Erlaubte Geschenke

Korruption | Einladung zum Essen, kleine Präsente, Rabatte – zwischen Unternehmen gibt es einen gewissen Spielraum für die Pflege der Geschäftskontakte. Doch auch der hat Grenzen.

Erlaubte Geschenke

Gutes Geschäftsklima, doch wie geschmiert darf es nicht laufen, so lässt sich das Prinzip der Josef Hebel GmbH & Co. KG Bauunternehmung in Memmingen mit 410 Mitarbeitern und 87 Millionen Euro Jahresumsatz auf den Punkt bringen. Bestechung ist tabu, aber es muss drin sein, Ereignisse wie die Fertigstellung von Bauabschnitten oder eine Abnahme bei einem Essen mit den Geschäftspartnern gebührend zu feiern.

Bestechung ist der Supergau

Hebel-Geschäftsführer Roland Filippi achtet darauf, dass seine Mitarbeiter dabei des Guten nicht zu viel tun. „Die rechtliche Grenze zwischen erlaubter Beziehungspflege und Bestechung ist oft schwer zu ziehen“, erklärt Rechtsanwalt Christian Pelz, Strafrechtler bei Nörr, Stiefenhofer, Lutz in München. „Schon wenn die Einladung zu nobel ausfällt, kann es kritisch werden.“ Deshalb prüft Filippi regelmäßig die Aufwendungen für Geschäftspartner. „Es wäre fatal für unsere Glaubwürdigkeit, wenn bei ihnen ein falscher Eindruck entstünde.“ Denn faires und partnerschaftliches Verhalten ist ein Hebel-Markenzeichen.

Ein Supergau wäre es für das Unternehmen, wenn ein Mitarbeiter öffentliche Bedienstete schmieren würde, um einen Auftrag zu sichern. Roland Filippi: „Daran darf man gar nicht denken. Da geht es um die blanke Existenz.“ Denn das bedeutet Ausschluss von allen öffentlichen Aufträgen. Christian Pelz: „Für den Ausschluss gibt es keine festen Zeitgrenzen. Es muss sichergestellt sein, dass sich die
Bestechungsversuche nicht wiederholen.“ Da könne etwa die Auswechselung des Geschäftsführers hilfreich sein, „schwierig wird das, wenn der auch Gesellschafter ist und weiter die Fäden in der Hand hält.“

Vollen Schutz gegen Korruption bietet nach Einschätzung von Rechtsanwalt Michael Nicolaus, Kanzlei Graf von Westphalen, nur die völlige Enthaltsamkeit von allen materiellen Freundlichkeiten. Das käme für das Bauunternehmen Hebel nicht in Frage. Weil jedoch Roland Filippi die Risiken kennt, hat er ein Auge darauf, dass sich die Bewirtungskosten im Schnitt um die 30 Euro pro Person bewegen. Jedenfalls: „Vor einer Einladung in ein Nobelrestaurant würde der Mitarbeiter fragen.“

Einladung zum Oktoberfest

Andere riskieren mehr. Michael Frikell, Geschäftsführer der Bauinnung München: „Ein Medienunternehmen, bei dem wir Werbung schalten, lädt regelmäßig Mitarbeiter zur Kundenpflege ein, natürlich mit Begleitung.“ Da geht es jährlich aufs Oktoberfest, aber auch auf Events, die pro Person mit deutlich über 100 Euro zu Buche schlagen. „Oktoberfest, das geht wohl noch in Ordnung“, kommentiert der Münchner Strafrechtler Pelz, „aber bei über 100 Euro bekomme ich Bauchschmerzen“. Das könne aber noch im grünen Bereich liegen, wenn nicht gerade Vertragsverhandlungen bevorstünden. Eine Rolle spielen auch Auswahl und Größe des Teilnehmerkreises. „Wenn das transparent ist, sehr viele anwesend sind und nicht nur Entscheider, ist eine Bestechungsabsicht unwahrscheinlicher.“

