger ist, überarbeitet“, fasst der Unternehmer sein Vorgehen zusammen.

Intern ist der Geschäftsplan für Teske und Lüdemann so etwas wie das Betriebstagebuch des vergangenen Jahres. „Wir machen das nicht nur für die Bank: Die Zahlen aus dem Vorjahr zeigen uns, was wir von unseren Plänen realisiert haben und was nicht geklappt hat“, sagt der Landschaftsgärtner. Diese Umsicht zahlt sich aus: Das Rating 2009 des Betriebs liegt bei 6. Die interne Skala der Sparkassen in Baden-Württemberg reicht von 1 bis 16, wobei 1 für „sehr gut“ und 16 für „sehr schlecht“ steht. Nach Angaben des Bankers ist die Bewertung des Unternehmens im Vergleich zu anderen Handwerksbetrieben mit gut zu bewerten, da der interne Schnitt für Handwerksbetriebe bei 8 bis 9 liegt. Das hat ihm und seiner Geschäftspartnerin im Krisenjahr 2009 eine gute Basis für das jährliche Bankengespräch verschafft: Die Sparkasse senkte den Dispo-Kredit für den Betrieb um 1,5 Prozent.

Andere Unternehmen aus dem Handwerk haben derzeit bei Finanzierungen mit weitaus mehr Gegenwind zu kämpfen. Grund ist vor allem die aktuelle Finanz- und Bankenkrise. „Die Banken sind 2009 risikoscheuer als noch in den Vorjahren. Eigentlich möchten sie nur noch sichere Kredite vergeben“, beobachtet Frank Faggo, Finanzberater und ehemaliger Banker.

Banken sichern sich mehr ab

Die Finanzinstitute setzen aufgrund der aktuellen Situation die Messlatte höher, um sich selbst abzusichern, ihre Verluste und Kreditausfälle in Grenzen zu halten. „Die Finanzinstitute haben ihre Ratings für Unternehmen aus dem Handwerk nicht verschärft, aber dieses interne Regelwerk wird deutlich stringenter angewendet“, sagt Volkswirt Torsten Mischnik von der Betriebsberatung der Handwerkskammer Düsseldorf (siehe Interview Seite 64). Ein Indiz dafür ist, dass bankübliche Sicherheiten bei der Bewertung an Bedeutung verloren haben, während die Bonität eines Unternehmens und die entsprechenden Kennzahlen für das Finanzinstitut wichtiger geworden sind. Das Rating ist für den Mittelstand ein Problem, „weil viele Handwerksbetriebe nicht in die vorgegebenen Schemata der Banken passen“, meint Rating-Berater Rudolf Schüller. Was Unternehmen bei den Bonitätsprüfungen derzeit erwartet, hat handwerk magazin gemeinsam mit Experten zusammengetragen.

Die Banken widersprechen dem Vorwurf, sie würden weder ihre Ratings verschärfen noch bei gewerblichen Krediten mauern. So wies Branchenprimus Deutsche Bank öffentlich darauf hin, dass sie derzeit elf Milliarden an ungenutzten Kreditlinien für mittelständische Unternehmen vorhält. Die „Sparkassen haben ihr Kreditneugeschäft mit Unternehmen in den ersten vier Monaten um mehr als sechs Prozent auf insgesamt 23,5 Milliarden Euro ausgeweitet“, erklärte Heinrich Haasis, Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes (DSGV). Ähnliches ist von den Volks- und Raiffeisenbanken zu hören, die nach eigener Aussage bis Mai sogar zehn Milliarden Euro mehr an Krediten ausgegeben hätten als noch im Vorjahr.

