Fluktuation: Wenn Mitarbeiter Konkurrenten werden

Verlässt ein Mitarbeiter den Betrieb, nimmt er zwangsläufig ­Insiderwissen und Kundenkontakte mit. Gegen diese drohende Kon­kurrenz aus den eigenen Reihen gibt es jedoch einige juristische Mittel.

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    Siegfried Schmid hat leidvoll erfahren, wie es ist, wenn Ex-Mitarbeiter gegen ihn arbeiten.
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    Betroffen von Kündigungen sind laut Studie auch kleine und mittlere Betriebe.
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    „Ich kann Mitarbeiter nicht halten, die ­bereits innerlich gekündigt haben.“ Siegfried Schmid, ­Inhaber der Flexo-Handlaufsysteme GmbH
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    „Allein mit rechtlichen Mitteln ist das Problem Abwerbung kaum zu lösen.“ Paul Melot de Beauregard, Fachanwalt für Arbeitsrecht in München.

Wenn Mitarbeiter Konkurrenten werden

Siegfried Schmid baute in Augsburg Holztreppen, und das erfolgreich mit 50 Mitarbeitern – bis vor kurzem. Bei dieser Unternehmensgröße musste er Verantwortung ab­geben und seine Mitarbeiter entsprechend weiterbilden. Das hatte einen Nachteil: „Diese Qualifikation war gleichzeitig das Rüstzeug, mit dem sie sich selbständig machen konnten“, blickt der Handwerksunternehmer auf seinen früheren Betrieb zurück. Es gibt so viele Schmid-Ableger, dass Augsburg heute die Stadt mit der größten Treppenbauer-Dichte ist.

Befeuert wurde die Entwicklung durch die Tatsache, dass Treppen zunehmend aus indus­triell vorproduzierten Teilen gebaut werden. Das ermöglicht eine Gründung ohne Produktionsmaschinen, also ohne großen Kapitaleinsatz. Die Konkurrenten aus der eigenen Reihe kannten seine Kunden und Preise. So konnten sie leicht mit billigeren Angeboten einsteigen.

Bei ihrem Ausstieg warben die Ex-Mitarbeiter dann oft auch noch Kollegen ab, dadurch verlor Schmid noch mehr gute Leute. Mit dieser Problematik steht Schmid nicht alleine da. „Die Personalfluktuation ist in kleinen und mittleren Betrieben, zu denen die meisten Handwerks­unternehmen gehören, relativ hoch“, betont Katarzyna Haverkamp vom Volkswirtschaftlichen Institut für Mittelstand und Handwerk, „überdurchschnittlich häufig kündigen dabei die Arbeitnehmer selbst.“ Der Ex-Mitarbeiter hinterlässt nicht nur eine Lücke, er kann dann dem alten Chef mit seinem Insiderwissen und den Kundenkontakten Konkurrenz machen. Dagegen gibt es zwar juristische Mittel. Sie wirken allerdings nur, wenn ihr Einsatz genau auf Betrieb und Branche abgestimmt wird.

Abwerbung erschweren

Eine Abwerbung von außen ist grundsätzlich erlaubt, doch alles muss der Chef sich nicht bieten lassen. Er kann sich rechtlich dagegen wehren, sobald Konkurrenten oder Headhunter direkt in seinem eigenen Betrieb hemmungslos auf Mitarbeiterjagd gehen. „Sie dürfen einen Kandidaten zwar auch am Arbeitsplatz kurz per Telefon oder E-Mail auf die Stelle hinweisen“, räumt der Freiburger Anwalt Christoph Fingerle ein. Intensivere Abwerbebemühungen in seinem Betrieb könne der Unternehmer aber durch eine einstweilige Verfügung unterbinden. Das gilt ebenso für eigene Mitarbeiter, die Kollegen zu neuen Jobs mitnehmen wollen: Am Arbeitsplatz ist mehr als ein kurzer Hinweis tabu, sonst sind sie reif für die Kündigung.

Ein weiteres rechtliches Mittel ist das nachvertragliche Wettbewerbsverbot: Der Mitarbeiter verpflichtet sich gegen eine Entschädigung von mindestens der Hälfte seiner bisherigen Bezüge, seinem Arbeitgeber für bis zu zwei Jahre nach seinem Ausstieg keine Konkurrenz zu machen. Oft wird versucht, dieses Verbot zu umgehen, das hat auch Siegfried Schmid erlebt: Ein Ex-Mitarbeiter hatte sich im Kunst- und Design-Laden seiner Frau anstellen lassen, das war kein Konkurrenzunternehmen. Und von dort aus hat er Treppen anderer Anbieter verkauft. „Ich habe mich geärgert, klar, aber soll ich da einen langen Rechtsstreit führen?“ Schmid suchte lieber das Gespräch, um wenigstens die Entschädigungszahlung einzusparen.

