Auslandsmärkte nutzen

Export | Mit grenzüberschreitenden Geschäften können gerade kleine und flexible Unternehmen der Wirtschaftskrise ein Schnippchen schlagen. Vorausgesetzt, sie gehen gut vorbereitet in die fremden Märkte und machen sich das Wissen der Experten vor Ort zunutze.

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    © Andreas Bröckel, Matthias Wuttig
    Siegfried Riebsamen Der Maschinenbauer verkauft seinen patentierten Glasboy inzwischen nur ins Ausland mit großem Erfolg und zu seinen Geschäftsbedingungen.
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Auslandsmärkte nutzen

Keine einzige Maschine hat Siegfried Riebsamen seit Herbst 2008 in Deutschland verkauft. Hätte der Schwabe vor 15 Jahren nicht damit begonnen, systematisch Märkte außerhalb der Bundesrepublik zu erschließen, würde es seinen Betrieb heute vielleicht nicht mehr geben. Die drastischen Auswirkungen der Finanzkrise sind für den 54-Jährigen und seine acht Mitarbeiter jedoch kein Grund, Trübsal zu blasen. „Wir konnten neue Kunden in Australien, in Neuseeland und der Schweiz gewinnen. Das bügelt die hiesige Delle wieder aus“, lacht der Maschinenbaumeister, dessen knuffige Kräne, Bagger und Dumper überall dort gefragt sind, wo normale Fahrzeuge zu wuchtig sind.

Sein allererstes Produkt, ein Mini-Raupenfahrwerk zum Transport von Grabsteinen auf Friedhöfen, verkaufte Riebsamen 1994 auf der Nürnberger Messe „Stone tec“ vom Stand weg in mehrere Nachbarländer und sogar nach Spanien. Seither ist der Maschinenbauer regelmäßig auf internationalen Leitmessen in Deutschland präsent: „Hier knüpfen wir nicht nur Kontakte in alle Welt, sondern erfahren auch viel über Märkte und unerfüllte Wünsche potenzieller Kunden.“

So wurde ein australischer Bauunternehmer auf der Glasstec in Düsseldorf auf den „Glasboy“ aufmerksam. Das Gerät zum Heben und Transportieren von Fensterscheiben könne er in modifizierter Form gut für einen Spezialauftrag gebrauchen, ließ er den Standbetreuer wissen. Als der gleich am Messestand Lösungsvorschläge entwickelte, orderte der Australier umgehend.

Deutsche Qualität gefragt

Das Beispiel zeigt: „Made in Germany“ ist nach wie vor in der Welt gefragt. Kein Wunder, dass immer mehr Unternehmer die Gelegenheit nutzen, den Auftragsrückgang in der Heimat mit Auslandsaufträgen auszugleichen. So wurden auch im Krisenjahr 2008 Waren im Wert von 994 Milliarden Euro exportiert, gegenüber 2007 ergibt sich noch ein Plus von drei Prozent. Besonders gefragt waren neben Kraftfahrzeugen vor allem Maschinen, deren Exportanteil 2008 um drei Prozent auf insgesamt fast 15 Prozent gewachsen ist. Wie das KfW-Mittelstandspanel zeigt (siehe Interview Seite 30), spielen die Aktivitäten der Kleinbetriebe bis fünf Mitarbeiter dabei eine viel wichtigere Rolle als bisher angenommen. Von den 800000 auslandsaktiven Mittelständlern gehören laut KfW 600000 zu den Kleinbetrieben, wobei die Finanzierung das Haupthindernis bei der Erschließung von Auslandsmärkten darstellt.

Maschinenbauer Riebsamen hat deshalb eine klare Strategie festgelegt: „Den ersten Schritt in einen neuen Markt gehen wir durch Direktverkäufe an Endkunden. Folgen weitere Bestellungen, knüpfen wir vor Ort Kontakte zu Händlern.“ Derzeit laufen auf dem fünften Kontinent Verhandlungen mit einem potenziellen Vertriebspartner. „Wir bieten für jedes Land Exklusivrechte, knüpfen sie aber an Mindestverkaufszahlen, damit ein Markt nicht durch desinteressierte Händler blockiert werden kann“, verrät der Handwerker. Darüber hinaus lässt das Unternehmen nur die eigenen AGB gelten, „die auf EU-Recht abstellen und eine Lieferung gegen Vorkasse festschreiben“, wie Riebsamen betont.

Mit lockereren Geschäftsbedingungen könnte er sicher mehr verkaufen, ist der Firmeninhaber überzeugt, „aber wir wären schnell überfordert, Außenstände in zahlreichen Ländern einzutreiben“. Seine Alleinstellung am Markt und der Patentschutz verschaffen dem Kleinbetrieb zudem eine starke Marktposition. „Mit unserem neuesten Produkt, einem Montagegerät für Solarpanels, bereiten wir uns auf einen Start in den USA vor“, blickt der Unternehmer nach vorn.

