Finanzierung: Frisches Geld einsammeln

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Crowdfunding

Wer Geld braucht, ob für eine Gründung oder für Investitionen, muss nicht unbedingt zur Bank gehen. Neue Crowd-Portale im Internet können auch für Handwerksbetriebe eine gute Alternative sein.

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    Axel Ziethe sucht Investoren für die Produktion eines flexiblen Baukastensystems für Reisemobile.
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    © Chart: handwerk magazin
    Crowdinvesting erlebte in den vergangenen drei Jahren einen wahren Boom: 22,67 Millionen Euro wurden bisher in erfolgreich beendete Projekte investiert.
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    © Rudolf Wichert
    Janin Heiden-Eckhold, Inhaberin der Genusswerkstatt Düsseldorf, sammelte bei Kunden und Freunden 5600 Euro für die Ausstattung ihrer Backstube. Als Dankeschön bekommen die Unterstützer Backwaren und Gutscheine.

Ganz einfach ist es dieser Tage nicht, Axel Ziethe zu erreichen. Der Geschäftsführer der SMF Konstruktionen GmbH ist ständig unterwegs. Denn SMF, Entwicklungspartner eines weltweit agierenden Zulieferkonzerns für Autodachmodule, hat ein großes Vorhaben: In den kommenden Monaten will sein Betrieb mit der Produktion eines flexiblen Baukastensystems für Reisemobile beginnen.

Attraktive Alternative zum Kredit

Jahrelang hat das SMF-Team an der Entwicklung gebastelt, jetzt fehlt für den Startschuss nur noch die Finanzierung. Die Hausbank hat abgewinkt. Ziethe ist aber sicher, dass sich das innovative Projekt schon bald umsetzen lässt. Crowdfunding oder Schwarmfinanzierung heißt die Lösung: eine Idee, die auch Ziethe für sein Unternehmen entdeckt hat. Was es damit auf sich hat, erklärt der Berliner Unternehmensberater Steffen Doberstein, der kleinere und mittlere Betriebe in Finanzfragen berät: Firmen, die Geld benötigen, wenden sich nicht an eine Bank, sondern sammeln das Geld von vielen Kleinanlegern ein. Das sei zwar viel Arbeit, so Ziethes Stoßseufzer, die ihn derzeit von Termin zu Termin treibt. „Aber eine geniale Alternative zur klassischen Finanzierung.“

In anderen Ländern kennt man diese Art der Finanzierung, die über Online-Plattformen organisiert wird, schon länger. Erst Anfang des Jahrzehnts etablierten sich erste Portale in Deutschland, die sich zunächst fast nur mit künstlerischen Projekten oder Internet-Start–ups befassten. Das Gründerportal fuer-gruender.de erfasst jedes Quartal das investierte Kapital über Crowdinvesting in beendete Projekte. Ende 2013 betrug die Summe knapp 20 Millionen Euro. Inzwischen kommen immer mehr Portale auf den Markt, darunter auch solche, die sich an mittelständische und kleine Unternehmen richten (siehe Tabelle Seite 49).

Im Handwerk, bedauert Experte Doberstein, ist das Thema Schwarmfinanzierung noch nicht wirklich angekommen. Dabei könnte die neue Finanzierungsform auch hier interessant sein. Crowdfinanzierung ist immer dann attraktiv, wenn sich Geld auf klassische Weise nicht beschaffen lässt, weil Sicherheiten fehlen.

Projekte müssen überzeugen

Denn hier geht es nicht um Sicherheiten, sondern um Überzeugungsarbeit. Wem es gelingt, sein Projekt auf einem Portal gut zu präsentieren, der kann Gleichgesinnte zu Mitstreitern machen. Gerade im Handwerk ein entscheidender Aspekt, wie Knut Haake, Geschäftsführer der Deutschen Mikroinvest GmbH, weiß. Andere Handwerker kennen die viele Eigenarten der Branche genauer als Banker, können Risiken einschätzen und sind somit eher bereit, innovative Ideen zu finanzieren. Auch Kunden lassen sich beteiligen (siehe Interview unten).

