Die Zukunft ist elektrisch

Elektromobilität | In Deutschland sollen nach dem Willen der Bundesregierung bis 2020 eine Million Elektroautos fahren. Das Handwerk wird bei der Umsetzung dieses ehrgeizigen Ziels eine zentrale Rolle spielen.

Die Zukunft ist elektrisch

Wenn Verkehrsminister Peter Ramsauer zur Kabinettssitzung vorfährt, ist ihm das Medieninteresse sicher. Denn der Minister nutzt für kurze Dienstfahrten gerne einen weiß-grünen Smart mit Aufschrift electric-drive.

Ramsauers Dienstauto ist ein winziges Detail einer gewaltigen Kampagne von Politik und Wirtschaft, im Herkunftsland des Verbrennungsmotors jetzt die Elektromobilität anzuschieben. Bis zum Jahr 2020 sollen eine Million Elektrofahrzeuge und weitere 500000 Brennstoffzellenfahrzeuge auf Deutschlands Straßen fahren. In 40 Jahren wird der städtische Verkehr auf fossile Brennstoffe verzichten können. So ist die Vorgabe der „Nationalen Plattform Elektromobilität“, die Bundeskanzlerin Angela Merkel, bekennender Elektroauto-Fan, im Mai einberief. Die deutsche Wirtschaft soll dafür innovative Technologien, Konzepte und Lösungen für eine nachhaltige Mobilität von morgen liefern und die Politik die dafür geeigneten Rahmenbedingungen setzen. Das Handwerk, speziell die Kfz- und Elektrobetriebe, spielt bei der Elektromobilität eine zentrale Rolle. „Nur mit uns kann die Technologie erfolgreich umgesetzt und flächendeckend den Verbrauchern zur Verfügung gestellt werden“, erklärte Handwerkspräsident Otto Kentzler. Tatsächlich ergeben sich für Handwerksbetriebe als Schnittstelle zwischen Hersteller und Endkunde durch die Einführung von Elektrofahrzeugen neue Märkte, von verbrauchernahen Angeboten für Fahrzeugwartung und Ladeeinrichtungen bis hin zur Schaffung neuer dezentraler Quellen für erneuerbare Energien (siehe Kasten rechts).

Kaum Autos zum Kaufen

Noch steckt die Entwicklung von Elektrofahrzeugen aber in den Kinderschuhen. Als die Kanzlern zum Elektromobilitätsgipfel nach Berlin rief, präsentierte die deutsche Automobilindustrie eine werbewirksame Technikschau am Branderburger Tor und Angela Merkel nahm erfreut die Parade der vorgestellten E-Autos ab. Nur sind der Mini E von BMW, der E-Smart von Daimler, der E-Golf von Volkswagen oder der Opel Ampera bis jetzt nicht zu kaufen, sie laufen entweder in Feldversuchen oder befinden sich noch im Konzeptstadium. Das bestätigte auch Matthias Wissmann, Präsident des Verbandes der Automobilindustrie (VDA). „Mit ihren zahlreichen Fahrzeugkonzepten unterstreichen die Unternehmen ihre Innovationskraft bei der Mobilität von morgen“, vertröstete Wissmann unfreiwillig mögliche Kunden, die sich schon jetzt vom Verbrennungsmotor verabschieden wollen.

Doch die Bundesregierung ist entschlossen, Deutschland zum „Leitmarkt und Leitanbieter für Elektromobilität zu entwickeln“, so haben es Politik und Industrie auf dem Elektromobilitäts-Gipfel vereinbart.

Keine Kaufanreize vom Staat

Die hektische Aktion hat etwas vom Pfeifen im Walde, und tatsächlich geht die Sorge um, Deutschland könnte bei der Elektromobilität hinterherfahren. Nicht ohne Grund: China drängt kräftig in den Markt und fördert Elektroautos mit bis zu 7000 Euro beim Kauf, japanische und französische Autobauer wollen schon Ende des Jahres Serienfahrzeuge in Deutschland verkaufen. Hierzulande gibt es gerade einmal fünf Jahre Steuerbefreiung für E-Auto-Käufer. Das ärgert BMW-Chef Norbert Reithofer. „Wer Abwrackprämien finanziert, kann auch in die grüne Zukunft investieren“, forderte er auf der Hauptversammlung des Konzerns in München. Doch unter den beteiligten Ministerien besteht Einigkeit darüber, dass für direkte Kaufanreize kein Geld vorhanden ist. Die Regierung wolle sich zunächst darauf beschränken, Forschung und Entwicklung der Elektromobilität zu fördern.

