Dem Nachwuchs eine Chance

Nachfolge Sie sind fit und wollen keine Verantwortung abgeben? Das ist verständlich, aber gefährlich. Denn laut aktueller Studie geht einigen Branchen und Regionen schon heute der Nachwuchs aus.

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    © Rainer Lebherz
    Ein starkes TeamZimmermeister Rainer Milkau (re.) in Mühlheim hat seinen Sohn Achim schon früh in die Geschäftsführung einbezogen. Heute sind beide gleichberechtigte Chefs mit klar getrennten Verantwortungsbereichen und Zukunftsperspektiven: Während der heute 54-Jährige Senior ab 60 den Ausstieg plant, wächst der Junior schrittweise in die alleinige Chefrolle hinein.
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    © Chart: handwerk magazin
    Familiendynastien auf dem Rückzug: Die meisten Betriebe im Handwerk finden inzwischen einen Nachfolger außerhalb der Familie, Mitte der 90er Jahre lag die Quote der externen Nachfolger dagegen noch bei 45 Prozent.
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    © Peter Hinschläger
    „Die Chemie zwischen uns beiden hat von Anfang an einfach gestimmt.“Glasermeister Norbert Porschen (li.) in Köln hat in Eduard Peters einen idealen Nachfolger für sich gefunden.
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    © Chart: handwerk magazin
    Schwerer Abgang: Jeder dritte Chef kann sich nicht von seinem Betrieb trennen.
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    „Oft sind die Eigentümer schuld, wenn es Probleme bei der Übergabe gibt.“Nadine Schlömer-Laufen, Expertin für Unternehmensnachfolge beim Institut für Mittelstandsforschung in Bonn.
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    © Yurilux- iStockphoto
    Perfekte Übergabe: Damit die Nachfolge klappt, muss die Vereinbarung auf finanziell sicheren Füßen stehen.
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    © Chart: handwerk magazin
    Wenig Lust auf den Chefsessel: Nahezu jedes dritte Unternehmerkind will den Familienbetrieb nicht übernehmen.
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    Autorin: Kerstin Meier
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Dem Nachwuchs eine Chance


Mit 54 Jahren ist Zimmermeister Rainer Milkau im besten Unternehmeralter. Obwohl der Inhaber von Milkau Holzbau im schwäbischen Mühlheim erst mit 63 Jahren den Chefposten vollends räumen will, hat er den 22-Mitarbeiter zählenden Betrieb bereits zur Hälfte an seinen Sohn Achim übergeben. „Die rechtzeitige Übergabe“, so Milkau, „ist bei uns Tradition, mein Vater hat auch früh Verantwortung abgegeben und sich mit 65 dann komplett zurückgezogen.“ Damals und heute geht und ging es darum, dem Sohn rechtzeitig eine Perspektive zu bieten: „Achim soll Verantwortung übernehmen und seine Aufgaben selbständig erledigen, das ist für die Entwicklung zum Unternehmer enorm wichtig“, begründet Seniorchef Rainer Milkau.

Früh kümmern lohnt sich

Ein solches Gespür für die Wünsche und Bedürfnisse des Nachfolgers, die Experten sprechen dabei von „Sensibilisierung“, ist trotz vieler politischer Diskussionen und Beratermahnungen noch nicht bei allen Firmenchefs vorhanden: „Vor 20 Jahren dachten nur die 80-jährigen Unternehmer an ihre Nachfolge, das ist zum Glück deutlich besser geworden“, weiß Birgit Felden, Leiterin eines Lehrstuhls zur Betriebsnachfolge in Berlin und Mitautorin einer Studie zu den Auswirkungen des demografischen Wandels für den Generationswechsel im Mittelstand.

Unter Federführung des „Instituts für Mittelstand und Handwerk“ (ifh) an der Uni Göttingen haben die Forscher nämlich herausgefunden, dass eine rechtzeitige Beschäftigung mit der Nachfolge die Chancen auf einen erfolgreichen Übergabeprozess deutlich verbessern kann (siehe rechte Seite). Davon, so ifh-Chef Klaus Müller, profitieren letztendlich beide Seiten: Der Altinhaber kann leichter loslassen, wenn Betrieb und Übergabeprozess gut laufen - und der Nachfolger kann auf einer soliden Basis unbelastet starten.

