Die Wurstküche in Kundenhand

Kundenseminare Was Handwerker wirklich leisten, bleibt für Laien leider oft im Verborgenen. Mit Seminaren in Ihrem Betrieb können Sie Außenstehende zu Insidern und Neugierige zu Kunden machen.

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    © Stephan Minx
    Metzgermeister Claus Böbel (li.) lässt seine Kunden selber „wursten“ - die freuen sich anschließend über ihre eigenen Kreationen.
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    „Jeder Mensch hat Sehnsüchte, die wir in den Seminaren ein Stück weit erfüllen.“Jochen Schweizer, Erlebnisvermarkter und Event-Experte.
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    Heiztechnik zum Anfassen und Be-greifen: Matthias Gemeinhardt (re.) erklärt bei seinen Energiesparkursen anschaulich die verschiedenen Heizungsalternativen.
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    Qualität zählt: Wer mit Seminaren bei seinen Kunden punkten will, muss professionelle Inhalte und gute Referenten bieten.

Die Wurstküche in Kundenhand

Was gehört wohl in eine fränkische Bratwurst? Mit der Frage entfacht Metzgermeister Claus Böbel unter seinen Gästen wie immer ein heiteres Rätselraten. Stück für Stück komplettiert die kleine Gruppe so, mit pointierter Unterstützung ihres Gastgebers, die unvermeidliche Zutatenliste. Kurz darauf unterziehen die zünftig in Einwegkittel und weiße Käppis gekleideten Männer und Frauen ihre Rezeptur dem Praxistest. Die meisten von ihnen haben zwar bis dahin noch nie Schweineviertel zerlegt, Fleisch mit Cutter und Fleischwolf zerkleinert, mit Gewürzen und anderen Zutaten zu einer Wurstmasse vermengt und in Därme gefüllt. Unter der fachgerechten Anleitung von Claus Böbel gelingt ihnen dennoch alles, wenn auch manchmal erst beim zweiten oder dritten Versuch.

Selber wursten für 47,50 Euro

Im Selbermachen liegt der besondere Reiz des „Wursterlebnisses“, für das der Chef von neun Mitarbeitern zwei- bis dreimal monatlich seine Produktionsräume für Besucher öffnet. Allein im vergangenen Jahr lockte er so etwa 250 Wurstliebhaber aus ganz Deutschland nach Georgensgmünd-Rittersbach - fast so viele, wie der kleine Ort Einwohner hat. Für die Gelegenheit, in einer kleinen Gruppe von zumeist acht bis zwölf Gleichgesinnten einmal selbst Fränkische Bratwurst, Bayerischen Leberkäse oder den typischen Presssack herzustellen und anschließend in der benachbarten Gastwirtschaft gemeinsam zu genießen, zahlen die Besucher gern bis zu 47,50 Euro.

Jochen Schweizer, den Gründer eines gleichnamigen Internet-Erlebnisportals, verwundert das nicht: „Fast jeder Mensch möchte seinem Alltag von Zeit zu Zeit entfliehen, Neues versuchen“, weiß der Marketingprofi. Das Erproben eigener handwerklicher Fähigkeiten nehme dabei einen immer wichtigeren Platz ein. So finden sich auf www.jochen-schweizer.de und vergleichbaren Marktplätzen neben Fallschirm-Tandemsprüngen oder Wellnessbehandlungen auch immer mehr handwerkliche Herausforderungen, vom Töpfer- über den Holzbildhauer- bis hin zum Fotokurs. „Ein Brauseminar hat es bei uns zum Beispiel schon in die Top 50 unserer meistverkauften Produkte gebracht“, verrät der einstige Stuntman und Extremsportler, „auch die Goldschmiedekurse und der Pralinen-Workshop verzeichnen beachtliche Wachstumsraten“.

Hauptziel Kundenbindung

Während für die Teilnehmer das Erlebnis und die Herausforderung im Vordergrund stehen, wollen die Betriebe mit den Seminaren vor allem bestehende Kunden an das Unternehmen binden. Wie eine Forschungsarbeit der Universität St. Gallen zum Thema „Kundenevents“ zeigt, ist die Kundenbindung für 92 Prozent der befragten Unternehmer das wichtigste Ziel, 84 Prozent wollen mit den Seminaren ihr Image verbessern, weitere 78 Prozent sehen darin einen guten Weg, die eigene Kompetenz zu zeigen. Die Gewinnung neuer Kunden ist dagegen mit 77 Prozent erst auf Platz vier der Ziele-Hitliste zu finden.

