Die Markenmacherin

Unternehmerfrau im Handwerk 2009 | Doris Siegle hat mit ihrem Mann den gemeinsamen Fleischerbetrieb neu ausgerichtet. Das brachte ihr den ersten Platz im handwerk-magazin-Wettbewerb.

Die SiegerinDoris Siegle ist die Unternehmerfrau im Handwerk 2009. Sie überzeugte die Jury des Wettbewerbs mit ihrem Marketingkonzept. - © KD Busch

Die Markenmacherin

Dezente Musik, eine einladende Theke und eine freundliche Begrüßung. Das ist der erste Eindruck, wenn man die Fleischerei Siegle in Bietigheim-Bissingen bei Stuttgart betritt. Verantwortlich für das freundliche Ambiente des Ladens ist Doris Siegle, die Unternehmerfrau im Handwerk 2009, die sich beim diesjährigen Wettbewerb von handwerk magazin gegen mehr als 150 Mitbewerberinnen durchsetzte und die Jury überzeugte. „Ich wollte einfach weg vom alten Fleischerimage mit gefliesten Wänden und einer sterilen Atmosphäre“, erzählt die 43-jährige gelernte Fleischereifachverkäuferin, die mit ihrem Mann Frank das Unternehmen seit 1998 als Geschäftsführerin und GmbH-Gesellschafterin führt und in dieser Zeit den Betrieb umfassend neu ausgerichtet hat.

Dabei war dieser Weg keineswegs vorgezeichnet. Nach dem Abitur absolvierte Doris Siegle die Europasekretärinnenschule in Stuttgart und hatte mit dem Fleischerhandwerk wenig im Sinn. Auch ihr Mann studierte nach dem Abitur Biologie und hatte zunächst nicht die Absicht, die elterliche Metzgerei zu übernehmen.

Lebensplan geändert

Doch dann änderte sich die Lebensplanung der Siegles: Frank lernte das Fleischerhandwerk und stieg in den Familienbetrieb ein, und Doris machte mit. „Doch ohne Fachwissen wollte ich nicht aktiv im Betrieb arbeiten“, begründet sie ihre Entscheidung, eine Ausbildung zur Fleischereifachverkäuferin abzuschließen. Nach dem plötzlichen Tod des Vaters übernahmen Frank und Doris Siegle den Betrieb, beide sind Gesellschafter und Geschäftsführer.

„Ein ungewöhnlicher Weg, der zusammen mit den anderen Leistungen den Ausschlag gab, dass wir uns für Doris Siegle entschieden haben“, erklärt Jurymitglied Ursula Jachnik, Vorsitzende des Bundesverbandes der Unternehmerfrauen im Handwerk. Die Weiterentwicklung von der mitarbeitenden Ehefrau zur Mitunternehmerin sei bei Doris Siegle hervorragend gelungen, so Jachnik. „Natürlich geht das in einem Familienbetrieb nicht ohne Reibungen“, erinnert sich Doris Siegle. Doch mit ihrer „Ganz-oder-gar-nicht-Einstellung“ konnte sie Familie, Mitarbeiter und auch die Kunden schnell überzeugen, dass sie die Fachkompetenz hat, mit an der Spitze des Betriebes zu stehen.

Verkauf angekurbelt

Doris Siegles Schwerpunkte im Betrieb sind der Verkauf, die Mitarbeiter und das Marketing, Frank Siegle ist für die Produktion zuständig. Seit dem Umbau des Ladens 2003 arbeitet sie konsequent an der „Marke Siegle“, mit der sie sich von den Wettbewerbern abheben möchte. Die Neugestaltung des Ladens „zu einer Wohlfühloase“ war der Anfang, dann folgte eine Neuausrichtung der Produktion. „Früher hatte der Fleischer das Sagen, er bestimmte, was in den Verkauf kam, heute bestimmt der Verkauf, was produziert wird“, bringt die Unternehmerfrau die Entwicklung auf den Punkt. Die Begründung dafür klingt logisch: „Wer hinter der Theke steht, weiß, was der Kunde wünscht.“ Also wurden neue Wurstsorten kreiert, inzwischen sind es weit über 100, eine Käsetheke und warme Gerichte mit ins Sortiment aufgenommen, sogar Wein kann man kaufen.

Marke entwickelt

Die Neuausrichtung war nötig, weil der Standort der Fleischerei durch die Umgestaltung der Innenstadt an Attraktivität verlor, die Siegles also gezwungen waren, den Kunden zu beweisen, dass es sich lohnt, für ausgezeichnete Qualität auch einen Umweg in Kauf zu nehmen. Hinzu kam der Wettbewerb durch Supermärkte und Discounter am Ort. Also feilte Doris Siegle an ihrem Marketingkonzept. Dafür hat sie Trends aus anderen Branchen adaptiert und sich zur Ernährungsberaterin weitergebildet. Jetzt gibt sie Kochkurse und veranstaltet sogenannte Wurstkollegs für Kunden oder regelmäßige Themen-Events, bei denen sie über Ernährung informiert oder auch ein Weinseminar durchführt. „Das hat uns in der Region schnell bekannt gemacht und kommt bei den Kunden sehr gut an“, freut sich die Unternehmerin.

Auf der Homepage finden Kunden ständig Neues zu Ernährungsfragen, dazu natürlich aktuelle Angebote und Neuheiten oder einfach den Wochenplan fürs Mittagsmenü, alles gestaltet von Doris Siegle. Ergänzt werden diese Marketingaktivitäten durch Werbung per Handzettel und Anzeigen in der örtlichen Presse, wobei auch hier Doris Siegle einen neuen Weg geht: „Auf meinen Anzeigen sind keine Fotos von Fleisch und Wurst, sondern von schönen Menschen, ähnlich wie Werbung für Kosmetik oder Wohlfühlprodukte.“

Zukunft gesichert

Das neue Konzept hat dem Betrieb die Zukunft gesichert. Mit insgesamt 12 Mitarbeitern erwirtschaften die Siegles einen Umsatz von rund einer Million Euro, selbst die aktuelle Krise macht sich kaum bemerkbar. „Wir haben zwar zehn Prozent Kunden verloren, dafür kaufen die Kunden im Durchschnitt mehr bei uns ein“, hat Doris Siegle ihren Kennzahlen entnommen.

Sich ständig weiterzubilden ist ihr wichtig, „denn Wissen ist Macht“, betont Doris Siegle. Inzwischen hält sie Vorträge und macht Seminare zu Ernährungsthemen und zur Ladengestaltung. Das macht ihr viel Spaß und könnte sich durchaus zu einem zweiten Standbein entwickeln. Denn Doris Siegle, lebt von der Abwechslung, „ich brauche immer neue Ziele“, sagt sie. Solche Ziele könnten in nächster Zukunft eine Filiale in einem Einkaufszentrum sein oder eine Tätigkeit als Beraterin, natürlich mit Schwerpunkt Fleischer. Vorausgesetzt, es lässt sich mit der Familie verbinden, sagt die Mutter zweier Kinder im Alter von 17 und 14 Jahren. -

- reinhold.mulatz@handwerk-magazin.de