Elternzeit für Selbständige

Elterngeld | Als selbständiger Unternehmer Elterngeld zu beantragen ist nicht so einfach. Vor der Auszahlung müssen zahlreiche bürokratische Hürden genommen werden.

Elternzeit für Selbständige

So kompliziert und aufwendig hatten sich Melanie (28) und Rüdiger Neumann (33) die Sache mit dem Elterngeld nicht vorgestellt. Die Geburt von Sohn Julius im Februar 2008 stellte die Neumanns vor die Entscheidung, wie sie Beruf und Kinderbetreuung künftig organisieren sollen. Beide Elternteile sind selbständig: Melanie Neumann arbeitet freiberuflich als Personal-Fitness-Trainerin. Rüdiger Neumann führt als Zahntechniker seit fünf Jahren einen eigenen Betrieb in Oberfranken, Coburg: die „Zahnwerkstatt“.

„Die Aufteilung der Elternzeit war in unserem Fall eine berufliche Notwendigkeit“, wie der Vater berichtet. Nach der Stillzeit wollte Melanie Neumann ihren Beruf vormittags wieder aufnehmen. Rüdiger Neumann sollte dann vormittags Sohn Julius versorgen und nachmittags im Betrieb arbeiten.

„Ich hätte gerne zehn Monate Elternzeit genommen“, sagt Neumann. Der Plan scheiterte aber an organisatorischen Problemen. Neumann hat jetzt seine gesetzlich zugesicherte Elternzeit vom 16. Juni bis 16. November 2008 angetreten. Start und Ende der Elternzeit muss sich am Geburtsdatum des Kindes orientieren. Sohn Julius kam am 16. Februar 2008 auf die Welt – und seitdem setzt das Ehepaar sich mit dem zuständigen Sachbearbeiter der Elterngeldstelle auseinander.

Das Problem bei den Neumanns: Wie berechnet man das Elterngeld bei Selbständigen? Wie hoch wird das durchschnittliche Nettogehalt vor und nach der Geburt des Kindes angesetzt? Nach den Vorgaben des Bundesfamilienministeriums funktioniert das eigentlich ganz einfach: Die Einkommensfeststellung richtet sich nach der Steuererklärung des Vorjahres.

Problem Nettoeinkommen

Aber ganz so einfach ist es dann doch wieder nicht. „Der Bemessungszeitraum bei Selbständigen ist für die Elterngeldstelle oft schwierig festzustellen“, stellt ein Experte der L-Bank in Karlsruhe klar. In Baden-Württemberg ist das Institut für die Familienförderung zuständig. Generell gelten als Basis für die Bemessung des Elterngeldes die zwölf Monate vor dem Monat der Geburt des Kindes. „Bei Selbständigen musste man das vereinfachen. Hier kommt auch das Nettoeinkommen des letzten Geschäftsjahres vor der Geburt – und da der monatliche Durchschnittsgewinn in Betracht“, so die L-Bank.

Beim Antrag auf Elterngeld wird dann das durchschnittliche Nettoeinkommen vor der Geburt berechnet und dem Einkommen während des Elterngeldbezugs gegenübergestellt. Verdient ein Selbständiger vor der Geburt zum Beispiel im Schnitt 5000 Euro netto monatlich, in der Elternzeit dann noch 3000 Euro, hat er oder sie nur Anspruch auf den Mindestbetrag von 300 Euro, weil der hier entstehende Einkommensverlust nach dem Gesetz nicht relevant ist.

Der Grund: Als maximales Nettoeinkommen vor der Geburt werden 2700 Euro berücksichtigt. „Für die Eltern lohnt dann der ganze Aufwand nicht. Stellt man gleich einen Antrag auf die 300 Euro Mindestbetrag, spart man sich eine Menge Aufwand“, rät der L-Bank-Experte. Wissen sollte man auch, dass es am Ende der Elternzeit eine Nachermittlung der Behörde gibt: Das heißt, Kassensturz. Es wird genau berechnet, ob der Elternteil, der Elterngeld bezogen hat, während des Elterngeldbezugs nicht zu viel verdient hat. Eventuell muss dann ein Teil zurückgezahlt werden. Angetastet werden dabei aber nicht die 300
Euro Mindestleistung.

Bei der Antragsstellung sollten selbständige Eltern schon mal die Geburtsurkunde ihres Sprösslings und auch die der älteren Geschwister bereithalten, den letzten Einkommensteuerbescheid beilegen und eventuelle Steuervorauszahlungen belegen. „Vor der Antragsstellung sollte man sich entscheiden, ob man das Elterngeld als wirklichen Einkommensersatz braucht oder ob der Mindestbetrag nicht ausreicht“, rät die L-Bank.

Erfahrungen fehlen noch

Im Fall der Neumanns läuft das ganze Verfahren noch. „Seit März beschäftigen wir uns jetzt intensiv mit dem Elterngeld. Allerdings hatten wir uns die Antragsstellung und Berechnung leichter vorgestellt“, meint Neumann rückblickend. Trotz laufender Diskussion mit dem Sachbearbeiter über sein Nettogehalt und die Höhe seines Elterngeldes will der Zahntechniker jetzt seinen Antrag endgültig einreichen: „Im Moment regiert bei uns noch das Prinzip Hoffnung“, meint er.

Das Problem ist seiner Meinung nach, dass die Sachbearbeiter der Elterngeldstelle, die die Anträge der Selbständigen betreuen, „weder die Tätigkeit noch den Alltagsbetrieb von Selbständigen wirklich einordnen können“, ist Neumann heute überzeugt. „Vielleicht fehlt ihnen auch einfach die Erfahrung, weil es nicht genug selbständige Väter gibt, die Elterngeld beantragen.“

2007 nutzten gerade mal 6884 Väter die gesamte Elternzeit von zwölf Monaten, wie das Bundesfamilienministerium im Juni berichtete. Wie viele davon selbständig arbeiten und sich trotzdem eine Auszeit für den Nachwuchs genommen haben, verrät die Statistik aber nicht.

cornelia.hefer@handwerk-magazin.de