Gegenüber Mitarbeitern von Behörden ist mehr Zurückhaltung angesagt. Strafrechtler Nicolaus weiß: „Früher galt hier als Faustregel auch eine Grenze von 30 bis 50 Euro, das ist vorbei.“ Michael Frikell ergänzt: „Die Mitarbeiter der Stadt München dürfen nicht mal eine Mittagseinladung zum Oktoberfest für 20 Euro annehmen.“ Und Anwalt Pelz sagt: „Je nach Behörde sind bis zu 20 Euro üblich, oft gibt es dafür Richtlinien.“ Hamburg ist strenger. „Da bringen die Betriebsprüfer den Kaffee in der Thermoskanne mit, um nicht in Korruptionsverdacht zu kommen“, meint Michael Nicolaus.

Risikofaktor Mitarbeiter

Neben den unsicheren rechtlichen Grenzen sind die eigenen Mitarbeiter der größte Risikofaktor beim Korruptionsschutz. Immerhin unterstützt das Recht den Chef bei der Kontrolle. „Wer besticht oder sich bestechen lässt, ist reif für die fristlose Kündigung“, sagt der Düsseldorfer Anwalt Michael Bogati, Hölters & Elsing. Da gälten die gleichen Maßstäbe wie im Strafrecht. Der Arbeitsrechtler nennt Beispiele: „Vereinzelte klassische Werbegeschenke im Wert von zehn bis 20 Euro oder eine normale Essenseinladung, das geht in Ordnung.“ Koste die allerdings 150 Euro pro Nase, sei das bei einem einfachen Mitarbeiter zu viel, bei einem Geschäftsführer könne das vielleicht noch durchgehen. „Die Frage ist immer: Ist die Zuwendung geeignet, die Entscheidung zu beeinflussen.“

Für wichtig hält Bogati klare Leitlinien. „Das kann im Arbeitsvertrag geregelt werden.“ Der Anwalt rät zu sehr umfassenden Anzeigepflichten, die alles betreffen, was mehr wert ist als 20 oder 30 Euro. „Ich halte das für sinnvoller, als den Arbeitnehmer zur Ablieferung sämtlicher Gefälligkeiten zu verpflichten, das kann ihn in die Heimlichkeit drängen.“

Verbessert wird die Sicherheitslage auch durch präzise Dokumentationsanweisungen für den Einkauf. Bogati: „Das ist mit sehr überschaubarem Aufwand zu machen.“ Festgehalten werden müssten die Zahl der Angebote: Die nicht berücksichtigten seien zu archivieren, die Entscheidung in zwei Worten, etwa: „zu teuer“ oder „bekannt unzuverlässig“, festzuhalten.

Auch bei der Bauunternehmung Hebel gibt es gegen aktive und passive Bestechung Leitlinien und die Regel von zwei Unterschriften für jeden größeren Auftrag. Aber Roland Filippi weiß auch: „Der Prokurist hat manchmal nicht mal die Zeit durchzulesen, was er da unterschreibt.“ Trotzdem schläft Filippi ruhig, denn er weiß, dass nichts passieren wird. „Bei uns sind grundsätzlich und systematisch immer mehrere in alle Entscheidungen eingebunden. Das ist eine Frage der Alltagsorganisation, zusätzliche Kontrollen sind deshalb nicht nötig.“ Dahinter stehe eine Unternehmenskultur, die auf Offenheit und Fairness beruhe, und das seit Jahrzehnten. „Deshalb kann ich sicher sein, dass die Kommunikation in Zweifelsfällen immer funktioniert, und zwar in alle Richtungen.“

Wenn es trotzdem schief läuft, ist das Wichtigste nach Meinung des Arbeitsrechtlers Bogati, hart durchzugreifen, also: fristlos zu feuern. „Da fehlt oft der Durchsetzungswille, da wird Zurückhaltung geübt, der Zeigefinger gehoben, aber nicht gekündigt.“ Folge sei eine Atmosphäre von Nachlässigkeit und Gleichgültigkeit der Korruption gegenüber: „Dann ist der Kampf verloren.“

Thomas MĂĽnster

harald.klein@handwerk-magazin.de