Aufgaben neu verteilen

Wie schwer das Loslassen bei allem guten Willen sein kann, wissen Zimmermeister Milkau und Sohn Achim aus eigener Erfahrung: „Anfangs haben wir beide fast alle Arbeiten doppelt gemacht“, erinnert sich Achim Milkau. Weil jedem die Firma zur Hälfte gehörte, wollte sich jeder auch um alles kümmern, schließlich waren ja beide gleichberechtigte Chefs. Da das Zusammenspiel so nicht funktionierte, nutzten sie das Angebot ihres Franchisegebers zu einem Schärfdienst. Dahinter verbirgt sich eine zumeist tagesfüllende Gesprächsrunde, bei der Rainer und Achim Milkau gemeinsam mit den Einer.Alles.Sauber.-Geschäftsführern Paul Meyer und Josef Berchtold die Aufgaben und Veranwortlichkeiten zwischen Seniorchef und Nachfolger neu verteilten.

Ein harter, manchmal sogar schmerzlicher Prozess, wie sich Rainer Milkau erinnert: „Natürlich gab es bei vielen Punkten größere Diskussionen, doch der Vorteil einer externen Moderation besteht darin, dass man manche Dinge leichter annimmt.“

Damit der Senior-Chef etwa nicht mehr jedes Detail im Alltagsgeschäft automatisch mitbekommt und kommentiert, wurde für ihn ein eigenes Büro abseits des Hauptbüros eingerichtet. Zudem wurden alle Aufgabenbereiche neu aufgeteilt, was für Rainer Milkau auch bedeutete, Verantwortung an seinen Sohn und einen weiteren Meister abzugeben. „Da ich es jahrelang gewohnt war, der zentrale Ansprechpartner zu sein, ist mir das schon sehr schwer gefallen“, gesteht der Zimmermeister. Doch dank des Schärfdienstes und dem offenen Erfahrungsaustausch mit seinen Franchisekollegen weiß Milkau, wie wichtig dieser Schritt für eine erfolgreiche Zukunft des Familienbetriebs ist - und hält sich an die Absprachen. „Es gibt noch einige kleine Baustellen, doch im Vergleich zu früher klappt es sehr gut“, lobt Achim Milkau die Flexibilität seines Vaters.

War ein solcher Übergang vom Vater auf den Sohn in handwerklichen Familienbetrieben früher nahezu ungeschriebenes Gesetz, suchen inzwischen immer mehr Töchter und Söhne ihre berufliche Erfüllung außerhalb der Familiendynastie. Wie eine Studie des ifh-Göttingen aus dem Jahr 2010 zeigt, liegt der Anteil der familieninternen Nachfolger nur noch bei 41 Prozent (siehe Chart Seite 13). „Die Unternehmerkinder von heute sind gut ausgebildet, haben mehr berufliche Alternativen und lassen sich auch ihren Lebenslauf nicht mehr von den Eltern vorschreiben“, kommentierte Franz Falk, Nachfolgeexperte und Geschäftsführer der Handwerkskammer Stuttgart, den Trend.

Was volkswirtschaftlich durchaus sinnvoll ist - Unternehmer wird man nach Ansicht von Birgit Felden ja keineswegs durch den Nachnamen -, stellt die Altinhaber im Handwerk jedoch vor eine neue Herausforderung. Schließlich, so Wissenschaftler Müller, sei die Suche nach externen Nachfolgern ein aufwändiger Prozess (siehe Seite 16), der nicht nur die Übergabekosten erhöht, sondern der auch immer häufiger mangels geeigneter Nachfolgekandidaten scheitert.

Fehlende Mobilität führt zu Lücken

Zwar kam die vom Bundeswirtschaftsministerium in Auftrag gegeben Studie zum Generationswechsel im Mittelstand zu dem Schluss, dass es bis 2020 aus demografischen Gründen keine Nachfolgelücke geben wird. Doch die alternde Bevölkerung ist nach Ansicht der von handwerk magazin befragten Experten nur einer von vielen Einflussfaktoren. „Regional gibt es Nachfolgelücken - zum Teil auch sehr große, das gilt auch für einige Branchen“, bringt Birgit Felden das Dilemma auf den Punkt. Ähnlich wie beim Ausbildungsthema gäbe es zwar statistisch gesehen genügend Nachfolger, doch die angehenden Unternehmer sind nach Feldens Erfahrung eben nicht so mobil wie etwa angestellte Manager.

