Angehörigenverträge: „Scheinverträge sind Firmenkiller“

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Viele Handwerksbetriebe wären ohne die Mit­arbeit des Ehepartners und der Kinder nicht überlebensfähig. Der Fach­anwalt für Arbeitsrecht Manfred Becker rät zu sauberer Vertragsgestaltung.

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    „Um Steuern zu sparen, ist manchen Selbständigen oder Firmeninhabern fast jedes ­Mittel recht.“
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    Manfred Becker berät seit 30 Jahren Handwerksbetriebe in allen rechtlichen Angelegenheiten. Über viele Jahre vertrat er die Deutsche Telekom im Arbeitsrecht. Becker ist Partner der renommierten überörtlichen Sozietät Eimer Heuschmid Mehle.

Für Ehegatten besteht keine ausdrückliche gesetzliche Verpflichtung zur Mitarbeit im Geschäft des Ehepartners. Allerdings kann sich eine solche familienrechtliche Verpflichtung aus der allgemeinen Beistandspflicht oder aber aus der Unterhaltspflicht ergeben, etwa wenn der Partner plötzlich erkrankt oder der Firmengründer kein Geld für die Einstellung einer Hilfskraft hat. In diesem Rahmen ist die Tätigkeit des Ehepartners unentgeltlich und damit auch abgabe- und sozialversicherungsfrei. In Familienunternehmen hilft das Recht, Berufs- und Privatleben klar abzugrenzen.

Muss der Arbeitsvertrag mit Angehörigen schriftlich abgeschlossen werden?

Manfred Becker: Der Abschluss eines schriftlichen Arbeitsvertrags ist nicht unbedingt erforderlich. Arbeitet das Familienmitglied regelmäßig im Betrieb mit, kann auch ein faktisches Arbeitsverhältnis entstehen mit allen Rechten und Pflichten aus einem Arbeitsvertrag.

Was gilt bei Scheidung der Ehepartner?

In der Regel dürfte die Scheidung allein noch keine soziale Rechtfertigung für eine Kündigung darstellen.

Wann klappt es dennoch mit der Kündigung?

Die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses kann unzumutbar sein, wenn sich der Ehepartner etwa ehewidrig verhalten hat und aufgrund dessen für den Betriebsinhaber eine weitere Zusammenarbeit untragbar geworden ist, insbesondere wenn der Ehepartner Details der Ehe im Betrieb herumträgt oder abträgliche Behauptungen über den Betriebsinhaber aufstellt. Das Gleiche gilt für Kündigungen sonstiger Familienmitglieder infolge von Familienstreitigkeiten.

Ist es besser, den Ex-Partner einzustellen, als ihm Unterhalt zu zahlen?

In Bezug auf eine Ehescheidung, durch die Unterhaltspflichten entstehen, sollte erwogen werden, ob nicht die unterhaltsrechtlichen Vorteile, die durch den Bezug des Arbeitsentgeltes entstehen, überwiegen. Es muss sich allerdings um einen echten Arbeitsvertrag handeln, bei dem eine echte Arbeitsleistung der Zahlung des Arbeitslohns gegenüber steht. Der Abschluss eines Scheinarbeitsvertrags, der nur geschlossen wurde, um dem Familienmitglied die Mitgliedschaft in der Sozialversicherung zu ermöglichen, ist rechtsmissbräuchlich.

Stichwort: Scheinarbeitsverträge ...

Um Steuern zu sparen, ist manchen Selbständigen oder Firmeninhabern fast jedes Mittel recht. Das Mittel der Wahl ist es, den Ehegatten oder die Ehegattin per Arbeitsvertrag einzustellen und den Arbeitslohn und die Sozialversicherungsabgaben als Betriebsausgaben von der Steuer abzusetzen. Doch Vorsicht, wenn dieser Arbeitsvertrag nur pro forma als sogenannter Scheinarbeitsvertrag geschlossen wird. Fliegt das auf, hat das unangenehme Folgen für alle Beteiligten.

Ist der Scheinarbeitsvertrag überhaupt gültig?

Bei einem Scheinarbeitsvertrag wird der Ehepartner oder die Ehepartnerin zwar ordnungsgemäß angemeldet, das Gehalt gezahlt und die Sozialversicherungsbeiträge abgeführt, nur die Arbeitsleistung wird – vereinbarungsgemäß – nicht erbracht. Bei einem solchen Scheinarbeitsvertrag handelt es sich um ein Scheingeschäft. Derartige Verträge werden so behandelt, als seien sie nicht abgeschlossen worden.

Was ist noch zu beachten?

Die für den Scheinarbeitnehmer abgeführten Sozialversicherungsbeiträge und die Lohnsteuer kann der Arbeitgeber nicht als Betriebskosten absetzen. Tut er es dennoch und verkürzt damit die Ertragsteuern, begeht er eine strafbare Steuerhinterziehung.

Kann der Arbeitgeber die gezahlten Lohnsteuern und Sozialabgaben zurückverlangen?

Nein, der Arbeitgeber kann die für den Scheinarbeitnehmer entrichteten Lohnsteuern nicht einfach vom Finanzamt zurückholen. Mit einem Scheinarbeitsvertrag entsteht auch kein sozialversicherungsrechtlicher Schutz des Arbeitnehmers. Dieser wird nicht Mitglied der gesetzlichen Krankenkasse.

Wie werden Scheinarbeitsverhältnisse entdeckt?

Der Betriebsprüfung fallen Scheinarbeitsverträge oft gar nicht auf. In solchen Fällen heißt es dann, die Arbeitnehmerin sei eben im Urlaub. In der Regel fallen solche Konstrukte auf, weil die Buchhalterin „petzt“.

Was sollten Handwerker tun?

Um gegenüber den Finanzbehörden den Verdacht zu entkräften, sollten die Ehepartner die geleistete Arbeit inhaltlich und zeitlich dokumentieren. Das gilt insbesondere für Tätigkeiten, die nicht im Betrieb des Arbeitgeber-Ehepartners, sondern zu Hause erbracht werden, etwa Verwaltungstätigkeiten.

Vita: Manfred Becker

Manfred Becker berät seit 30 Jahren Handwerksbetriebe in allen rechtlichen Angelegenheiten. Über viele Jahre vertrat er die Deutsche Telekom im Arbeitsrecht. Becker ist Partner der renommierten überörtlichen Sozietät Eimer Heuschmid Mehle.