Pilgern auf dem Jakobsweg

Claudia Beil, Unternehmerfrau aus Erding, machte sich nach vielen Schicksalsschlägen auf, den Jakobsweg zu gehen. Sie findet Ruhe, Kraft und ein neues Wertegefühl. Bald will sie erneut los.

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    Claudia Beil - Jakobsweg
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    Claudia Beil, Unternehmerfrau aus Erding, wanderte auf dem Jakobsweg bis nach Santiago de Compostella.
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    Claudia Beil
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    Meist sind die Wegmarkierungen des Jakobsweges nicht zu übersehen. Bisweilen sind es aber nur kleine versteckte handgemalte gelbe Pfeile.
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    Die Kirche von Santiago de Compostella ist das Ziel von vielen Pilgern aus aller Welt.

Auf dem Weg zu sich selbst

Da steht sie nun. Mitten auf dem Marktplatz von Pamplona. Es ist laut, voll und heiß. Sie fühlt sich benommen. „Was machst Du hier?“, fragt sie sich. Bis eine ältere Frau wortlos ihre Hand greift, sie zu einem kleinen Kloster mit Pilgern führt. Und von da an ist ihr alles wieder klar.

Claudia Beil, mitarbeitende Ehefrau im Maler- und Lackiererbetrieb ihres Mannes ist auf ihrer persönlichen Pilgertour. In Pamplona macht sie sich auf, den Jakobsweg zu gehen. Anfang April ist die Mutter von zwei Kindern aus Erding über Madrid nach Pamplona aufgebrochen. Binnen vier Wochen will sie den berühmten Pilgerpfad nach Santiago de Compostella gehen.

Der Weg soll Abstand schaffen. Abstand zu mehreren Trauerfällen in der Familie. Zu Verantwortung im Betrieb und auch zu ihrer Arbeit als Arbeitskreisvorsitzende der Unternehmerfrauen Erding. „Ich fühlte ganz deutlich, mein Körper und mein Geist brauchten dringend eine Auszeit“, beschreibt sie ihre Motivation.

Lange Planung

Die Idee, einmal den Jakobsweg zu gehen, hat sie schon seit Jahren im Kopf. Jetzt ist die Zeit reif. Als ihr Mann einwilligt und auch die beiden Töchter viel Spaß auf ihrem „Jesuslatschenweg“ wünschen, geht sie los. Sie besorgt sich einen Rucksack („Nicht mehr als elf Kilogramm Gewicht.“) und die Ausrüstung für eine mehrwöchige Tour: Wanderstöcke, Regenjacke, Wäsche, Trinkflasche, gute Wanderschuhe und viele Pflaster.

Die Aufgaben im Betrieb verteilt sie gerecht an die beiden Töchter Antonia und Veronika sowie an Schwiegermutter und Mutter. Die Löhne für die Mitarbeiter sind vorab ausbezahlt und die Kolleginnen im Arbeitskreis der Unternehmerfrauen instruiert. „Vier Wochen muss es auch mal ohne mich gehen“, macht sie sich Mut.

Doch dann in Pamplona verlässt sie das Selbstbewußtsein kurzzeitig. Erst in der Pilgerherberge im Kloster kehrt es zurück. „Und es war genau so, wie ich es mir nach dem Buch von Hape Kerkeling vorgestellt hatte: Stockbett neben dem Klo.“

Die ersten Wanderetappen sind hart: der Rucksack lastet schwer auf den Schultern, die Füße schmerzen und die gelben, von den Pilgern gezeichneten Wegweiser, findet sie nicht immer. Die Route selbst hatte sie in ihrem Führer schon lange festgelegt: Pamplona, Leon, Compostella.

Wandern macht leicht

Die Abende in den Herbergen sind immer ein Höhepunkt. „Man taucht ein in die Gruppe der Pilger. Man atmet die alle umgebende Spiritualität“, erinnert sich Beil. Und nach und nach kommt der Abstand. Von Erding, der Familie, den Aufgaben. Auf den langen endlosen Wegen spürt sie, wie alles von ihr abfällt. „Ich fühlte mich frei. Ich war allein, ich konnte die Natur wahrnehmen und locker drauflosmarschieren.“

Claudia Beil startet meist frühmorgens um sechs Uhr. Jeden Tag stehen 20 bis 30 Kilometer auf dem Programm. „Ich habe wunderschöne Landschaften gesehen. Imposante Hügel, verwunschene Bäche, liebliche Wiesen. Oft bin ich stehen geblieben, um die Aussicht zu genießen. Man lernt Bescheidenheit. Jeder hat seinen Weg, braucht etwas zu essen und zu trinken und einen Platz zum Schlafen. Mehr nicht. Das reicht zum Glück.“

Und gegen Ende der Wanderung erlebt sie ihr persönliches Wunder. „Es war ein sehr heißer Tag, ich war lange unterwegs, mindestens 25 Kilometer und hatte kein Wasser mehr. Bis zur nächsten Herberge waren es noch viele Kilometer.“ Keine Wasserstelle weit und breit. Sie dürstet, glaubt, dass sie es nicht schafft. Und dann steht auf einer Mauer plötzlich diese Plastikflasche gefüllt mit Wasser. Es ist kein Mensch zu sehen. „Das war meine Rettung, mein kleines Jakobswegwunder.“

Erleuchtung in Compostella

Nach vier Wochen steht sie in Santiago de Compostella. Trotz langer Etappen fühlt sie sich körperlich ungemein fit. Der Höhepunkt ist die Messe in Santiago. „Das war die Befreiung.“

„Diese vier Wochen haben mir gezeigt, was wirklich wichtig ist im Leben. Es ist so wertvoll, gute Freunde zu haben und die Familie. Ich gehe heute anders mit Menschen um. Äußerlichkeiten sind mir nicht wichtig.“

In zwei Jahren geht sie wieder los. Der Jakobsweg hat sie immer noch in seinem Bann. Dann will Claudia Beil die ganze Strecke wandern. Dafür hat sie schon acht Wochen eingeplant. Sie weiß ja jetzt, dass es auch mal ohne sie geht. Dann pilgert sie bis nach Finisterre – bis ans Ende der Welt. Zur finalen Erleuchtung.