Personal Die neuen Gastarbeiter

Auf nach Deutschland, heißt es derzeit bei vielen Arbeitskräften aus den krisengeplagten Ländern Europas. Wie Sie dieses Potenzial nutzen können, um personelle Engpässe zu beseitigen.

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    Firmenchef Uwe Holzvoigt (Mitte) mit Christian Bové Escuredo (li.) und Jose Manuel Mármol Rodríguez.
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    Sprachkurse sind das wichtigste Integrationsinstrument für Fachkräfte aus dem Ausland, sagen Firmenchefs.
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    „Unterschiedliche kulturelle Einstellungen können zu Konflikten führen.“ Alexander Reeb, interkultureller Trainer aus Göttingen.

Die neuen Gastarbeiter

Mittelmeersonne und Großstadtflair kann Uwe Holzvoigt, Geschäftsführer der Schaech Haustechnik GmbH aus dem oberbayerischen Wolnzach, seinen neuen Mitarbeitern zwar nicht bieten. Doch José Lara Llacer und Miquel Jordi Caballé, Familienväter aus dem nordspanischen Barcelona, waren trotzdem bereit, hier den beruflichen Neustart zu wagen. In Spanien hatten die erfahrenen Installateure, 42 und 39 Jahre alt, durch die Krise der Bauwirtschaft ihre Arbeit verloren. In Wolnzach, einer Marktgemeinde mit 11000 Einwohnern, suchen Unternehmer wie Uwe Holzvoigt händeringend Personal. Holzvoigt hat deshalb in Spanien Fachkräfte angeworben. Seit 1. Juli arbeiten Llacer und Caballé im insgesamt hundertköpfigen Team des Handwerksunternehmens. Zwei weitere Spanier, Christian Bové Escuredo und Jose Manuel Mármol Rodríguez, hat ein benachbarter Elektrobetrieb unter Vertrag genommen.

„Die beiden sind freitags angekommen. Am Samstag haben wir gemeinsam Weißwurst gegessen, Montag früh ging es dann schon auf die Baustelle“, erinnert sich Holzvoigt. Der schnelle Start war möglich, da die spanischen Installateure bereits in Barcelona einen vierwöchigen Intensivkurs in Deutsch belegt hatten. „Mit der Alltagssprache klappt es schon gut“, sagt Holzvoigt, „bei Fachbegriffen hapert es oft noch.“ Zweimal pro Woche büffeln die Spanier deshalb nach Feierabend mit einer Sprachlehrerin deutsche Vokabeln. Als Starthilfe hat er Llacer und Caballé einen Monteur als Paten zur Seite gestellt. „Der möchte die beiden gar nicht mehr hergeben“, sagt Holzvoigt. „Das ist ein großes Lob.“

Noch wenig Resonanz

In Deutschland fehlen Fachkräfte, während in den Krisenländern Europas die Arbeitslosigkeit Rekordhöhen erreicht. Viele Unternehmer, aber inzwischen auch die Politik und Verbände, versuchen dieses Ungleichgewicht zu nutzen. Aktiv wird im Ausland, vor allem in West- und Südeuropa, um gut ausgebildete Kräfte geworben. Die Resonanz ist bislang überschaubar. Nach Angaben der Zentralen Auslands- und Fachvermittlung der Bundesagentur für Arbeit stieg die Zahl der in Deutschland erwerbstätigen Spanier, Italiener, Griechen und Portugiesen 2011 im Vergleich zum Vorjahr um 17861 Personen (5,2 Prozent). Dagegen zogen allein aus Polen im gleichen Zeitraum 27817 Arbeitskräfte nach Deutschland, was einem Zuwachs von 27,3 Prozent entspricht.

Die Personalsuche im Ausland gestaltet sich am leichtesten, wenn Betriebe bestehende Kontakte nutzen können. Über Geschäftspartner, Messekontakte oder Wirtschaftskooperationen in den betreffenden Ländern lassen sich Suchanfragen unkompliziert weiterleiten. Auch deutsche Unternehmer mit entsprechender Erfahrung können Betriebe unterstützen. Uwe Holzvoigt hat für diesen Zweck sogar eine Zweitfirma gegründet. Wer spanische Kräfte über ihn suchen möchte, sollte eine möglichst genaue Stellenbeschreibung mit gewünschter Berufserfahrung und fachlichen Schwerpunkten erstellen. Anhand dieses Profils ermitteln Holzvoigts spanische Partner geeignete Bewerber und übernehmen, falls gewünscht, die Vor- und Endauswahl.

