Gesetzesänderung "Ehe für alle" kommt - Was ändert sich in der Praxis?

Die "Ehe für alle" ist beschlossene Sache: Ab 1. Oktober können homosexuelle Paare heiraten. Aus der "Homo-Ehe" wird damit die Ehe. handwerk magazin erklärt, was sich konkret ändert und was für gleichgeschlechtliche Paare jetzt wichtig wird.

Ehe für alle
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Welche Folgen hat der Beschluss zur Ehe für alle? Ab wann sind homosexuelle Hochzeiten überhaupt möglich? Und was wird jetzt aus der eingetragenen Lebenspartnerschaft alias "Homo-Ehe"? handwerk magazin beantwortet die wichtigsten Fragen.

Wann kann es losgehen?

Die Ehe für alle ist beschlossene Sache. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat das Gesetz mittlerweile unterzeichnet und macht damit den Weg frei. Zuvor fand laut Kanzlerin Angela Merkel eine "lange, intensive und berührende Diskussion" im Bundestag statt. Letztendlich stimmte sie gegen den Gesetzesentwurf. Was für viele ein Affront war, war für Merkel nur logisch. Für sie sei die Ehe im Grundgesetz eine Ehe von Mann und Frau. Die Mehrheit sprach sich trotzdem für die Neuerung aus. Ab 1. Oktober 2017 können hierzulande gleichgeschlechtliche Hochzeiten gefeiert werden.

Was ändert sich jetzt eigentlich genau?

Für heiratswillige homosexuelle Paare ändert sich durch die Öffnung der Ehe alles und doch nichts. Denn prinzipiell bedeutet der Beschluss, dass gleichgeschlechtliche und reguläre Ehen, also Ehen zwischen Mann und Frau, jetzt komplett gleichgestellt werden. Dazu wird das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) geändert. Laut § 1353 BGB wird im Moment die „Ehe auf Lebenszeit“ geschlossen. Künftig wird es aber heißen: „Die Ehe wird von zwei Personen verschiedenen oder gleichen Geschlechts auf Lebenszeit geschlossen.“ Für die LGBT-Community bedeutet das einen enormen Triumph, ein ewiges Gezerre findet damit ein Ende. Jahrelang hatten Vertreter der Community gegen Diskriminierung und für Gleichberechtigung gekämpft. Dabei ist das Gesetz bei genauerem Hinsehen keineswegs so bahnbrechend wie oft suggeriert wird.

Bisher hatten gleichgeschlechtliche Paare, die sich rechtlich aneinander binden wollen, vor allem eine Möglichkeit: Sie konnten die eingetragene Lebenspartnerschaft alias "Homo-Ehe" eingehen. Viele Paare feierten diesen Schritt mit einem Fest, das einer Hochzeit in fast nichts nachstand. Und doch fehlte im Grunde der wichtigste Aspekt: Der Gang zum Standesamt. Das wird nun ab Herbst dieses Jahres möglich. So weit, so gut. Aber wo liegen eigentlich die konkreten Vorteile der Ehe im Vergleich zu einer Verpartnerung?

Was passiert mit eingetragenen Partnerschaften?

Die eingetragene Lebenspartnerschaft gibt es in Deutschland seit 2001. Sie ist sehr beliebt: Stolze 46 Prozent aller homosexuellen Paare sind hierzulande verpartnert. Wenn man einen Blick auf die Regelungen dieser Lebensform wirft, wird auch schnell klar warum: Die Verbindung bringt viele Vorteile mit sich, die auch in einer Ehe Gang und Gäbe sind. Damit ist die Lebenspartnerschaft bereits weiter an die Ehe angeglichen, als oft angenommen wird. Prinzipiell ändern sich jetzt also nur noch juristische Feinheiten. Der Vermögensstand der Ausgleichsgemeinschaft muss jetzt beispielsweise nicht mehr in Partnerschaftsverträgen gewählt werden. Denn die gleichgeschlechtliche Ehe gilt wie jede andere Ehe auch als Zugewinngemeinschaft. Und im Falle einer Trennung wird nun auch der Trennungsunterhalt selbstverständlich und gilt nicht nur in Ausnahmefällen. Zudem existierten bisher kaum Regeln zur Hinterbliebenenversorgung. Nun gilt das, was für reguläre Ehen auch gilt: Hinterbliebene erhalten Witwer- bzw. Witwenrente. Die größte Veränderung betrifft wohl das Adoptionsrecht. Bisher konnten gleichgeschlechtliche Paare in Deutschland keine gemeinsamen Kinder adoptieren. Nur einer der Partner konnte ein Kind adoptieren - der andere musste später nachziehen. Rein rechtlich lohnt sich die Eheschließung demnach vor allem für Paare mit Kinderwunsch.

