Betriebe richtig übernehmen

Nachfolge Coole Chance oder Job ohne Perspektive? Wer heute einen Handwerksbetrieb übernimmt, kann mit Wissen, Teamgeist und Ideen viel erreichen. Drei Beispiele, die Mut zum Einstieg machen.

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    © Alasdair Jardine
    Zurück aus der WüsteBäckermeister Dennis Otten hat seinen Job in Dubai aufgegeben, um einen Traditionsbetrieb in seiner Heimatstadt Bremen zu übernehmen.
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    © Chart: handwerk magazin
    Riesen-Angebot für NachfolgerDa viele Chefs im Mittelstand aus Altersgründen ihren Betrieb abgeben müssen, haben Nachfolger beim Einstieg inzwischen eine hervorragende Auswahl.
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    © KD Busch
    Will mehr bewegenCarmen Heim hat ihren gut dotierten Job in der Industrie aufgegeben, um im Familienbetrieb „richtig verantwortlich zu arbeiten“.
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    Schwerer Abgang:Jeder dritte Chef im Mittelstand kann sich nicht vom Betrieb trennen.
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    © Peter Hinschläger;
    Chef mit AnsageEduard Peters (re.) ist bei Glasermeister Norbert Porschen vom Gesellen zum Meister und später sogar zum Nachfolger aufgestiegen.
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    Wenig Lust auf den Chefsessel: Nahezu jedes dritte Unternehmerkind scheut die Verantwortung im Familienbetrieb.
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    Neue Besen kehren anders: Nach der Übernahme verändern die meisten Nachfolger die bisherige Hierachie.
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    © Axel Griesch
    Autorin: Kerstin Meier

Betriebe richtig übernehmen

Von Dubai nach Bremen Walle: Nach sieben Jahren im Ausland übernahm Bäckermeister Dennis Otten vor zwei Jahren eine Traditionsbäckerei in der Hansestadt. Was treibt einen 40-jährigen Weltenbummler dazu, die glamouröse Welt der Kreuzfahrtschiffe und Luxusyachten gegen eine vermeintlich piefige Stadtteil-Bäckerei mit zehn Mitarbeitern zu tauschen? „Bremen ist meine Heimat, hier fühle ich mich wohl - und die ganzen tollen Auslandsjobs haben natürlich nicht nur Schokoladenseiten“, begründet Otten seinen Einstieg als Unternehmer.

Externe Nachfolge im Trend

Nach Berechnungen des Bonner „Instituts für Mittelstandsforschung“ (IfM) suchen zwischen 2010 und 2014 insgesamt 110000 Unternehmen einen Nachfolger, die meisten Übergaben erfolgen dabei aus Altersgründen (Details siehe Chart oben). Doch während die biologische Uhr bei vielen Unternehmern im Handwerk gnadenlos tickt, haben immer mehr Familienbetriebe Schwierigkeiten, den eigenen Nachwuchs für eine Karriere im Handwerk zu begeistern. Laut Statistik des IfM ist die Unlust der Kinder schon bei fast zwei Drittel der Unternehmen ein Grund für die Suche nach einem externen Nachfolger (siehe dazu Grafik Seite 12). Doch woran liegt es, dass der Nachwuchs immer weniger Lust auf den Familienbetrieb hat?

Wie eine von der BW Bank in Stuttgart in Auftrag gegebene Analyse zum „Generationswechsel im Mittelstand“ zeigt, fällt die Entscheidung für oder gegen eine Unternehmerkarriere in vielen Fällen nicht in der Jugend, sondern oft erst nach längerer Zeit der beruflichen Orientierung. Zwar sprechen auch heute noch viele Nachfolger im Familienbetrieb von einer „Erziehung zum Unternehmer“, grundsätzlich betonen jedoch die im Rahmen der Analyse interviewten familieninternen Nachfolger, dass sie zumindest weitestgehend frei bei ihrer Berufswahl waren. Der im Vergleich zu früher offenbar geringere Druck der Familie führt nach Einschätzung der Studienautoren vom „Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung“ (ZEW) jedoch dazu, dass sich der Nachwuchs bei allem durchaus vorhandenen Pflichtgefühl und Traditionsbewusstsein verstärkt anderen beruflichen Zielen widmet.