Wer allerdings glaubt, dass Crowdfinanzierungen einfacher sind als ein Bankkredit, der irrt. Denn um Investoren zu finden, sind Vorarbeiten nötig. Eine ausführliche Darstellung des Projektes auf dem Portal selbst ist nur das eine. Je mehr Geld jemand benötigt, umso mehr Engagement ist notwendig. Haake empfiehlt, Flyer zu drucken oder Videos zu drehen.

Für jedes Projekt gibt es eine sogenannte Fundingschwelle. Also eine Summe, die mindestens zusammenkommen muss, damit das Geld ausgezahlt werden kann. Gelingt die Überzeugungsarbeit nicht, scheitert das Projekt. Ein Schicksal, das jede zweite Kampagne erleidet.

Die Bezeichnung Crowdfunding wird als Oberbegriff für Schwarmfinanzierungen verwendet. Sie bezeichnet aber gleichzeitig eine spezielle Form, nämlich die Finanzierung ohne finanziellen Rückfluss, auch als „Reward based Crowdfunding“ bezeichnet. Grundsätzlich, erläutert Experte Doberstein, werden bei der Crowdfinanzierung vier Formen unterschieden, wobei nicht alle fürs Handwerk gleich attraktiv sind (siehe Kasten, Seite 50).

Kunden mit Produkten locken

„Reward based Crowdfunding“ eignet sich gut für kleinere Handwerksbetriebe, die Produkte für den Endverbraucher herstellen. Bei diesem Konzept erhalten Anleger kein Geld zurück, sondern Waren oder Dienstleistungen. Janin Heiden-Eckhold, Inhaberin der Genusswerkstatt Düsseldorf, sammelte so für die Ausstattung der Backstube 5600 Euro ein. Als Dankeschön bekommen die Unterstützer Backwaren, Gutscheine oder Backkurse. Wer dagegen größere Summen braucht, wie Axel Ziethe, für den geht es um Crowdinvesting, bei dem die Investoren Beteiligungen erwerben. Diese Form wächst derzeit am stärksten. Weil Anleger beim Crowdinvesting am Gewinn und am Verlust beteiligt werden, prüft jetzt die Bunderegierung, ob Regularien notwendig sind, um diese Investoren zu schützen. Bislang spiegelt sich das erhöhte Risiko für Kleininvestoren in den hohen Zinsen wider, die Anleger erhalten und Geldnehmer zahlen müssen.

Daher ist Crowdfinanzierung teurer als der normale Bankkredit, betont Experte Haake. Dennoch kann sie sich für das Unternehmen rechnen. Das gesammelte Geld, insbesondere beim Crowdinvesting, kann dem Eigenkapital zugerechnet werden: Mit einem gelungenen Crowdprojekt erhöhen Betriebe nicht nur die Liquidität, sondern auch ihre Kreditwürdigkeit. Mehr als einmal, berichtet Haake, habe er erlebt, dass sich nach einer gelungenen Kampagne, die Banken wieder interessiert zeigten, die vorher eine Finanzierung abgelehnt hatten.

Wer über einen Schwarm finanziert, bekommt nicht nur Kapital, sondern oft auch neue Kunden. Denn die Marketingaktivitäten, die Geldgeber anlocken sollen, erhöhen insgesamt die Aufmerksamkeit. Um Geldgeber zu finden, verteilte die Genusswerkstatt Backwaren in der Nachbarschaft, besuchte ansässige Firmen und postet jeden Fortschritt über Facebook. Heute kann sich Inhaberin Eckhold vor Anfragen kaum noch retten. „Es war viel Arbeit und wir haben lange gezittert“, so ihr Resümee, „aber die Mühe hat sich gelohnt.“