Handelt es sich nur um eine „gefühlte Kreditklemme“? Nein, sagen die Ergebnisse von unabhängigen Studien und Umfragen. Nach einer Untersuchung der Universität Mannheim für den Kreditversicherer Euler Hermes sagen 81 Prozent der Insolvenzanwälte, dass eine Kreditklemme besteht und „stark“ oder im „mittleren Umfang“ Auslöser für die Pleite der von ihnen betreuten Unternehmen sei. Die Finanzinstitute seien zu scheu, Finanzierungen zu übernehmen, und zögen sich schon bei Hinweisen auf Schwierigkeiten zurück, heißt es in der Studie, die auf einer Befragung der 107 führenden deutschen Insolvenzverwalter beruht. Rund 39 Prozent der Befragten geben sogar an, die Kreditverweigerung sei „zentrale Ursache“ für die Insolvenz gerade von kleineren Mittelständlern. Zu ähnlichen Ergebnissen kommt die Wirtschaftsauskunftei Creditreform in ihrem aktuellen Report zum ersten Halbjahr 2009: „Vor allem bonitätsschwache Firmen trifft die Verschärfung der bankinternen Kreditver-gaberichtlinien. Im Zuge der Finanzmarktkrise müssen die Unternehmen für ihre externe Finanzierung tiefer in die Tasche greifen.“

Dass Kreditanträge härter überprüft werden, die Betriebe für ihre Darlehen mehr zahlen müssen, trotz milliardenschwerer Konjunkturpakete und Zinssenkungen der Zentralbanken, bestätigt auch Unternehmenscoach Tobias Metz aus Stuttgart. „Die niedrigen Zinsen der EZB kommen bei den Kunden nicht an. Bei vielen Betrieben aus dem Handwerk, die wir beraten, sollte der Kontokorrent längst einstellig sein bei den meisten ist er nach wie vor zweistellig“, kritisiert der Unternehmensberater.

Wer in dieser angespannten Situation Investitionen oder Betriebsmittel fremdfinanzieren muss, hat eine schwierige Ausgangsposition. Wenn aber bestimmte Vorgaben der Banken beachtet werden, fällt die Überzeugungsarbeit leichter. „Harte Fakten wie die Unternehmenskennzahlen sind wieder wichtiger. Sie erleichtern dem Bankberater die Risikoeinschätzung des Betriebs“, sagt Rating-Berater Schüller. In diese Richtung geht auch die Forderung der Banken. „Für erfolgreiche Kreditverhandlungen mit einem mittelständischen Unternehmer brauchen wir aussagekräftige Informationen zur Lage und Perspektive des Betriebs. Dazu gehören die Jahresabschlüsse der vergangenen drei Geschäftsjahre und eine monatliche Liquiditätsplanung für die nächsten drei Jahre“, erklärt Reinhold Lensing, Leiter Firmenkunden Rheinland bei der WGZ-Bank. Für die aktuelle Bestandsaufnahme seien die betriebswirtschaftliche Auswertung des laufenden Jahres sowie eine Aufstellung der Bankverbindlichkeiten mit Angaben zu den Sicherheiten, den Laufzeiten der Kredite und den Tilgungsplänen entscheidend.

Die Kennzahlen im Finanzplan des Unternehmers gewinnen in Krisenzeiten zunehmend an Bedeutung. „Eine saubere Finanzplanung muss der Bank genau vorrechnen, dass das Risiko eines Kreditausfalls gering ist. Der Unternehmer muss belegen, dass er monatlich seinen laufenden Kredit bedienen kann“, sagt Finanzierungsexperte Faggo.

Ein Restrisiko bleibt trotzdem: Wenn sich der Betrieb in einer sogenannten „risikobehafteten Unternehmenssituation“ befindet wenn er einer Risikobranche angehört, finanzielle Engpässe meistern muss oder eine Wachstumsfinanzierung braucht. Dann rät Unternehmenscoach Tobias Metz, „sich einen neutralen Berater für die Verhandlungen mit der Bank an Bord zu holen“. Denn der Unternehmer muss das Kreditinstitut überzeugen. „Ein neutraler Berater sichert im Bankgespräch zusätzlich die Einschätzungen des Bankers ab“, sagt Metz. Ein Dritter übernimmt auch die Rolle des Dolmetschers eine nicht zu unterschätzende Trumpfkarte, wie Metz meint. „Viele Kreditgespräche scheitern an der Kommunikation. Unternehmer und Banker sprechen immer noch in zwei verschiedenen Sprachen.“

Die Landschaftsgärtner Teske und Lüdemann planen 2009 keine Investitionen, weil noch zwei Kredite laufen. Trotzdem „ist es ein gutes Gefühl, zu wissen, dass wir einen Kredit bekommen würden, wenn wir ihn bräuchten“, sagt Teske.

- cornelia.hefer@handwerk-magazin.de