Hilfe von Arbeitsagenturen

Professionelle Unterstützung bieten, vor allem im grenznahen Bereich, oft auch die Arbeitsagenturen. So arbeitet die Arbeitsagentur Rastatt in Mittelbaden seit Jahren eng mit Partnern im benachbarten Elsass zusammen. Ein eigens gebildetes „deutsch-französisches Kompetenzteam“ führt deutsche Betriebe und französische Bewerber zusammen. „Viele Elsässer der älteren Jahrgänge sprechen gut Deutsch“, sagt Horst Sahrbacher, Vorsitzender der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit Rastatt. Das in seinen Augen größte Hemmnis der grenzüberschreitenden Beschäftigung - die Sprachbarriere - sei damit oft ausgeräumt. Auch die Qualifikation sei, trotz verschiedener Abschlüsse, meist keine Hürde. „Die Betriebe gehen pragmatisch vor und vereinbaren gegebenenfalls eine Probearbeit, um das geforderte Können im Betrieb zu testen.“

Auf eine langfristige Beschäftigung ihres ausländischen Probanden hoffen auch Kunstschmiedemeister Matthias Apel und seine Frau Alexandra aus Trier. Für ihre Kunstschmiede, die Metallgestaltung Apel, suchen sie dringend einen Meister oder Gesellen. Da deutsche Bewerber bislang Fehlanzeige waren, haben die Apels über den Organisator eines spanischen Schmiede-Treffens Interessenten gesucht. Mit Erfolg: Gerade hat ein 33-jähriger Schmied aus Barcelona zweieinhalb Wochen in Trier zur Probe gearbeitet - im Rahmen eines kurzfristigen Beschäftigungsverhältnisses. „Es hat fachlich und menschlich prima geklappt“, sagt Alexandra Kuchenbrandt-Apel. „Er war hochmotiviert und hat uns schon gemailt, ob wir den Vertrag machen könnten.“

Unterschiedliche Kulturen

Damit aus den ersten guten Erfahrungen ein langjähriges Beschäftigungsverhältnis wird, sollten Betriebe jedoch besonderes Augenmerk auf die Integration der ausländischen Mitarbeiter legen. „Selbst wenn gute Sprachkenntnisse vorhanden sind, gibt es oft unterschiedliche kulturelle Einstellungen, die zu Konflikten führen können“, sagt Alexander Reeb, interkultureller Trainer und Geschäftsführer von IKUD-Seminare in Göttingen. „Diese Unterschiede sind oft nicht sofort sichtbar. Man muss sie jedoch kennen, um Stolpersteine zu vermeiden.“ Viele Kulturen seien etwa eher personenorientiert, während in Deutschland die Sachorientierung überwiege. „Deutsche Chefs empfinden zum Beispiel private Unternehmungen mit Mitarbeitern oft als Zeitverschwendung“, sagt Reeb. Im Ausland signalisiere dies jedoch Wertschätzung der Person und die Integration in den Betrieb. Verschieden sei oft auch der Umgang mit Kritik oder der Führungsstil. Überwinden ließen sich diese Unterschiede etwa durch interkulturelle Workshops mit dem gesamten Team. „Dabei lernt jeder die andere Kultur und ihre Regeln kennen“, sagt Reeb. „Das hilft Missverständnisse zu vermeiden.“

Bei Schaech Haustechnik in Wolnzach hat die deutsch-iberische Zusammenarbeit bislang sehr gut geklappt. „Ich würde jederzeit wieder Mitarbeiter aus Spanien einstellen“, sagt Uwe Holzvoigt. „Und José und Miquel wollen so schnell wie möglich ihre Familien nachholen.“ ◇

kerstin.meier@handwerk-magazin.de

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Was bei der Beschäftigung ausländischer Fachkräfte rechtlich zu beachten ist:handwerk-magazin.de/10_2012

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