Villenbau in London

„Ein anspruchsvolles Projekt, eine vernünftige Kalkulation, ein Motivationsschub für meine Leute und viele neue Erfahrungen“, zieht Axel Thiele Bilanz, wenn man ihn nach seinem jüngsten Auslandsauftrag im noblen Londoner Stadtteil Harrow on the Hill fragt. Mit vier Mitarbeitern errichtete der Leipziger Zimmerermeister dort den Dachstuhl für die 1000-Quadratmeter-Villa eines indischen Unternehmers. „Ein Kehlbalken-dach mit zwei kreuzförmig zueinander liegenden Hauptschiffen und zwei Seitengiebeln“, schwärmt der Leipziger Handwerksunternehmer, „so etwas bauen wir sonst auch nicht alle Tage“. Den Blick über den eigenen Tellerrand weiß der 42-Jährige schon seit seiner Gesellenzeit zu schätzen. So führte ihn seine Wanderschaft Anfang der 90er Jahre bis nach Alaska, 2003 baute er als Richtmeister das Notfallzentrum der Bundeswehr im afghanischen Kunduz mit. Und als er 2008 von dem Projekt in London erfuhr, bot er sofort mit. Die Leipziger Firma Tectonet hatte den Drei-Millionen-Euro-Auftrag für den Neubau des Luxusanwesens an Land gezogen. Der Dienstleister, der seit acht Jahren Kleinbetriebe zu Bietergemeinschaften für Großaufträge formiert, exportierte sein Geschäftsmodell auch nach Großbritannien. „Weil die Handwerksausbildung dort vernachlässigt wurde, gelten zum Beispiel gute Klempner als fast unbezahlbar“, fand Tectonet-Chef Rafael Salzberger heraus. Um die Marktlücke zu besetzen, gründete er die Saxony Master Builders Ltd. mit Sitz in London.

Beim ersten Auftrag sanierten sächsische Handwerksbetriebe das Eigenheim einer Londoner Familie von Tectonet koordiniert in nur drei Wochen. „Die Auftraggeber waren hoch zufrieden, das sprach sich herum“, freut sich Salzberger. Seither haben sächsische Handwerker unter dem Label „Saxony Master Builders Ltd.“ gut ein Dutzend Bauaufträge im Gesamtwert von sechs Millionen Euro in London und Dublin gemeistert.

„Der Zeitrahmen, aber auch der finanzielle und personelle Aufwand für den Einstieg in ausländische Märkte wird häufig unterschätzt“, beobachtet Michael Olma vom Zentralverband des Deutschen Handwerks. Dabei sei dieser Prozess mit der Gründung eines Unternehmens vergleichbar, „und zwar unter besonderen Bedingungen“, so Olma. Schließlich gelte es meist, sprachliche und kulturelle Barrieren zu überwinden, sich mit fremden Vorschriften und Gepflogenheiten vertraut zu machen.

Alles „very interesting“

„Dass in England zum Beispiel andere Steckdosen montiert und auf Baustellen Leuchtwesten getragen werden müssen, wird schnell selbstverständlich“, fasst Rafael Salzberger seine Erfahrungen zusammen. Aber die britische Mentalität zu verstehen sei eine größere Herausforderung, schmunzelt der gebürtige Bayer. „So können Briten nicht ,Nein’ sagen“, hat er inzwischen gelernt. Ein „very interesting“ sei schon eine der deutlichsten Absagen, zu denen sich Kunden bislang durchringen konnten.

Erleichtert werde der Schritt ins Ausland durch einen vor Ort bereits etablierten Partner, weiß ZDH-Experte Michael Olma. Eine Erfahrung, die Handwerker Axel Thiele bestätigen kann. So akquirierte das Tectonet-Team nicht nur den Auftrag, sondern sorgte auch für die Baustelleneinrichtung und Logistik. „Wir erhielten Informationen über Bauvorschriften ebenso wie Unterstützung bei organisatorischen Fragen, von der Unterkunft bis zum Transport der vorgefertigten Dachelemente “, lobt der Zimmermann die perfekte Vorbereitung.

Sprache und Kultur lernen

Für Axel Thiele steht fest, dass das Gastspiel in London keine einmalige Aktion bleiben soll. Vorsorglich hat sich der Leipziger schon bei dem von Tectonet initiierten und durch den Europäischen Sozialfonds geförderten Lehrgang „Handwerk International“ angemeldet. In dem neunmonatigen Kurs werden Handwerker nicht nur mit Sprache, Kultur und Vorschriften auf der Insel vertraut gemacht. „Am Ende des Programms sollen die Unternehmen auch alle Bescheinigungen wie das Gesundheits- und Sicherheits-Zertifikat oder die Registrierung bei der Steuerbehörde in den Händen halten, um eigenständig am Markt auftreten zu können“, unterstreicht Rafael Salzberger. Derweil bietet Tectonet erstmals bei einer öffentlichen Ausschreibung in England mit. Es geht um den Ausbau eines alten Schlosses.

Frank Pollack

kerstin.meier@handwerk-magazin.de