Carsharing: Geschäftsfeld neue Mobilität

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Die ersten Kfz-Betriebe steigen ins Geschäft mit dem Teilen von Autos ein. Die Zeit ist günstig für Handwerker, denn der Markt boomt und das Carsharing der Händler ist vielerorts noch konkurrenzlos.

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    © Stefan Thomas Kröger
    Das geteilte Auto: So wie auf dieser Fotomontage geht es natürlich nicht, aber sich ein Auto teilen wird immer beliebter. Auch Carsharing-Expertin ­Daniela Schneider-Arndt und Firmenchef Stefan Piske setzen in ihrem Kfz-Betrieb auf den Trend.
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    © Loose
    „Das Car­sharing-An­gebot wächst in der Breite ­jährlich um 20 Prozent.“ Willi Loose, ­ Geschäftsführer beim Bundesverband Carsharing.

Für Verkäuferin Daniela Schneider-Arndt vom Ford-Händler Piske im niedersächsischen Wolfenbüttel ist Carsharing keine Frage der Weltanschauung, sondern schlicht ein zusätzliches Geschäftsfeld: „Auf Dauer wollen wir damit Geld verdienen“, sagt Schneider-Arndt, die das Carsharing-Angebot des Ford-Händlers organisiert. Der Ford-Konzern hat vor etwas mehr als einem Jahr ein Carsharing-Modell gestartet, bei dem der Autokonzern die technische Infrastruktur wie etwa das Buchungssystem per Internet und Handy-App bereitstellt und an dem sich Ford-Händler gegen Zahlung einer Lizenzgebühr beteiligen können.

Jeder teilnehmende Händler kauft die Carsharing-Fahrzeuge beim Hersteller zu vergünstigten Konditionen und betreibt die Autos auf eigene Rechnung. Ford-Händler Piske bietet dieses Carsharing seit Anfang Mai 2014 an. Wie viele Nutzer bislang mitmachen, will Schneider-Arndt nicht verraten. „Bis das Geschäft richtig läuft, wird es einige Zeit dauern“, räumt sie ein. „Aber wir sind zuversichtlich. Denn der Bedarf für solch ein Konzept ist da, zum Beispiel verzichten immer mehr Menschen hier auf dem Land auf ihren Zweitwagen und wollen dennoch mobil bleiben.“

Gute Chancen für Kfz-Betriebe

Die Zahlen des Bundesverbandes Carsharing geben Schneider-Arndt recht: Immer mehr Menschen in Deutschland teilen sich Autos, im vergangenen Jahr gab es 757 000 Nutzer, satte 67 Prozent mehr als im Vorjahr. Ein Großteil davon geht auf das Konto von Anbietern wie Car2Go und DriveNow, die ihre Konzepte mit großem Marketingaufwand beim jungen Publikum in Großstädten populär gemacht haben. Dahinter stehen Kooperationen von Daimler und Europcar einerseits und BMW sowie Sixt andererseits. Neben den Auto- und Vermietungskonzernen haben aber auch Autohändler gute Chancen, sich als neue Carsharing-Anbieter zu positionieren. „Das Carsharing-Angebot wächst auch jenseits dieser Anbieter in der Breite um jährlich rund 20 Prozent“, sagt Willi Loose, Geschäftsführer des Bundesverband Carsharing.

Denn der Markt ist noch längst nicht gesättigt, vor allem im ländlichen Raum: Während in großen Städten mit mehr als 200 000 Einwohnern meist gleich mehrere etablierte Carsharing-Unternehmen um die Kundschaft buhlen, ist die Carsharing-Landkarte im ländlichen Raum in weiten Teilen noch blütenweiß. Gleichzeitig ist der Bedarf an alternativen Mobilitätskonzepten in ländlichen Gebieten schon heute groß, und er wird in Zukunft weiter wachsen.

Carsharing vs. öffentlicher Nahverkehr

2030 werden in Deutschland fast vier Prozent weniger Menschen leben als noch vor fünf Jahren, schätzt die Bertelsmann-Stiftung. Vor allem Kommunen auf dem Land fällt es bei sinkender Einwohnerzahl, höherem Rentneranteil und sinkenden Steuereinnahmen oft schwer, eine Nahverkehrs-Infrastruktur aufrechtzuerhalten. Alternative Mobilitätskonzepte wie Carsharing könnten solche Lücken schließen.

