Eigentum verpflichtet

Verantwortung | Die Bankenkrise hat es einmal mehr gezeigt: Am Gewinn allein lässt sich Erfolg nicht messen. Im Gegenteil. Wer neben den Zahlen auch das Gemeinwohl im Blick hat, ist erfolgreicher und zufriedener.

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    Steinmetz Markus Steininger aus München verzichtet komplett auf Material, das aus Kinderarbeit stammt.
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    Vier von fünf Kleinbetrieben wollen in der Gesellschaft Verantwortung übernehmen.
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    Bei der von Friederike Strate geführten Privatbrauerei in Detmold kommen fast alle Zutaten aus der Region.
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    Für jeden dritten Kleinbetrieb ist gesellschaftliches Engagement regelmäßig ein wichtiges Thema.

Eigentum verpflichtet

Jeder Stein hat seine Geschichte. „Und zwar nicht nur eine geologische“, wie Markus Steininger betont, „auch eine soziale.“ Der Steinmetz- und Steinbildhauermeister aus München interessiert sich für beide Seiten der Herkunft des Materials, das er verarbeitet. So gehörte er mit zu den Ersten seiner Zunft, die öffentlich zum Verzicht auf Steine aus Kinderarbeit aufriefen. Anlass dafür war die Reportage „Grabsteine aus Kinderhand“, die 2003 auf arte ausgestrahlt wurde und viel Staub aufwirbelte in der Branche. Zeigte sie doch, wie 12- und 13-Jährige in indischen Steinbrüchen schufteten, um Granit für Billig-Grabsteine auch für den deutschen Markt zu brechen.

Während einige Branchenvertreter daraufhin vor allem Zweifel an dem Film streuten, etwa, ob es sich bei den Drehorten wirklich um Exportsteinbrüche handelte, drehte der Unternehmer und ehrenamtliche Richter am Arbeitsgericht den Spieß um. „Wenn ich Material einkaufe, übernehme ich – gewollt oder ungewollt – Verantwortung dafür, wie es gewonnen wurde. Punkt“, erklärt er knapp. Sich dabei auf indische Gesetze und Bescheinigungen zu verlassen sei Augenwischerei, weiß der Vater von vier Kindern aus Gesprächen mit Hilfsorganisationen wie Terre des Hommes, für die er sich engagiert: „Solche Dokumente sind das Papier nicht wert, auf dem sie geschrieben stehen.“

Mit seinen Argumenten brachte der Obermeister die gesamte Steinmetz-Innung München-Oberbayern hinter sich: „Alle 140 Betriebe verzichten entweder komplett auf Steine aus Indien und für Kinderarbeit berüchtigten Ländern“, berichtet der 51-Jährige nicht ohne Stolz, „oder sie verlangen von ihren Lieferanten Positiv-Bescheinigungen international anerkannter Organisationen.“

Den Markt mitgestalten

„Ein anschauliches Beispiel dafür, wie Handwerksbetriebe durch ihr Engagement selbst globalisierte Märkte mitgestalten können“, bescheinigt Birgit Riess von der Bertelsmann Stiftung. Die Diplom-Ökonomin leitet das vor sechs Jahren gestartete Programm „Gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen“, mit dem die Gütersloher insbesondere kleine und mittelständische Firmen bei so genannten CSR-Projekten unterstützen (siehe Interview Seite 36).

CSR? Die drei Buchstaben stehen für „Corporate Social Responsibility“ und beschreiben die freiwillige Übernahme von sozialer und umweltpolitischer Verantwortung durch Unternehmen. Während die Diskussion in den letzten Jahren vor allem von internationalen Organisationen vorangetrieben wurde, gehört die Übernahme von gesellschaftlicher Verantwortung für die meisten Handwerker auch ohne angelsächsische Worthülsen schlicht zum unternehmerischen Selbstverständnis. So zeigt eine Umfrage des TÜV-Rheinland, dass 61 Prozent der Klein- und Mittelbetriebe bewusst Verantwortung übernehmen. Dahinter steckt nicht, wie bei vielen Großbetrieben und Konzernen, knallhartes unternehmerisches Kalkül, sondern – wie bei Steinmetz Steininger und seinen Kollegen – vor allem auch eine gehörige Portion Idealismus und Gestaltungswille. Insofern begrüßt das Handwerk den gerade verabschiedeten CSR-Aktionsplan der Bundesregierung, weil er ausnahmsweise nicht auf neue Vorschriften und Gesetze abzielt, sondern vor allem auf Information und praktische Unterstützung der Betriebe setzt.

Engagement besser vermarkten

Gerade für familiengeführte Firmen sei CSR nichts Neues, räumt auch Karin Tomkötter ein, die an der Handwerkskammer Münster von 2005 bis 2008 ein EU-Projekt zum Thema „Verantwortungsvolles Unternehmertum“ koordinierte. „Viele Handwerksbetriebe unterstützen selbstverständlich soziale Projekte, kümmern sich um Umweltthemen oder schaffen familienfreundliche Arbeitsplätze“, erklärt die Öffentlichkeitsarbeiterin. Allerdings geschehe das „zu wenig systematisch und eher im Verborgenen“.