  • Rat:
  • Recht gezielt einsetzen
    Rechtliche Mittel müssen beim Weggang von ­Mitarbeitern genau auf die Situation des Unternehmens abgestimmt und sorgfältig formuliert werden. Nur so können Sie verhindern, dass ­Mitarbeiter beim Ausstieg zu viel Insiderwissen mitnehmen und dieses zum Schaden des alten Arbeitgebers verwenden. Andernfalls kosten sie viel und funktionieren trotzdem nicht.

Wettbewerbsverbote oft fehlerhaft

Ein Nachteil von Wettbewerbsverboten ist ihre Fehleranfälligkeit: „Nach meiner Erfahrung sind über 50 Prozent nicht in Ordnung“, betont Fingerle. An erster Stelle der Pannenstatistik steht die Entschädigungssumme. Oft werden Gehaltsbestandteile übersehen, beispielsweise die private Nutzung eines Dienstwagens.Der Konkurrenzschutz ist für den Arbeitnehmer unverbindlich, die Zahlungen sind trotzdem zu leisten. „Dabei ist es ganz einfach, die Entschädigung richtig zu regeln, man muss nur das Gesetz abschreiben. Eigene Kreativität hingegen ist gefährlich“, sagt Fingerle.

Für Schmid spielt dieses Mittel keine Rolle mehr. Er hat sich aus dem Treppengeschäft zurückgezogen und sich mit der Flexo-Handlaufsysteme GmbH in Gottmadingen auf Handläufe im Baukastensystem spezialisiert. Das Know-how, das in seinem Produkt steckt, ist eine technische Erfindung, die er durch Patent schützen konnte. Auch ist der Name des Unternehmens bekannt und als Marke geschützt. Wenn ein Ex-Mitarbeiter sein Insider-Wissen woanders verwerten will, bieten Patent und Marke sehr wirksame Abwehrmöglichkeiten. Noch wichtiger ist es Schmid aber, dass sich seine 20 Mitarbeiter wohlfühlen und gar nicht erst auf die Idee kommen, Flexo zu verlassen.

Auch für Wolfgang Dorn, Geschäftsführer der Josef Hebel GmbH & Co. KG Bauunternehmung in Memmingen, sind rechtliche Mittel immer nur Notlösungen, „eigentlich geht es darum, die Mitarbeiter zu halten.“ Jeder seiner 400 Mitarbeiter soll sich wohlfühlen. Lange Betriebszugehörigkeiten zeigen: Sein Konzept geht auf. „Ich glaube, bei uns geht niemand wegen des ersten finanziellen Angebots.“

Wenn doch ein Mitarbeiter das Unternehmen verlässt, sichert sich der Bauunternehmer mit langen Kündigungsfristen ab, besonders bei Führungskräften. Diesen kann er bis zum Ende der Kündigungsfrist jede Beschäftigung bei Konkurrenzunternehmen untersagen. „Anders als beim Wettbewerbsverbot muss er nicht nachweisen, dass die Tätigkeit tatsächlich im Konkurrenzbereich liegt, deshalb lässt sich das leichter durchsetzen“, sagt Paul Melot de Beauregard, Anwalt aus München. Nach Ablauf der Frist ist das Insiderwissen nicht mehr taufrisch. Außerdem kann das Unternehmen in dieser Zeit Gegenmaßnahmen ergreifen. Die Zeit erkauft sich Dorn jedoch teuer, denn die Noch-Mitarbeiter haben Anspruch auf ihr Festgehalt.

Betriebsgeheimnisse schützen

Ein weiteres beliebtes Mittel sind Geheimnisschutzklauseln im Arbeitsvertrag. Sie sind weit verbreitet und vor allem eines: kostenlos. Allerdings werden sie oft zu weit gefasst und sind damit unwirksam. „Zulässig ist ein solches Verbot nur für echte Betriebsgeheimnisse“, betont der Münchener Anwalt Jens-Arne Former. Dazu gehören etwa Umsätze, Erträge, Bilanzdaten, Mitarbeiterlisten, Kundenlisten, Warenbezugsquellen, Preiskalkulationen, Unternehmensstrategien sowie Arbeits- und Verfahrensmethoden. Eigentlich braucht der Unternehmer gar keine schriftliche Vereinbarung, um diese sensiblen Informationen zu schützen, wie der Arbeitsrechtler betont: „Die darf der Mitarbeiter auch ohne Klausel nicht weitergeben, weder solange das Arbeitsverhältnis läuft noch nachher.“ Former empfiehlt dennoch eine Klausel, die genau beschreiben sollte, was als Betriebsgeheimnis geschützt wird. „Das erinnert den Mitarbeiter an seine Schweigepflicht, schafft Klarheit und erhöht sein Unrechtsbewusstsein.“ Als Abrundung empfiehlt der Anwalt eine Vertragsstrafe für den Fall von Verstößen.

Schlechter sieht es aus mit Informationen, die keine Betriebsgeheimnisse sind. Diese darf ein Ex-Mitarbeiter mitnehmen, darunter fallen Erfahrungen und sogar Kundenkontakte. Aber nur, was er im Kopf davontragen kann Die Mitnahme von Daten auf Kopien, auch auf handschriftlichen Notizen, USB-Stick oder als E-Mail-Anhang ist strafbar.