Ausrasten ist nicht drin

Gefühle im Job | Wenn Sie als Unternehmer Ihre Emotionen nicht im Griff haben, kann das Aufträge oder gute Mitarbeiter kosten. Zu wenig Gefühl ist jedoch auch keine Lösung.

Ausrasten ist nicht drin

Von solchen Szenen lebt der Sport: Heiner Brand stürmt mit wutverzerrtem Gesicht und geballten Fäusten in Richtung Schiedsrichter und trollt sich nach kurzem Wutausbrauch wieder friedlich auf seine Trainerbank. „So etwas könnten wir uns nie erlauben weder unseren Kunden noch unserem Personal gegenüber“, stimmen Handwerksunternehmer überein. Auch wenn es im Unternehmen einmal hoch hergeht, müsse der Chef kühlen Kopf bewahren und dürfe nicht „ausrasten“.

Dass dies nicht immer funktioniert, räumen die Meister aber ebenso freimütig ein. „Ein, zwei Mal im Jahr fliegt auch bei uns die Kuh“, sagt etwa Heinz Banzhaf, Rollladenbauer und Sonnenschutztechniker im rheinischen Kaarst. Allerdings gehe das nicht immer auf ihn selbst zurück, denn natürlich kritisierten sich auch die Mitarbeiter untereinander. „Und selbstverständlich“, so Banzhaf, „bringen sie auch meine Fehler zur Sprache.“ Wichtig sei in solchen Situationen, nach der ersten „Entladung“ schnell wieder zu Ruhe und Sachlichkeit zurückzukommen und eine Gesprächsebene zu finden, auf der sich ein für alle Parteien positives Ergebnis erreichen lässt.

Volker Kallinowski sieht das ebenso. Der Chef des Castrop-Rauxeler Sanitätshauses Frick freut sich, dass es intern deutlich weniger „Reibungspunkte“ gibt, seitdem er und seine 14 Mitarbeiter die Arbeitsprozesse im Rahmen des Qualitätsmanagements neu strukturiert und die Zuständigkeiten abgegrenzt haben. „Weil die alltäglichen Dinge geklärt sind, haben wir seltener Abstimmungsbedarf, und die Gefahr von Missverständnissen und Zwistigkeiten sinkt erheblich.“ Kommt es dennoch zu Spannungen, bemüht sich Kallinowski, der Situation angepasst zu reagieren: „Ich greife nur dann sofort ein, wenn es unbedingt nötig ist. Meiner Erfahrung nach bringt es mehr, den Kontrahenten Zeit zum Abkühlen zu geben.“ Seine Strategie besteht darin, zunächst in Ruhe die Ursache des Konflikts sowie die einzelnen Standpunkte zu klären. Dann versucht er im Sinne eines Moderators zu schlichten. Bisweilen ist nach seiner Erfahrung aber auch eine „klare Ansage“ angebracht: „HB-Männchen muss man wieder auf den Boden zurückholen und zur Mäßigung auffordern.“

Nicht zu sachlich sein

So anstrengend das manchmal auch sein mag, ein Leben ohne Emotionen ist nach Erfahrung von Professor Peter Nieschmidt (siehe rechts) nicht möglich: „Stimmungen gehören untrennbar zum Menschsein“, erklärt der Experte für Personalführung im bayerischen Kühbach. Dabei lasse sich auch zwischen Beruf und Privatleben kaum trennen: „Wer versucht, im Beruf seine Emotionen zu verdrängen, wird daran scheitern. Er sendet seinem Gegenüber vor allem aber Signale, die er vielleicht gar nicht senden will. Ein solches Verhalten wird nämlich leicht als unangenehme Steifheit interpretiert“, warnt der Politologe.

Chefs und Mitarbeiter, die nicht mit ganzem Herzen bei der Sache sind, erfüllen dementsprechend ihre berufliche „Sache“ nicht optimal: „Wer nur sachlich und rational rüberkommt, wird schnell als austauschbar empfunden“, bestätigt Mediator Dirk Evers (Dinslaken). Er fordert seine Kunden dazu auf, authentisch zu bleiben. „Wenn wir auch einmal die Ecken und Kanten unseres Gefühlslebens zeigen, wirken wir echt und überzeugen mit einer gesunden Autorität.“ Basis für einen derart souveränen Umgang mit seinen Emotionen ist für Evers eine ehrliche Selbstanalyse.

So müsse sich jeder Unternehmer bewusst machen, welche Situationen bei ihm Freude und Begeisterung auslösen und was zu Frustration und Weißglut führt. Denn Emotionen werden zwar von den Handlungen anderer ausgelöst, die Ursache für die Art und Weise der Reaktion liegt jedoch an den individuellen Werten und Erfahrungen. Wer etwa schon einmal von einem Hund angefallen wurde, reagiert auf einen heranstürmenden Vierbeiner anders als ein nicht mit negativen Erlebnissen vorbelasteter Hundeliebhaber.

Da jeder im Team sein eigenes Wertekorsett hat, lassen sich die typischen Alltagskonflikte nur durch eine offene und regelmäßige Kommunikation vermeiden. Rollladenspezialist Heinz Banzhaf ist ein „Freund des klaren Wortes“, akzeptiert aber auch, dass seine Mitarbeiter ihm gegenüber aus ihrem Herzen keine Mördergrube machen. „Lob und Tadel gibt es bei uns freimütig, möglichst direkt in der Situation und in alle Richtungen“, beschreibt Banzhaf die Strategie. Das klappt bislang im 14-Mitarbeiter zählenden Team hervorragend, da sich die berüchtigte „dicke Luft“ erst gar nicht aufstauen kann.

Harald Siebert
kerstin.meier@handwerk-magazin.de