Wie gut die Erlebnisse dennoch als Kundenbringer funktionieren, zeigt das Beispiel von Metzger Böbel. Seitdem er seine Wursterlebnisse auch über die Erlebnisplattform mydays.de anbietet, findet immerhin jeder dritte Kursteilnehmer erst auf diesem Weg zu seiner Metzgerei: „Andere Interessenten werden über unsere eigenen Internetseiten, durch Empfehlungen oder Beiträge in den Medien auf uns aufmerksam.“ Dass er für jeden von mydays.de verkauften Gutschein 30 Prozent der Teilnahmegebühr als Vermittlungsprovision abgeben muss, kann er deshalb gut verkraften: „Die meisten Teilnehmer kaufen doch nach dem Wursterlebnis spontan noch zusätzlich für Freunde und Bekannte ein, bestellen später über unseren Onlineshop oder empfehlen uns an Dritte weiter“, schmunzelt der 40-Jährige, „und das ist dann wieder provisionsfrei.“

Kooperation mit der Volkshochschule

Ein ganz anderes Seminarkonzept verfolgt die Gemeinhardt AG, ein familiengeführter Spezialbetrieb für Heizung, Solar und Bäder aus dem fränkischen Oberkotzau. „Seit mehr als 25 Jahren bieten wir kostenlose Schulungen rund um das Thema Heizen“, erklärt Firmenchef Matthias Gemeinhardt. Die Idee dafür stamme von seinem Vater, Firmengründer Andreas Gemeinhardt. „Um nicht jedem Kunden aufs Neue die Funktionsweise von Wärmepumpen erklären zu müssen, lud er 1985 erstmals eine Gruppe von Interessenten zu einem Vortrag in ein Restaurant ein“, gewährt der Junior Einblick in die Firmengeschichte. Aufgrund der guten Resonanz folgten der Premiere schnell weitere „Vorstellungen“.

Die regelmäßigen „Energiesparabende“, zu denen die Firma später in die eigenen, großzügigeren Räume am neuen Firmensitz einlud, erfreuten sich bald so großer Beliebtheit, dass die Volkshochschule des Landkreises Hof 1998 eine Kooperation anbot. Seitdem gehören die Seminare des heute 40 Mitarbeiter zählenden Handwerksbetriebes fest zum Kursprogramm der beliebten Bildungseinrichtung. Etwa jeder zweite Seminarteilnehmer findet inzwischen auf diese Weise nach Oberkotzau.

Fakten und Emotionen bieten

An etwa 15 Abenden informiert Matthias Gemeinhardt pro Jahr interessierte Hausbesitzer über innovative Heiztechnologien von Solarthermie über Biomasse bis hin zur Nutzung von Erdwärme. Dabei legt der Ingenieur für Versorgungstechnik größten Wert „auf anbieterunabhängige Information, eine für Laien verständliche Sprache und größtmögliche Anschaulichkeit“. So können die Kursteilnehmer in den Pausen einen Großteil der Technik, die zuvor erklärt wurde, „in unserem Showroom auch einmal sehen und anfassen.“

„Eine Kombination von Hören, Erleben und Ausprobieren verstärkt die Erinnerung vermittelter Fakten deutlich“, attestiert Professor Christian Elger von der Universität Bonn, der seit Jahren die Wirkungsweise von Marketingprozessen im menschlichen Gehirn erforscht (siehe Interview Seite 35). „Wenn all das noch dazu in einem angenehmen Umfeld geschieht und der Referent dem Zuhörer sympathisch ist, werden die an sich nüchternen Informationen zusätzlich mit einer positiven Emotion verknüpft. Einen stärkeren Werbeeffekt kann man sich kaum wünschen.“

Kurs und Kauf strikt trennen

Untermauern lässt sich diese Einschätzung durch die Studie der Universität St. Gallen. Danach gaben gar 98 Prozent der befragten Unternehmer an, dass die Pflege von persönlichen Beziehungen für sie die wichtigste Motivation für das Ausrichten von Kundenevents ist. 86 Prozent wollen damit ihren Kunden die von ihnen gewünschte individuelle Ansprache bieten, weitere 82 Prozent das Bedürfnis der Kunden nach persönlichen Kontakten bedienen. Während nur jeder zehnte etwaige Events der Konkurrenz als Motiv für eigene Veranstaltungen angab, ist der direkte Verkauf von Produkten und Leistungen für keinen der befragten Unternehmer ein Thema.

Auch bei der Gemeinhardt AG ist der bewusste Verzicht auf jeglichen „Kaffeefahrten-Effekt“ schon von Beginn an ein wichtiger Bestandteil des Seminarkonzepts. Trotzdem werden vierzig Prozent der Teilnehmer früher oder später zu Kunden, wie Matthias Gemeinhardt bestätigt: „Da es bei den Heizanlagen in der Regel um größere Investitionen geht, müssen wir natürlich ein wenig Geduld mitbringen.“

kerstin.meier@handwerk-magazin.de

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