Nichtsdestotrotz: Die Ehe für alle macht die eingetragene Partnerschaft obsolet. Zwar bleiben bereits eingegangene Verpartnerungen bestehen, neue Lebensparterschaften können allerdings nicht geschlossen werden. Für die Paare, die ihre eingetragene Partnerschaft in eine Ehe umwandeln lassen möchten, bleibt übrigens das Standesamt ein Muss . Mit der Unterschrift auf einem Formular ist es nicht getan. In jedem Fall müssen beide Partner noch einmal beim Standesamt erscheinen. Sie werden dann erneut berfragt und müssen offiziell erklären, dass sie die Ehe auf Lebenszeit eingehen wollen.

Dürfen gleichgeschlechtliche Paare nicht schon längst heiraten?

Es hat lange gedauert bis Deutschland sich für die Ehe für entschlossen hat. Generell hinken wir anderen Ländern beim Thema gleichgeschlechtliche Ehe und Adoptionsrecht deutlich hinterher: In Großbritannien beispielsweise ist die gleichgeschlechtliche Ehe legal, genau wie in Island und Norwegen. Und auch im konservativen Frankreich ist die Heirat zwischen Männern und zwischen Frauen keine große Sache mehr. Europäischer Vorreiter waren übrigens die Niederlande – die ersten homosexuellen Ehen wurden 2001 auf dem Standesamt von Rotterdam geschlossen.

Schon gewusst? Die häufigsten Irrtümer über die Ehe

Manche Irrtümer halten sich so hartnäckig, sie sind fast schon Volksglaube. Vor allem in Bezug auf die Ehe gibt es Kuriositäten, die weit verbreitet sind.

  1. Verlobungen haben keine rechtlichen Folgen. Das stimmt so nicht, denn bereits das Versprechen, den Partner zu heiraten, hat rechtliche Folgen. Tatsächlich haben Verlobten sogar ein Zeugnisverweigerungsrecht. Da sich schwer nachprüfen lässt, ob eine Verlobung schon länger besteht oder frisch eingegangen wurde, wird das Gesetz viel missbraucht. Vor Gericht muss deshalb muss deshalb im Zweifel bewiesen werden, dass die Verlobung schon länger Bestand hatte.
  2. Eheleute haften gemeinsam für ihre Schulden. Auch hier liegen viele Leute falsch. Der gesetzliche Güterstand alleine bedeutet noch lange nicht, dass das Brautpaar für die gemeinsame Haftung verantwortlich ist. Jeder Ehepartner haftet grundsätzlich für die von ihm eingegangenen Verbindlichkeiten und kann den anderen nicht verpflichten.
  3. Ehepartner erben auch alles gemeinsam. Prinzipiell gilt: Jeder erbt für sich alleine. Aber: Im Falle einer Scheidung fällt die Wertsteigerung des Erbes in den Zugewinn. Übrigens beerben sich Ehegatten auch nicht automatisch gegenseitig: Wurde kein Testament errichtet, gilt zwingend die gesetzliche Erbfolge.
  4. Der Abschluss eines Ehevertrags ist nur vor der Ehe möglich. Ein Ehevertrag kann nicht nur vor der Eheschließung geschlossen werden, sondern auch noch während der Ehe. Dadurch können Regelungen zur Vermögensaufteilung, Altersversorgung und zu Unterhaltszahlungen auch später getroffen werden.
  5. Sex in der Ehe ist freiwillig. Tatsächlich sind Ehepartner de jure einander zur ehelichen Lebens- und Geschlechtsgemeinschaft verpflichtet. Das bedeutet: Wer seinem Ehepartner Sex verweigert, verstößt gegen ein Grundprinzip der Ehe. Wichtig ist aber, dass diese Pflicht de facto niemand einfordern kann.
  6. Die kirchliche Trauung ist nur in Verbindung mit einer "Zivilehe" möglich. Seit 2009 können kirchliche Eheschließungen auch ohne eine standesamtliche Trauung stattfinden. Rechtsverbindlich ist aber nach wie vor nur die „Zivilehe“, das heißt die Ehe durch standesamtliche Trauung.