Die CSR-Diskussion werde in der öffentlichen Wahrnehmung deshalb „stark von Großunternehmen dominiert“, bestätigt Klaus Müller vom Institut für Mittelstand und Handwerk in Göttingen. Seine Empfehlung lautet deshalb: „Verankern Sie CSR als festen Bestandteil in Ihrer Firmen- und Marketingstrategie. Gehen Sie planmäßig vor. Machen Sie Ihre Aktivitäten publik.“

Wie das funktionieren kann, zeigt das Beispiel der Privatbrauerei Strate in Detmold. Das 1863 gegründete Familienunternehmen, das heute 33 Mitarbeiter beschäftigt, stellte seine Wertschöpfungskette vor zwei Jahren „konsequent auf regionale Partner um“, wie Friederike Strate verrät, die die Firma gemeinsam mit ihrer Schwester Simone und ihrer Mutter Renate führt. „Wir wollten damit einerseits die Umwelt schonen und andererseits unser Geld dort ausgeben, wo wir es verdienen“, erklärt sie, „also in einem Umkreis von etwa 120 Kilometern.“

Auf regionale Lieferanten setzen

Schon vor fünf Jahren setzten sich die Detmolderinnen deshalb mit heimischen Bauern an einen Tisch, um sie für den Anbau von Braugerste zu gewinnen. „Angesichts der Streichung von Zuckerrübensubventionen kam ihnen dieses Angebot gerade recht“, berichtet Friederike Strate. Gemeinsam mit Malzlieferanten informierten die Brauer ihre angehenden Partner auf eigens organisierten Fachsymposien über die besonderen Anforderungen an den Rohstoff. Nach drei Testjahren konnten 2008 erstmals 40 Tonnen heimische Braugerste für die Produktion des Detmolder Bieres genutzt werden, „2010 werden es bereits 100 Tonnen sein“, freut sich die Unternehmerin.

Ob Etiketten, Verpackungsmaterialien oder Laborgeräte – fast alles, was im Betrieb benötigt werde, komme heute aus der Region Lippe. „Lediglich Hopfen und Abfüllmaschinen beziehen wir weiter aus Süddeutschland“, schränkt die Geschäftsführerin ein. Strom und Wärme werden seit 2009 zum großen Teil sogar im eigenen Blockheizkraftwerk erzeugt. „Unsere Werbeartikel kaufen wir nicht länger in Asien“, ergänzt Friederike Strate, „und bei Marketingaktionen verlosen wir statt eigener Produkte immer häufiger Erlebnisse wie zum Beispiel Abonnements für das Landestheater – um die Kultur und damit auch die Attraktivität der Region zu fördern.“

Die Strategie trägt bereits Früchte. Obwohl der Bierabsatz deutschlandweit seit Jahren sinkt, konnte die Privatbrauerei ihren Absatz gegenüber 2005 um gut vier Prozent steigern und vier neue Mitarbeiter einstellen, wie Strate zufrieden bilanziert: „Die Leute honorieren es, wenn Unternehmen Verantwortung übernehmen.“

Herkunft des Materials erklären

Eine Erfahrung, die Steinmetz Wolfgang Steininger vollauf bestätigen kann: „Wir erklären Kunden bei entsprechenden Anfragen, warum wir keine der sonst üblichen preiswerten Materialien aus Indien anbieten oder keine Steine aus dem Katalog bestellen“, fasst der Münchener seine bisherigen Erfahrungen zusammen: „Kaum ein Kunde ist deshalb bislang abgesprungen.“ Nicht zuletzt, weil der Steinmetz aufgrund seiner Firmenstrategie attraktive Lösungen unterbreiten kann, die die Mehrkosten häufig mehr als aufwiegen. „So produzieren wir mehr als 90 Prozent dessen, was wir verkaufen oder für unsere Kunden montieren, aus Rohmaterialien in unseren Werkstätten selbst“, verrät der 51-Jährige: „Auf diese Weise können wir schneller liefern, individuellere Lösungen bieten und flexibler auf Änderungen reagieren, als wenn wir bei Lohnfertigern, vielleicht sogar im Ausland, vorfertigen ließen.“

Attraktiv für neue Mitarbeiter

Dass das seit 1922 in München ansässige Familienunternehmen damit zudem 20 attraktive Arbeitsplätze in der Stadt sichert, ist für viele Interessenten – das sind überwiegend anspruchsvolle Privat- und Firmenkunden aus München und der Region – ein zusätzliches Kaufargument. Als weiteren Vorteil hat Steininger inzwischen auch die Tatsache ausgemacht, dass sein Betrieb durch das verantwortungsvolle Wirtschaften auch als attraktiver Arbeitgeber gilt. Wie die jüngste Stellenausschreibung zeigt, hat sich das positive Image unter den potenziellen Mitarbeitern in der Region bereits herumgesprochen. Während andere Steinmetze um den Nachwuchs kämpfen müssen, bewarben sich bei Steininger gleich ein Dutzend junger Leute um den ausgeschriebenen Ausbildungsplatz.

kerstin.meier@handwerk-magazin.de

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