Wer mit Carsharing jenseits der Großstädte punkten will, muss allerdings Aufklärungsarbeit leisten. Denn in der Lebenswirklichkeit vieler Menschen in ländlichen Regionen gibt es bislang nur zwei Möglichkeiten: Man hat ein Auto, oder man hat eben keins. „Viele Menschen haben zwar eine grobe Vorstellung davon, was Carsharing ist“, sagt Verbandschef Loose. „Aber sie wissen nicht, wie sie es ganz praktisch in ihrem Alltag nutzen können.“

In Wolfenbüttel probiert Carsharing-Managerin Schneider-Arndt gerade aus, wie die drei Carsharing-Fiesta des Ford-Autohauses am besten genutzt werden können. Einer davon steht am Autohaus und wird parallel als Werkstattersatzwagen genutzt, die beiden anderen stehen am Bahnhof von Wolfenbüttel. Der Standort ist kein Zufall: Erstens ist der Bahnhof zentral im Ort gelegen. Und zweitens kooperiert Ford mit der Deutschen Bahn (DB). Die Kunden der DB-Carsharing-Tochter Flinkster können auch Autos aus dem Ford-Carsharing nutzen und umgekehrt. „Ein großer Teil der Nutzer sind derzeit Flinkster-Kunden, die mit dem Zug nach Wolfenbüttel anreisen und dann hier vor Ort ein Auto brauchen“, erklärt Carsharing-Managerin Schneider-Arndt. Künftig will Piske vermehrt auch Kunden aus Wolfenbüttel selbst gewinnen und hat dabei ganz unterschiedliche Zielgruppen im Visier. „Viele ältere Menschen jenseits der 60 Jahre schaffen ihr Auto ab, weil sie es nur noch selten brauchen und sich häufig auch schlicht nicht mehr leisten können“, sagt Schneider-Arndt. „Hin und wieder brauchen sie dann aber doch ein Auto. Dann ist Carsharing genau das Richtige für sie.“

Alte und junge Nutzer

Piske hat Anzeigen in der Tageszeitung der Region geschaltet, um die Klientel zu anzusprechen. Und parallel auf der Firmenhomepage auf das Angebot verlinkt und einen Facebook-Auftritt eingerichtet, schließlich will man auch die junge Kundschaft erreichen: Schneider-Arndt hat zum Beispiel Studenten im Visier, die nach Wolfenbüttel ziehen, um dort an der Fachhochschule zu studieren. Zu den Nutzern zählen bereits einige junge Erwachsene ohne eigenes Auto, die mit einem der Fiestas von Piske am Wochenende unterwegs sind. Die Zielgruppe ist für Schneider-Arndt auch deshalb interessant, weil sie hier potenzielle künftige Autokäufer vermutet: „Wenn die jungen Leute erst mal einen Job haben, wollen sie vielleicht ein eigenes Auto haben, und vielleicht wird das dann ja ein Fiesta.“ Wo der Ford-Händler im Ort zu finden ist, wissen sie dann schon. Denn dort müssen die Carsharing-Nutzer einmal persönlich vorstellig werden und sich registrieren.

Auch Autohändler Eitel mit Firmensitz im oberpfälzischen Thansüß startet gerade das Geschäft mit dem Teilen von Autos. „Die Margen im klassischen Autogeschäft mit Reparaturen und Verkauf sinken. Da liegt es nahe, neue Geschäftsfelder zu erschließen“, sagt Geschäftsführer Michael Eitel junior. Expansion gehört für Eitel zum Geschäft: Der ehemalige reine Toyota-Betrieb ist mittlerweile auch Fachhändler für Citroën, Honda und Hyundai, zum Unternehmen zählen zwölf Standorte. Vor einem Jahr ist Eitel ins Geschäft mit der Autovermietung eingestiegen. Nachdem er dort gute Erfahrungen gemacht hat, ist das Carsharing-Angebot für ihn der nächste Schritt.

Derzeit lässt er von IT-Spezialisten ein SMS-Portal aufbauen, über das die Nutzer sich später autorisieren können, um ein Auto zu starten. „Die Handynetze sind hier auf dem Land nicht die besten, Datenverbindungen brechen oft ab. Aber SMS verschicken kann man immer.“ Während er bei der Vermietung als Franchisenehmer auf ein etabliertes Konzept zurückgreift, entwickelt er das Carsharing komplett selbst.

Wenig Angebote der Hersteller

Kein Wunder: Die Angebote von Herstellern oder anderen Großunternehmen, gemeinsam mit den Händlern Carsharing anzubieten, ist jenseits des Angebots von Ford bislang überschaubar. Neben Daimler und BMW bieten zwar weitere Hersteller Carsharing an, allerdings nur regional begrenzt und ebenfalls unter Federführung der Autokonzerne. Volkswagen hat in Hannover sein konzerneigenes Carsharing-Programm Quicar gestartet, Citroën lässt in Berlin imageträchtig 350 rein elektrisch betriebene C-Zero fahren. Den Händlern bleibt in diesen Modellen immerhin eine unterstützende Funktion, mit der sich Geld verdienen lässt. Schließlich müssen auch Carsharing-Autos gewartet und repariert werden.