Branchencheck Gerüstbauer: Positive Auftragslage ohne Nachwuchs immer schwerer zu bewältigen

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Im Gerüstbauer-Handwerk entwickelt sich die Auftragslage weiterhin positiv. Zu schaffen macht aber der Nachwuchskräfte­mangel – eine Imagekampagne soll helfen.

Gerüstbauer-Handwerk
Auftragslage entwickelt sich weiter positiv bei den Gerüstbauern. - © KoK-Liang-stock.adobe.com

Vom Neubau bis hin zum Sanierungsobjekt: Ohne das Gerüstbauer-Handwerk geht nichts. Selbst während der pandemiebedingten Lockdowns zeigten sich die Betriebe krisenresistent und arbeiteten trotz mancher Einschränkungen relativ unbeeinträchtigt weiter. „Es gibt einen pandemiebedingten Auftragsrückgang im Industriegerüstbau, der maßgeblich auf Leistungsverschiebungen und -stornierungen basiert, während im Bereich der Gerüstbauleistungen für die Bauwirtschaft lediglich vereinzelt Auftragsrückgänge zu vermerken sind“, sagt Frank Dostmann, stellvertretender Bundes­innungsmeister und Vizepräsident Bundesverband Gerüstbau im Bereich Wirtschaft, Recht und Ausbildung. Unterm Strich wertet Dostmann die Geschäftslage für die insgesamt 2.636 Gerüstbauer-Betriebe als positiv.

Alleinstellungsmerkmal ab 2024

In die Zukunft geblickt, nimmt die ­Relevanz des Gerüstbauer-Handwerks noch zu. Zum einen, weil der Wohnungsmarkt in Deutschland weiter ausgebaut werden soll. Zum anderen, weil ab Mitte 2024 keine weiteren Gewerke – da­runter vor allem Maurer oder ­Installateure – Arbeits- und Schutz­gerüste aufstellen dürfen, wie es in der Handwerksordnung festgelegt wurde. Um das Aufstellen der Gerüste technisch zu erleichtern, kommen bei der Planung, Konstruktion und Abrechnung immer mehr digitale Hilfsmittel ins Spiel: vom papierlosen Büro, das ­Daten in Echtzeit auf der Baustelle zur Verfügung stellt, bis hin zum Planen am digitalen Zwilling. Auch Drohnen sind keine Seltenheit mehr und unterstützen die Betriebe darin, präzise Bilder und Scans aus verschiedenen Perspek­tiven zu erstellen.

Imagekampagne gegen Fachkräftemangel

Ob es die Digitalisierung über ihre Vorteile der Zeitersparnis und Arbeitserleichterung schaffen könnte, die aktuell angespannte Situation auf dem Bewerbermarkt abzuschwächen? So liegt eines der größten Probleme im Gewerk am Mangel an jungen Fachkräften. Um diese Herausforderung zu meistern, hat die Bundesinnung eine Imagekampagne mit echten Gerüst­bauer-Azubis aufgesetzt. Zu sehen ist sie hauptsächlich in den digitalen ­Medien. Der Fokus liegt auf Social ­Media und Online-Werbemitteln, die von Mitgliedsbetrieben weiter verbreitet werden. „Der positive Effekt dieser Maßnahmen spiegelt sich in den steigenden Ausbildungszahlen wider“, sagt Dostmann und verweist auf ein Steigerung von acht Prozent auf 864 Azubis fürs laufende Jahr. Entwarnung gibt der Vize-Bundesinnungsmeister allerdings nicht: „Trotzdem wird die Zahl insgesamt nicht ausreichend sein, um den zukünftigen Fachkräftebedarf in der Branche zu decken.“