Davon kann auch das Handwerk profitieren, das Kraftfahrzeuggewerbe und die Elektrohandwerke sitzen bereits in den Startlöchern. Robert Rademacher, Präsident des Zentralverbands Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe (ZDK) hat sich bei der Kanzlerin für die Errichtung einer Leitstelle zur Ermittlung der neuen fachlichen Anforderungen für Elektrofahrzeuge eingesetzt. „Wir müssen ein bundeseinheitliches, flächendeckendes und fabrikatsübergreifendes Qualifizierungskonzept für Beschäftigte und Auszubildende entwickeln“, so der Verbandschef.

Neue Jobs im Kfz-Gewerbe

In der Tat werden die Firmenchefs und Mitarbeiter von Autohäusern und Kfz-Werkstätten umlernen müssen. Nur ein Beispiel: Ein herkömmliches Auto mit Verbrennungsmotor hat Stromspannungen bis 48 Volt, Elektroautos bis 1000 Volt. Gängige Arbeiten wie Öl- und Zündkerzenwechsel fallen weg, dafür kommen neue Aufgaben beim Elektromotor und den Batterien hinzu. Auch eine flächendeckende Infrastruktur von Ladestationen zählt zu den Zukunftsaufgaben des Kfz-Gewerbes. Denn, so Rademacher, ohne die Infrastruktur der Autohäuser und Werkstätten und die Nähe zum Kunden werde es keine Akzeptanz für Elektroautos geben.

Das Elektrohandwerk will sich beim Aufbau von Ladestationen den Markt sichern. Deshalb kooperiert der Zentralverband (ZVEH) mit dem Energiekonzern RWE beim Aufbau von Schnell-Ladestationen. Diese werden von Elektro-Fachbetrieben an die Gebäudeinstallation angeschlossen. Damit können künftige Elektroautobesitzer einfach in der Garage oder vor dem Haus „tanken“. Start des Projekts ist in Nordrhein-Westfalen. Im Rahmen der Zusammenarbeit werden die Innungsbetriebe durch RWE und ZVEH zum „E-Mobility Fachbetrieb“.

Aufträge mit regenerativen Energien

Weil Elektromobilität nur dann umweltfreundlich ist, wenn regenerative Energie eingesetzt wird, eröffnen sich für das Handwerk noch weitere Märkte: Photovoltaik-, Windkraft- oder Biogasanlagen sollen den Strom für die Akkus liefern, und ein ganzes Netz völlig neuer „Tankstellen“ muss gebaut werden.

Die Akku-Frage wird entscheiden, wie schnell Elektroautos sich am Markt durchsetzen. Noch sind die Batterien zu schwer, zu teuer und zu schwach. Reichweiten von 100 bis 150 Kilometer machen Elektroautos zum reinen Stadtfahrzeug. „Das wird sich auch in den nächsten Jahren nicht ändern“, behauptet Werner Tillmetz, Vorstand des Zentrums für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung. Fahrzeuge mit Elektromotor, die ihre Energie aus einer Brennstoffzelle gewinnen, seien deutlich näher an der Serienreife.

Ungeachtet der technischen Probleme scheint das Elektrofahrzeug bei den Deutschen angekommen zu sein. Vier von zehn Bundesbürger können sich vorstellen, ein Elektroauto zu kaufen, ergab eine Umfrage des Bundesverbands Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien (BITKOM). Allerdings sollte es nicht teurer sein als herkömmliche Autos. Da müssen die Autofahrer sich noch in Geduld üben: ein Fiat 500 mit Elektromotor kostet rund 50000 Euro, der Tesla Roadster rund 100000 Euro.

- reinhold.mulatz@handwerk-magazin.de