Das Prinzip Ebay

Kreditvergabe im Internet | Auch in Deutschland werden Kredite übers Web vermittelt gerade in Zeiten der Finanzkrise für Selbständige eine Alternative. Aber nicht jeder Anbieter arbeitet seriös.

Das Prinzip Ebay

Ein Dachdecker braucht ein Gerüst. Aufträge hat er, aber keine Rücklagen. Und ein Schreinermeister kollidiert mit dem Finanzamt. Entweder er begleicht die Steuer-Nachzahlung für das letzte Jahr, oder er kauft neues Material. Für beides reichen die Barmittel aber nicht aus.

Kaum jemand, der einen eigenen Betrieb führt, kennt solche Situationen nicht und damit auch das kräftezehrrende Pokern mit der Bank mit ungewissem Ausgang. Die zwei oben genannten Handwerker haben sich für einen anderen Weg entschieden. Sie stellten ihr Kreditgesuch ins Netz, genauer gesagt: auf die Seiten von Smava (www.smava.de), einer Online-Plattform, die Kredite von privat an privat vermittelt. Nur ein paar Tage dauerte es, dann hatten sie das Geld zusammen. Jeweils um die 20 Kleinanleger fanden sich, die die Vorhaben finanzierten zu Zinssätzen zwischen 8,5 und 11 Prozent.

Anbieter genau prüfen

Ein traumhafter Weg, um an frisches Geld zu kommen? „Jein“, finden Verbraucherschützer und Finanzexperten. Denn nicht allen Kreditsuchenden geht es wie den zwei hier erwähnten Handwerkern. Kredite von und an Privatpersonen übers Internet gibt es mittlerweile seit mehr als zwei Jahren und seit Anfang 2008 auch für Gewerbetreibende.

Nicht alle Anbieter jedoch, die damals an den Start gingen oder sich bis heute im Internet tummeln, sind tatsächlich seriös. „Vorsicht“, warnt Stefanie Laag, Finanzexpertin bei der Verbraucherzentrale NRW, „ist also durchaus angesagt.“ Dirk Morina beispielsweise, Geschäftsführer von Elolly, einem Anbieter der ers-ten Stunde, prahlte noch vor einem Jahr mit einem angeblich für Kredite zur Verfügung stehenden Kapital von 157 Millionen Euro und kassierte zunächst einmal von jedem potenziellen Kreditnehmer eine Aufnahmegebühr von 9,50 Euro (www.elolly.de). Ein paar Monate später verschwanden nach und nach seine Kontaktdaten von der Homepage. Heute gibt es die Seite garnicht mehr, nur noch Beiträge oder Kommentare auf Web-Foren . Und nicht nur Verbraucherschützer haben den Verdacht, dass auch manchem Kunden inzwischen zum Heulen ist.

Dennoch, auch das betont Laag, spricht das nicht grundsätzlich gegen die Idee der Kreditvermittlung über Online-Plattformen. „Entscheidend“, so die Expertin, „ist das Konstrukt.“ Das Angebot von Smava beispielsweise hält sie durchaus für seriös. Und zwar aus zwei Gründen: Erstens wird erst zur Kasse gebeten, wenn tatsächlich ein Darlehensvertrag zustande kommt. Zweitens treffen Kreditnehmer und -geber nicht direkt aufeinander. Smava arbeitet mit der deutschen Bank für Investments und Wertpapiere AG (BIW) zusammen.

So funktioniert’s

Zuerst stellt der Kreditnehmer sein Gesuch in Netz. Finden sich dann Darlehensgeber, die in das Projekt investieren wollen, zahlen sie das Geld auf ein Konto der Bank. Die BIW prüft zuerst die Bonität und übernimmt dann die komplette Abwicklung einschließlich Mahnverfahren. Und zahlt ein Schuldner dann immer noch nicht, wird ein Inkassounternehmen eingeschaltet.

Für Geldgeber hat dies den Vorteil ähnlicher Sicherheiten wie bei einem Bankkredit. Dennoch können die Chancen für Kreditnehmer größer sein als bei einer Bank, denn sie können durch ihre Projekte überzeugen. Fast jeder Selbständige hatte schon mal Probleme mit dem Finanzamt und ist somit vielleicht eher bereit, einem Kollegen aus seiner Branche zu helfen als der Ansprechpartner bei der Hausbank.

Andere Online-Kreditplattformen funktionieren dagegen eigentlich wie Anzeigenbörsen. Das heißt, sie machen nicht mehr, als eine Möglichkeit zu bieten, um den Kontakt zwischen den Parteien herzustellen. Aus dem eigentlichen Kreditgeschäft halten sie sich raus. Das bedeutet, dass die Beteiligten selbst einen realistischen Zinssatz aushandeln und akzeptable Modalitäten finden müssen.

Eine Vermittlung, die nach diesem Prinzip agiert, ist Money4friends (www.money4friends.de). Ein solches Konstrukt ist jedoch für beide Seiten sehr unsicher. Kreditsuchende müssen schon Gebühren zahlen, bevor überhaupt ein Kredit zustande kommt. Finden sie niemanden, der ihnen etwas leiht, ist das Geld weg. Und zweitens sind sie verleitet, aus Not auch Horrorzinsen zu akzeptieren. Kreditgeber müssen sich selbst um Sicherheiten bemühen und im Falle von Zahlungsausfällen selbst eintreiben. Nicht einmal das Postident-Verfahren ist vorgeschrieben. Theoretisch sind also auch Betrügern Tür und Tor geöffnet.

Derzeit ist Money4friends der einzige Anbieter, der nach diesem Prinzip agiert. Das hießt jedoch nicht, warnen Experten, dass nicht morgen wieder neue Anbieter ihr Glück versuchen. In den vergangenen zwei Jahren gab es mehrere Plattformen, die nur kurzzeitig agierten, Gelder kassierten und dann ihre Seiten wieder schlossen. „Immer genau hinsehen und die Angebote überprüfen“, empfiehlt Finanzexpertin Laag.

Sabine Hildebrandt-Woeckel

cornelia.hefer@handwerk-magazin.de