Franz Falk, der auch im Beirat zur Studie mitgewirkt hat, formuliert es noch drastischer: „Der Aderlass der Betriebe wird kommen.“ So gäbe es bereits heute auf dem platten Land und bei den Bäckern und Metzgern große Nachfolgeprobleme, auch kapitalintensive Zulieferer und Schreinereien mit großem Maschinenpark sind laut Falk schwer zu übertragen. „Oft scheitert die Übergabe daran, dass der Nachfolger den Kaufpreis nicht stemmen kann.“ Angesichts neuester Schätzungen im Rahmen der Studie, die von einem Pool von rund 100000 nachfolgereifen Unternehmen ausgehen, kann Falk den von der Politik verbreiteten Optimismus nicht teilen: „Die Studie verzerrt die Realität, für die Unternehmer kommt es künftig noch stärker darauf an, sich frühzeitig um die Nachfolge zu kümmern.“

Glasermeister Norbert Porschen in Köln hat sich dabei vor allem auch auf sein Bauchgefühl verlassen. Als sich der damals mit seinen beruflichen Perspektiven unzufriedene Tischlermeister Eduard Peters 2001 bei ihm vorstellte, gab er ihm nicht nur einen Job, sondern offerierte ihm wenig später sogar den ganzen Betrieb. „Die Chemie zwischen uns stimmte einfach vom ersten Tag an“, begründet der Glasermeister seinen Entschluss.

Nachfolger geduldig aufgebaut

Der schnellen Zusage folgte eine intensive Einarbeitung des designierten Nachfolgers in die Glasbranche. Peters startete im „Rang“ eines Gesellen quasi wieder von null an. „Bisher hatte ich als Tischler ja nur sehr wenig mit Glaserarbeiten zu tun gehabt“, erzählt er. Nun arbeitete er in der Produktion mit und bereitete sich abends und am Wochenende auf seine zweite Meisterprüfung vor, die er 2005 erfolgreich absolvierte. Der aus Kasachstan stammende Vater von vier Kindern wollte schon immer Unternehmer werden - Norbert Porschen bot ihm nun die Chance und eine „tolle Zusammenarbeit“. Die Übernahme wurde von beiden intensiv vorbereitet, wozu auch eine rechtzeitige Information des gesamten Kundenstamms gehörte.

Tatsächlich vollzogen wurde der Wechsel dann zum 1. Januar 2010. Den Kaufpreis finanzierte Peters über Gründungskredite der NRW.Bank, das ERP-Gründungskapital und einen kleineren Kredit seiner Sparkasse. Da er es geschafft hatte, die Schulden aus seinem früheren Hausbau bis zur Übernahme komplett abzutragen, lief die Finanzierung reibungslos. Obendrauf gab es für den Jungunternehmer mit den jetzt zwei Meistertiteln noch die in Nordrhein-Westfalen übliche Meistergründungsprämie von 7500 Euro. In den knapp zwei Jahren seiner Selbständigkeit ist es Peters gelungen, das Auftragsvolumen um 20 Prozent zu steigern. „Wir haben die alten Kunden halten können und neue dazugewonnen.“ So sind die Mitarbeiter der Glaserei jetzt auch im Kölner Umland, in der Eifel und in den Grenzregionen der Niederlande und Belgiens unterwegs.

Spaß darf nicht zu kurz kommen

Gibt es bei dieser „Bilderbuch-Übergabe“ nicht doch einen Punkt, der besser hätte geregelt werden können? Nach kurzem Nachdenken antwortet Eduard Peters selbstkritisch: „Ich bin vielleicht zu viel draußen auf Montage gewesen und zu wenig im Büro.“ Schließlich zählten Themen wie Kundenakquise, Controlling und die strategische Ausrichtung des Betriebs auch für den Nachfolger zu den wichtigsten Chefaufgaben.

Rainer und Achim Milkau haben deshalb bereits bei der Neustrukturierung der Verantwortlichkeiten darauf geachtet, die zentralen Aufgaben auf beide Schultern zu verteilen. Da der Junior gut und gerne mit dem Computer arbeitet, wurden viele der früher „von Hand“ erledigten Abläufe auf IT-Basis umgestellt. Auch der etwas andere Führungsstil von Sohn Achim entpuppte sich unterm Strich als Effizienzgewinn: „Mir fällt das Delegieren deutlich leichter und ich fördere das eigenverantwortliche Arbeiten der Mitarbeiter viel stärker als mein Vater.“ Eine Einstellung, die beiden Chefs zusätzlich eine gute Balance zwischen Berufs- und Privatleben ermöglicht. „Das Unternehmerdasein“, hat Rainer Milkau erkannt, „soll schließlich auch Spaß machen.“

kerstin.meier@handwerk-magazin.de

Online exklusiv

Franz Falk, Nachfolgeexperte der Kammer Stuttgart, erklärt die zentralen Punkte bei der Übergabe.
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