Anleger geprellt

Schrottimmobilien | Der Europäische Gerichtshof wollte hereingelegten Fondsanlegern helfen. Doch der BGH in Karlsruhe hat die rechtlichen Hürden massiv erhöht.

Anleger geprellt

Mieser Trick: Gutgläubigen Anlegern werden Eigentumswohnungen, andere Immobilien oder Anteile an maroden, geschlossenen Fonds verkauft, die bei weitem nicht das gezahlte Geld wert sind. Gekoppelt mit einem Darlehen sitzen die meist vermögenslosen Verbraucher dann in der doppelten Falle. Sie sollen nun über Jahrzehnte für ihre Schrottimmobilie abzahlen.

Doch der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg wollte ihnen helfen. Bereits im Oktober 2005 erließ er zwei Urteile zum Widerrufsrecht (C-350/03 und C-299/04). Aufhänger dafür war die Haustürwiderrufsrichtlinie der EU. Sie soll private Anleger (Verbraucher) vor übereilten Geschäften an der Haustür oder in ihrer Wohnung schützen.

„Danach muss ein Kreditinstitut in Fällen, in denen der Anleger nicht über sein Recht zum Widerruf des Darlehensvertrages belehrt wurde, die Risiken tragen, die mit der in einer Haustürsituation zustande gekommenen Kapitalanlage verbunden sind“, erklärt Rechtsanwalt Oliver Busch von der Münchner Sozietät Engelhard, Busch & Partner (www.kanz lei-ebp.de). Konkret, so der EuGH, hätte nämlich ein privater Anleger bei rechtzeitiger Aufklärung durch die Bank seine Entscheidung, den Darlehensvertrag zu schließen, rückgängig machen können. Die Luxemburger Richter stellten hierzu ausdrücklich fest, dass der Verbraucher es dann auch hätte vermeiden können, sich dem Risiko auszusetzen, eine Immobilie zu kaufen, die zum Zeitpunkt des Kaufes viel zu hoch bewertet war.

Der beliebten Ausrede selbst renommierter Banken, sie hätten von den windigen Praktiken der Verkäufer nichts gewusst, wollten die Richter auch noch gleich einen Riegel vorschieben. Ob die Bank wusste, dass der Vertrag an der Haustür geschlossen wurde oder nicht, spiele keine Rolle.

Allerdings lässt sich aus den Urteilen des EuGH kein Recht zum Widerruf des Immobiliarkaufvertrages ableiten. Denn Kaufverträge über Immobilien sind ausdrücklich von der Richtlinie ausgeschlossen. „Dies bedeutete bereits für viele Anleger einen Dämpfer, da der Käufer einer Schrottimmobilie sich somit nicht allein durch einen Widerruf des Immobiliarkaufvertrages von seinen Verpflichtungen befreien kann“, sagt Busch. Im Übrigen unterliege es dem nationalen Gesetzgeber und der Rechtsprechung, den Schutz des Verbrauchers im Falle einer fehlerhaften Widerrufsbelehrung zu gewährleisten, meinten die Richter in Luxemburg.

Darlehensvertrag

Die Hoffnung der Anleger, sich nach den Urteilen des EuGH zumindest aus den Darlehensverträgen lösen zu können, werden nach der neuen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) aber nur in wenigen Fällen erfüllt. Dieser stellte fest, dass grundpfandrechtlich gesicherte Darlehen (Realkredite) zurückgezahlt werden müssen, zuzüglich der Zinsen (XI ZR 6/04).

Lapidare Begründung: Ein Anleger könne sich bei einem Realkredit nicht auf

die Grundsätze des „verbundenen Geschäfts“ berufen. Denn Paragraf 9 des Verbraucherkreditgesetzes finde nach seinem eindeutigen Wortlaut und der ständigen Rechtsprechung des BGH hier keine Anwendung. Daran änderten auch die Urteile des EuGH nichts, so die Bundesrichter in Karlsruhe trotzig.

Offenbar um die Vorgaben des EuGH nicht völlig ins Leere laufen zu lassen, erweiterte der XI. Zivilsenat jedoch seine Rechtsprechung etwas: Eine eigene Aufklärungspflicht der Bank wird dann ausgelöst, wenn ein Anleger durch arglistige Täuschung mit unrichtigen Angaben der Vermittler, Verkäufer, der Fondsinitiatoren oder im Verkaufsprospekt zur Anlage verleitet wurde. „Diese Vermutung greift allerdings nur dann ein, wenn die Unrichtigkeit der Angaben des Verkäufers, der Initiatoren oder des Vertriebs nach den Umständen des Falles evident waren und sich der Bank aufdrängen mussten“, dämpft hm-Experte Oliver Busch gleich wieder die aufkeimende Hoffnung geprellter Käufer in Deutschland.

In die gleiche Richtung geht das BGH-Urteil XI ZR 193/04. Hier hatte sich der Kläger an einem geschlossenen Immobilienfonds beteiligt. Er hatte hierzu einen Antrag auf Eintritt in die Fondsgesellschaft und eine Darlehensanfrage nebst Selbstauskunft unterschrieben. Außerdem hatte er zwei Mitarbeitern der Fondsvertreiberin eine notarielle Vollmacht erteilt, ihn beim Fondsbeitritt zu vertreten. Den Darlehensvertrag hatte der Anleger selbst unterzeichnet, wobei als Sicherheit für den Kredit die Fondsbeteiligung und eine Kapitallebensversicherung, die auch zur Tilgung des Darlehens vorgesehen war, dienten. Die im Darlehensvertrag enthaltene Widerrufsbelehrung war fehlerhaft. Außerdem fehlte auch die nach dem Verbraucherkreditgesetz erforderliche Gesamtangabe aller vom Darlehensnehmer zu erbringenden Leistungen.