Blitzeinstieg im Traditionsbetrieb

Dennis Otten wollte nach seinen zahlreichen Erfahrungen als Angestellter im Ausland unbedingt sein eigener Chef sein und suchte bereits von Dubai aus nach einem geeigneten Übernahmeobjekt in Bremen. Den Tipp mit der Bäckerei Schroeder erhielt er schließlich von seinem Schwager: „Der Name Schroeder steht im Bremer Bäckereihandwerk für einen ganz besonderen Betrieb“, erklärt Otten. So hat sich Altinhaber und Firmengründer Bernhard Schroeder bewusst gegen eine Expansion über Filiallen entschieder und sich sein Image als hochwertiger Qualitätsanbieter in der Hansestadt mit wenigen ausgewählten Produkten erarbeitet. Zu seinen Kunden zählen damals wie heute Großabnehmer und Privatleute, die für gute Backwaren auch den Anfahrtsweg in den beschaulichen Stadtteil Walle auf sich nehmen.

So eigen wie bei der Strategie war Schroeder auch bei der Auswahl seines Nachfolgers: „Andere“, so Dennis Otten, „haben sicher mehr Geld geboten, doch Schroeder hat sich nach einem gemeinsamen Tag ´Probebacken´ für mich entschieden.“ Leider verstarb der Firmengründer schon wenige Wochen nach der Übergabe, sodass Otten anfangs viel Mühe hatte, die Produkte originalgetreu herzustellen. Zwar standen alle Rezepte auf einer
DIN-A3-Kartonpappe, doch es gab laut Otten immer einen kleinen Kniff, über den auch keiner der langjährigen zehn Mitarbeiter Bescheid wusste. Mit Geduld und Fingerspitzengefühl gelang es schließlich dem passionierten Bäckermeister, die gewohnte Qualität nicht nur zu halten, sondern Schritt für Schritt mit eigenen Ideen zu optimieren. „90 Prozent der Stammkunden sind geblieben, ich kann meine Leidenschaft und Kreativität für meinen Beruf voll ausleben und verdiene noch dazu gutes Geld“, lautet Otten zufriedenes Fazit nach zwei Jahren Selbständigkeit.

Wie die Analyse der BW Bank bestätigt, geht es den Nachfolgern im Mittelstand vor allem darum, Verantwortung zu übernehmen und eigene Vorstellungen durchzusetzen. Hilfreich für die Motivation der Nachwuchs-Unternehmer sind dabei vor allem auch die in Großbetrieben gemachten Erfahrungen. So kritisieren viele Nachfolger vor allem die zum Teil bürokratische und ineffiziente Arbeitsweise der Konzerne und nehmen sich vor, es als Chef oder Chefin im Mittelstand „einfach besser zu machen“.

Carmen Heim, Geschäftsführerin des Stuckateurbetriebs Egon Müller in Neckartenzlingen, kennt dieses Gefühl aus eigener Erfahrung. Über zehn Jahre lang war sie als leitende Angestellte bei IBM mittendrin in der vermeintlich glamourösen Managementwelt: „Morgens mal kurz nach Hamburg zu einem wichtigen Meeting jetten, bei dem man noch dazu die einzige Frau ist, das hatte schon seinen Reiz“, erinnert sie sich an ihre erste berufliche Karriere. Doch irgendwann, erzählt Heim offen, habe sie festgestellt, dass es nur diese Äußerlichkeiten waren, die ihr am Managerjob gefielen: „Bei IBM habe ich gegenüber heute das Dreifache verdient, war sehr wichtig und genoss viele Annehmlichkeiten, doch so richtig entscheiden kann man als Einzelner in einem internationalen Konzern einfach nicht.“