Branchentrends

  • Weiterentwicklung im Bereich Arbeits- und Gesundheitsschutz:
    Sichere Arbeitsplätze für andere Gewerke zu schaffen ist das oberste Gebot im Gerüstbauer-Handwerk. Daher sind die Betriebe immer erster Ansprechpartner in Sachen Arbeitsschutz: bei Vorschriften und Standards ebenso wie bei technischen Entwicklungen.
  • Digitalisierung und Innovation:
    Für Planung, Konstruktion und Abrechnung von Gerüsten werden vermehrt digitale Hilfsmittel eingesetzt, wodurch verbesserte Arbeitsbedingungen entstehen. Jetzt gilt es, diesen Fortschritt weiterzutreiben und passende Lösungen für das Gewerk zu implementieren.
  • Attraktiver Handwerksberuf mit sicheren Perspektiven:
    Die Nachwuchsgewinnung und Fachkräftesicherung ist und bleibt im Gerüstbauer-Handwerk eines der wichtigsten Themen, heute und in Zukunft. Die mit echten Gerüstbau-Azubis realisierte #HIGHsociety-Kampagne der Bundesinnung Gerüstbau unterstützt die Gerüstbau-Betriebe bei ihrer Werbung und Öffentlichkeitsarbeit und wertet gleichzeitig das Image der gesamten Branche auf.
  • Faire Arbeitsbedingungen:
    Gerechte und realistische Lohn- und Sozialstandards sind wesentliche Voraussetzung für ein zufriedenstellendes Arbeitsleben. Hierfür setzt sich Bundesinnung und Bundesverband Gerüstbau als Sozialpartner für die Gerüstbaubranche zuverlässig und lösungsorientiert ein.
  • Nachhaltigkeit:
    Der Verband fördert Forschungsprojekte zur Entwicklung nachhaltiger Produkte, die im Gerüstbau einsetzbar sind, wie etwa Gerüstplanen aus Naturprodukten, und prüft deren Einsatz im Baustellenalltag.

Die Branche in Zahlen

Umsatz (in Mrd. Euro/netto)

20172,52
20182,95
20193,23
2020*3,31
*Prognose

Prognose: Im vergangenen Jahr war die Umsatzentwicklung im Gerüstbau durchwachsen. Gerüste für den Wohnungsbau waren zwar gut nachgefragt, dagegen gab es im Wirtschafts- und Industriebau eine abgeschwächte Entwicklung. Der Verband attestiert unterm Strich eine positive Entwicklung und rechnet mit einem Umsatz von 3,31 Milliarden Euro. In den kommenden Jahren soll das Wachstum der Branche weniger dynamisch ausfallen als zuvor. Ein Grund ist, dass sich im Gerüstbau zunehmend der Fachkräftemangel bemerkbar macht, dem die Branche künftig mit einem höheren Aufwand bei der Personal­akquise begegnen muss, um die Anzahl der Aufträge abarbeiten zu können.

Beschäftigte

201729.801
201831.513
201934.160
202034.540

Prognose: Bei den Gerüstbauern haben sichere Arbeitsplätze eine noch höhere Priorität bekommen: Seit zwei Jahren gelten mit den neuen Technischen Regeln für Betriebssicherheit verschärfte Vorschriften. Bei der TRBS 2121 steht die Absturzgefahr stärker als zuvor im Visier, etwa wenn von einer Leiter aus Arbeiten ausgeführt werden. Positiv dürfte sich die Lohnerhöhung seit vergangenem Oktober bemerkbar machen: Die Beschäftigten im Gerüstbauer-Handwerk erhalten laut Tarifvertrag fortan einen regulären Stundensatz von 17,47 Euro, das sind 2,5 Prozent mehr als zuvor. Um den gleichen Prozentsatz wird sich der Satz im Oktober 2022 weiter erhöhen, sodass der Stundenlohn dann bei 17,91 Euro liegen wird.

Auszubildende

2017703
2018691
2019734
2020805

Prognose: Bist du auch #GerüstHIGH? Mit dem Claim der aktuellen #HIGHsociety-Kampagne will die Bundesinnung für das Gerüstbauer-Handwerk den Beruf für den Nachwuchs attraktiver machen. Durch die coronabedingten Einschränkungen war es zuletzt nicht leicht, junge Menschen für eine Ausbildung zu gewinnen, doch spiegelt sich der positive Effekt der digitalen Werbemittel der Kampagne in den steigenden Ausbildungszahlen wider. Fürs laufende Jahr soll die Zahl der Azubis um weitere acht Prozent auf insgesamt 864 nach oben klettern. Eine positive Tendenz, die laut Experten allerdings nicht ausreichen wird, um den zukünftigen Fachkräftebedarf der Branche zu decken.

Anzahl der Betriebe

20172.585
20182.570
20192.632
20202.636

Prognose: Die Anzahl der Betriebe ist in den vergangenen Jahren kontinuierlich angestiegen. Für das laufende Jahr rechnet Bundesinnung und Bundesverband Gerüstbau allerdings mit einer Stagnation. Dabei kommt dem Gerüstbauer-Handwerk, das 1998 zum Vollhandwerk ernannt wurde, fortan die alleinige Rolle zu, Arbeits- und Schutzgerüste aufstellen zu dürfen. So hat sich in der Praxis gezeigt, dass eine erhebliche Anzahl von Betrieben das Gerüstbauer-Handwerk ausüben, ohne damit bei der Handwerkskammer eingetragen zu sein. Mit wenigen Einschränkungen wird diesen Betrieben ab 1. Juli 2024 die bisher noch geltende Erlaubnis, Gerüste aufzustellen, entzogen.