Da es sich nicht um ein grundpfandrechtlich abgesichertes Darlehen handelte, waren nach Ansicht des BGH die Grundsätze des verbundenen Geschäfts anwendbar (siehe oben). Die Richter hielten an ihrer Rechtsprechung fest, dass eine wirtschaftliche Einheit unwiderleglich vermutet wird, wenn der Kreditvertrag nicht aufgrund eigener Initiative des Anlegers zustande kommt.

Rückabwicklung

Im Falle des Widerrufs muss der Kreditnehmer bei einem verbundenen Geschäft nicht die Darlehensvaluta zurückzahlen. Bei einem verbundenen Geschäft müsse nämlich Paragraf 3 des Haustürwiderrufgesetzes dahingehend ausgelegt werden, dass der Bank nach dem Widerruf kein Zahlungsanspruch gegen den Darlehensnehmer mehr zusteht. „Vielmehr hat die Rückabwicklung in solchen Fällen unmittelbar zwischen dem Kreditgeber, also der Bank, und dem Partner des finanzierenden Geschäfts, also den Fondsinitiatoren zu erfolgen“, erläutert Rechtsanwalt Busch.

Außerdem stellte der BGH in diesem Urteil noch fest, dass der Darlehensvertrag, da die gesetzlichen Mindestangaben nach dem Verbraucherkreditgesetz fehlten, einen Formmangel aufwies. Dieser Formmangel führte allerdings nicht dazu, den Kreditvertrag als nichtig einzustufen, ihn also von Anfang an nicht anzuerkennen. Denn der Formmangel wurde schlicht durch die Auszahlung des Kredits behoben. Dass das Geld genau genommen nicht dem Anleger, sondern direkt der Fondsgesellschaft überwiesen wurde, irritierte die Karlsruher Richter offenbar nicht. Es habe genügt, die Darlehensvaluta auf Weisung des Darlehensnehmers an einen Dritten auszuzahlen. Der zweite Zivilsenat des BGH hat das in früheren Urteilen noch anders gesehen und eine solche Fehlerkorrektur beim verbundenen Geschäft verneint. Dies wurde aber nun zu Lasten der Anleger aufgegeben.

Nach einem weiteren Urteil des Bundesgerichtshofs (XI ZR 106/05) kann ein Anleger bei einem verbundenen Geschäft, wenn er durch falsche Angaben zum Erwerb einer Immobilie oder Fondsbeteiligung verleitet wurde, der finanzierenden Bank seine Ansprüche gegen die Fondsgesellschaft entgegenhalten. Soweit ihm gegen die Fondsgesellschaft ein Abfindungsanspruch zusteht, kann er danach die Rückzahlung des Darlehens verweigern. Außerdem kann der Anleger seinen Anspruch gegen den Vermittler wegen Täuschung über die Risiken dann auch direkt gegenüber seiner Bank geltend machen.

Auch der Anleger dieses Falles hatte sich an einem geschlossenen Immobilienfonds beteiligt. Sein Beitritt wurde durch ein Darlehen der klagenden Bank, die die Rückzahlung des Kredites beanspruchte, finanziert. Der Anleger hatte behauptet, dass der Vermittler ihn über die steuerliche Förderung des Fonds und die Rentabilität sowie die Wiederverkaufsmöglichkeit der Fondsanteile vorsätzlich falsch informiert habe.

Kündigung

Falls der Anleger derartige Umstände beweisen kann, ist der Kreditnehmer nach Ansicht des BGH zur fristlosen Kündigung der Fondsbeteiligung berechtigt und kann die Auszahlung seines Abfindungsguthabens verlangen. Bei einem verbundenen Geschäft kann der Darlehensnehmer dieses Recht auch der Bank entgegensetzen und die Rückzahlung des Kredites verweigern, soweit ihm

gegen die Fondsgesellschaft ein Abfindungsanspruch zusteht.

Außerdem kann der Anleger auch Ansprüche, die er gegen den Berater wegen vorsätzlich falscher Angaben hat, gegen die Bank geltend machen. Denn bei einem verbundenen Geschäft muss sich das Kreditinstitut das täuschende Verhalten des Beraters zurechnen lassen, quasi, wie wenn er in ihrem Auftrag gehandelt hätte.

Den noch weiter reichenden Anlegerschutz des II. BGH-Zivilsenats gewährt der jetzt zuständige XI. Senat nicht mehr. Zwar hatte noch 2004 und 2005 der II. Senat Anlegern geschlossener Immobilienfonds das Recht zugebilligt, auch Ansprüche gegen Gründungsgesellschafter, Fondsinitiatoren und sonstigen maßgeblichen Beteiligten der Bank zu präsentieren. Nach dem neuen Urteil hält der Bundesgerichtshof nicht mehr daran fest. Derartige weitergehende Ansprüche gegenüber der Bank lehnt der BGH heute ab. „Auch dies bedeutet für die Anleger einen Rückschritt, da sie Ansprüche wegen fehlerhafter Prospektangaben oder etwa betrügerischer Schädigungen der Initiatoren selbst nicht nutzen können, um ihren Anlagekredit zu kündigen“, bedauert Oliver Busch.

harald.klein@handwerk-magazin.de