Endlich richtig Verantwortung haben

Um wirklich etwas bewegen zu können, entschloss sie sich deshalb dazu, die Managerkarriere an den Nagel zu hängen und in den familieneigenen Stuckateurbetrieb einzusteigen. Da ihr Mann ebenfalls einen guten Job hat, fiel ihr der Wechsel natürlich leichter, doch selbst ihr Vater riet ihr zunächst ab, nachdem sie ihm ihr Gehalt verraten hatte: „Seine Aussage ‚Mädle, dann bleibe lieber bei IBM’ ist mir auch noch Jahre später in bester Erinnerung“, erklärt Carmen Heim. Bereut hat sie den Schritt dennoch zu keiner Minute, schließlich war sie wie ihr Bruder mit dem Betrieb aufgewachsen und wusste, was sie erwartet. Momentan arbeiten die Geschwister konsequent daran, den Betrieb in Richtung Privatkunden neu aufzustellen, um dem Preiskampf im klassischen Ausschreibungsgeschäft zu entgehen. Eine echte Herausforderung, die zwar mindestens so viel Einsatz erfordert wie ihre Tätigkeit bei IBM, sie aber persönlich deutlich mehr ausfüllt: „Bislang hat es noch keinen Tag gegeben, an dem ich den Einstieg in den Familienbetrieb bereut habe“, ist Carmen Heim überzeugt.

Dass Nachfolger in der Regel genauso zufrieden mit ihrer Selbständigkeit sind wie klassische Existenzgründer, belegt auch die Gründungsforschung der Landes-Gewerbeförderungsstelle des nordrhein-westfälischen Handwerks (LGH). Regelmäßig werden dabei die vom Land NRW mit der Meistergründungsprämie geförderten Unternehmer gefragt, ob sie sich erneut für eine Selbständigkeit entscheiden würden.

Unternehmerdasein nicht bereut

Während 2010 insgesamt 85,9 Prozent der Neugründer und Nachfolger mit einem klaren „Ja“ antworteten, fiel die Quote bei den Übernehmern mit 85 Prozent nur unwesentlich geringer aus. Dabei ist die Zufriedenheit mit der Selbständigkeit umso höher, je „frischer“ dieser Schritt ist. So bekannten etwa im Jahr 2010 mehr als 92 Prozent aller Betriebsnachfolger aus den Jahrgängen 2007 und jünger, sie würden auch heute wieder einen Betrieb übernehmen. Bei denjenigen, die schon sechs bis zehn Jahre selbständig sind, taten das noch knapp 69 Prozent.

Für Eduard Peters war es immer ein Lebenstraum, Unternehmer zu werden. Der aus Kasachstan Gebürtige war bereits 1988 nach Deutschland übergesiedelt und hatte drei Jahre später mit der Ausbildung zum Tischler begonnen. Als Meister sah er in der Region Aachen jedoch keine gute Chance für eine eigene Existenz, sodass er schon länger mit einem Berufswechsel geliebäugelt hatte. Die Gelegenheit bot sich dann völlig überraschend. Ein Bekannter erzählte ihm davon, dass die Glaserei Porschen in Langerwehe einen neuen Mitarbeiter suche. Peters stellte sich vor und wurde sofort eingestellt. Die „Chemie“ zwischen Norbert Porschen, der das Unternehmen gut fünf Jahre zuvor gegründet hatte, und dem zu dieser Zeit 28-jährigen Peters war quasi von der ersten Stunde an so gut, dass Porschen ihn fragte, ob er sich vorstellen könne, sein Nachfolger zu werden.

Chance im neuen Beruf genutzt

Dem schnellen Start folgte dann eine intensive Einarbeitung in die Glasbranche. Peters startete im „Rang“ eines Gesellen quasi wieder bei null an. Abends und am Wochenende bereitete er sich auf seine zweite Meisterprüfung vor. Die legte er im Mai 2005 ab, somit waren auch die formalen Voraussetzungen für eine Übernahme erfüllt. Vollzogen wurde der Wechsel zum 1. Januar 2010. In den gut 20 Monaten ist es Peters gelungen, das Auftragsvolumen um 20 Prozent zu steigern. „Wir haben die alten Kunden halten können und neue dazugewonnen.“ Die Glaserei sei jetzt zusätzlich im Kölner Umland, in der Eifel und in den Grenzregionen der Niederlande und Belgiens tätig. Zwei neu eingestellte Gesellen haben den Personalbestand auf sieben erhöht, im September kam ein Auszubildender dazu.

kerstin.meier@handwerk-magazin.de

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