Chiffren unter Chefs

Zeugnis | Ein Arbeitszeugnis muss wohlwollend und richtig sein. Diesen Spagat meistern Betriebe oft nur mit indirekten Hinweisen, die der neue Chef versteht. Was dabei nötig und erlaubt ist.

„Wird im Zeugnis der Umgang mit dem Chef nicht erwähnt, ist das ein Warnsignal.“Jens Köhler, Fachanwalt für Arbeitsrecht im Haus des Handwerks, Köln. - © Köhler

Chiffren unter Chefs

Marc Hiltscher, Geschäftsführer der Autolackierung und Karosseriebau Hiltscher GmbH in Bergisch Gladbach, legt nicht nur Wert auf gute Mitarbeiter, sondern auch auf ein gutes Betriebsklima: „In regelmäßigen Gesprächen erörtern wir Arbeitsabläufe und Probleme, bevor sich etwas aufstaut.“ Damit das so bleibt, wenn ein Neuer zu der 30-köpfigen Belegschaft stößt, schauen sich der Chef und sein Onkel Michael Hiltscher die Arbeitszeugnisse des Bewerbers genau an. Dabei ist ihnen klar, was sich hinter den Bewertungsfloskeln verbirgt. Ein Loseblattwerk zum Arbeitsrecht erklärt sie. „Dennoch bleibt immer eine gewisse Unsicherheit, ob der Kandidat dem wirklich entspricht“, räumt Hiltscher ein.

Vor diesem Dilemma stehen viele Handwerksunternehmer, die Mitarbeiter einstellen wollen. Aber auch wenn der Chef nach der Kündigung selbst ein Zeugnis ausstellen muss, ist oft nicht klar, welcher Text exakt zur Leistung und zum Verhalten des Angestellten passt. Wer jedoch die Chiffren kennt, läuft weniger Gefahr, auf schlechte Mitarbeiter hereinzufallen oder vom Ex-Gesellen auf Korrektur verklagt zu werden.

Gesetz hilft wenig

Die Pflicht, ein Zeugnis zu erteilen, ergibt sich aus Paragraf 630 BGB. In Paragraf 109 der Gewerbeordnung heißt es, „das Zeugnis muss klar und verständlich formuliert sein“. Bei Mitarbeitern, die noch nicht mindestens sechs Monate beschäftigt waren, ist das unproblematisch. Sie haben nur Anspruch auf ein einfaches Zeugnis, das bescheinigt in welchem Zeitraum und mit welcher Tätigkeit sie beschäftigt waren.

Wer länger in der Firma war, kann ein qualifiziertes Zeugnis verlangen. Das beinhaltet außer Dauer und detaillierter Beschreibung der Beschäftigung auch eine Bewertung der Leistung und des Verhaltens. „Dabei muss das Zeugnis wahr und wohlwollend zugleich sein“, weiß Jens Köhler, Fachanwalt für Arbeitsrecht in Köln. „Betriebe und Juristen orientieren sich an der Recht-sprechung der Arbeitsgerichte“, so Köhler. An der Spitze stehen Leistungstestate wie „stets zu unserer vollsten Zufriedenheit“, als Schulnote gedacht, eine glatte Eins. Gefolgt von „zu unserer
vollsten Zufriedenheit“, einer Zwei (Kasten).

„Die meisten Handwerksunternehmer trauen sich nur bis zur Zwei hinunter“, weiß Köhler, „weil sie es gut mit ihren Beschäftigten meinen.“ Dennoch können sie auch bei guter Bewertung über das Gesamtbild versteckte Hinweise geben. „Steht etwa im Zeugnis, der Mitarbeiter habe sich sehr gut gegenüber Kunden und Kollegen verhalten, ohne dass dies auch über seinen Chef gesagt wird, signalisiert diese Lücke Probleme mit dem Vorgesetzten“, warnt Jens Köhler. Das bestätigt Stefan Kräßig, Justiziar der Handwerkskammer in Karlsruhe: „Bei Zeugnissen kommt es auch darauf an, was nicht drinsteht, und mit dieser Feinheit haben viele Handwerksunternehmer Probleme.“ Er berät oft Unternehmer bei der Formulierung, prüft ihre Zeugnisentwürfe, die er ihnen mit einem „O.K.“ oder mit Änderungen zurückschickt.

Mitarbeiter auf Probe einstellen

Doch auch Betriebe, die bewährte Zeugnistexte, wie etwa den von handwerk magazin ( Online exklusiv) verwenden und sich im Zweifelsfall beraten lassen, können selbst nach einem Anruf beim Vorarbeitgeber nie ganz sicher sein, wie gut der Bewerber in der Praxis tatsächlich ist. Stefan Kräßig hat für dieses Risiko einen praktischen Rat: „Der Mitarbeiter wird zunächst mit einem befristeten Arbeitsvertrag für ein paar Wochen oder für einen Monat auf Probe eingestellt. Dann zeigt sich meist schnell, was er kann und ob er zur übrigen Mannschaft passt.“ Ist das nicht der Fall, lässt der Betrieb den Vertrag einfach auslaufen und sucht den nächsten Bewerber – mit gutem Zeugnis und Bewährung in der Probephase.

harald.klein@handwerk-magazin.de

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