Betriebsversicherung Ärger im Schadensfall vermeiden

Handwerker sind mit ihrem Versicherer oft unzufrieden, wenn es im Schadensfall nicht rund läuft. Welche Strategien die Assekuranzen anwenden und wie Handwerker ihnen Paroli bieten.

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    Georg Bräuchle, Geschäftsführer beim Versicherungsmakler Marsh, Frankfurt
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    Theo Sieven, unabhängiger Versicherungsberater in Aachen, prüft Schadensfälle und wickelt für Firmen und Privatpersonen ab: »Verschiedene Angaben bei Polizei und Versicherung können schon zu Problemen bei der Schadensregulierung führen.«

Jeder Handwerksbetrieb kann Ärger mit seiner Versicherung im Schadensfall vermeiden. Wer unter Schock über Brand oder Einbruchdiebstahl steht, sollte sich nicht sofort an seinen Versicherer wenden, sondern Experten für die Regulierung des Schadens zu Rate ziehen. Wichtig sei, „eine rechtskonforme Meldung und die richtige Beweissicherung“, stellt Sören Behrens, unabhängiger Versicherungsberater aus Hayn im Südharz, klar.

Die Zufriedenheit mit der Schadenregulierung unter Gewerbetreibenden war in den vergangenen Jahren überraschend hoch. Während 2008 in einer Umfrage des Kölner Marktforschungsinstituts YouGov nur 52 Prozent der Firmen die Regulierung von Schäden als „ausgezeichnet“ oder „sehr gut“ bezeichneten, lag dieser Wert 2016 bei 63 Prozent. Rund 30 Prozent fanden die Abwicklung von Schäden nur noch „gut“ und sechs Prozent sogar „mittelmäßig“ oder „schlecht“. Die Einschätzung schwankt zudem, wenn Betriebe nach ihrer Erfahrung in einzelnen Versicherungssparten gefragt werden. Hier schneiden beispielsweise die Transport-, Betriebshaftpflicht- und Maschinen-Versicherung deutlich schlechter ab als der Durchschnitt (siehe Grafik rechts).

Ansprüche werden nicht erfüllt

Doch Kundenbefragungen zur Schadensregulierung sind nicht unproblematisch. So muss die schnelle Abwicklung eines Schadens nicht bedeuten, dass der Versicherer tatsächlich alle Ansprüche erfüllte. „Wir stellen immer wieder fest, dass bei kleineren Unternehmen die Versicherer durch den Sachverständigen die Regulierung von Anfang an in eine ungünstige Richtung treiben“, warnt Georg Bräuchle, Geschäftsführer und Chief Market Officer beim renommierten Versicherungsmakler Marsh in Frankfurt. Der Kunde werde nicht objektiv über alle seine Ansprüche aufgeklärt. „Es geht dabei nicht um eine direkte Verweigerung der Leistungen, sondern eher um eine einseitige Ermittlung“, so Bräuchle, der derzeit auch als Präsident des Verbandes Deutscher Versicherungsmakler (VDVM) amtiert. Tatsächlich sieht die Situation anders aus, wenn statt Firmen Versicherungsexperten die Schadensregulierung beurteilen. So gaben 22 Prozent der Versicherungsmakler, die Marketing-Research-Team-Kieseler (MRTK) Ende 2015 befragte, an, dass sie mit der Schadensregulierung für Gewerbekunden „nicht zufrieden“ sind.

Kleine Fehler kosten Leistung

Teilweise bedienen sich die Assekuranzen gewisser Strategien, um den Schaden zu regulieren, aber gleichzeitig selbst zu profitieren. So werden in der Kfz-Versicherung immer wieder durch sogenannte Rechnungsprüfer kleinere Kostenpositionen als überflüssig oder fehlerhaft herausgekürzt. Dabei geht es um Verbringungskosten, Beilackierungen, Ersatzteile, Probefahrten oder den Vorwurf, vor dem Verkauf des Autos nicht auf das Restwertangebot des Versicherers gewartet zu haben. Auf dem Schadenkongress 2017 der Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des Deutschen Anwaltverein (DAV) listete Rechtsanwalt Joachim Otting aus Hünxe über 50 aktuelle Urteile auf, bei denen Versicherer zu Nachzahlung verdonnert wurden.

Kleine Fehler bei der Schadensregulierung können zudem den gesamten Versicherungsschutz kosten. Sehr gefährlich ist es, wenn der Handwerker dem Versicherer Kostenbelege zusendet, die Positionen enthalten, die mit dem Schaden gar nichts zu tun haben. Beispielsweise, wenn neben dem notwendigen Bauschaum auch noch Motoröl gekauft wurde. „Solche Positionen müssen gestrichen werden“, rät Versicherungsberater Behrens. „Sonst besteht das Risiko, dass der Versicherer die Rechnung als Bereicherungsversuch und als arglistige Täuschung interpretiert und seine Leistung komplett verweigert.“

Nach Feststellung der Branche ist nämlich jeder zehnte Versicherungsfall manipuliert. Laut dem Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) entsteht so jährlich ein zusätzlicher Schaden von vier Milliarden Euro. Schon bei Unstimmigkeiten können Versicherte schnell als Betrüger abgestempelt werden. Dann leisten die Versicherer nicht. „Schon bei Abweichungen zwischen den Angaben bei der Polizei und der Versicherung kann es Probleme geben“, warnt der Versicherungsberater Theo Sieven aus Aachen.

Sofort Experten einschalten

Daher rät er, sofort bei der Anzeige eine umfassende Liste bei der Polizei einzureichen und als Kopie an den Versicherer zu senden. Ärger mit der Beweislast gab es auch in einem Verfahren vor dem Oberlandesgericht Celle. Hier konnte der Kunde nicht den Gegenbeweis antreten, dass der beschädigte Gegenstand frei von Vorschäden gewesen war. Daher durfte der Versicherer seinen Schadenersatz mindern (Az.: 8 U 94/16).

„Kleineren Handwerksbetrieben wird bei einem Schaden oft vorgeworfen, unterversichert zu sein“, hat Volker Premm vom Versicherungsmakler Securat aus Ratingen bei Düsseldorf festgestellt. Diesen Vorwurf auszumerzen oder zumindest abzumildern sei durchaus möglich. Dafür wird beispielsweise die Ermittlung der Summe durch den Versicherer unter die Lupe genommen. „Handwerker als Laien tun sich hier aber schwer“, so Premm. Auch der Vorwurf der Verletzung von vertraglichen Obliegenheiten, also der Pflichten des Versicherten, ist eine beliebte Spielwiese der Assekuranzen. „Daher muss man Handwerker schnell für entsprechende Fragen sensibilisieren“, sagt Reinold König, unabhängiger Versicherungsberater aus Korbach.

„Schon eine einfache Frage des Versicherers kann trügerisch sein“, erläutert Christian von Göler, Mitglied der Geschäftsführung des Versicherungsmaklers Best-Gruppe aus Düsseldorf. So ermitteln die Versicherer beispielsweise, wann ein Gegenstand dem Handwerker überlassen wurde. Wurde etwa ein Rohr als Werkstoff überlassen, ist der Tätigkeitsschaden in guten Bedingungen des Vertrags versichert. Wurde das Rohr aber zur Bearbeitung überlassen, gibt es keinen Schutz, weil es sich um einen Erfüllungsschaden aus dem Risiko des Unternehmers handelt.

Gute Konditionen schützen

Neben einer fundierten Schadenmeldung sind somit hochwertige Versicherungskonditionen in den Verträgen das A und O einer erfolgreichen Schadensregulierung. So darf in der Betriebshaftpflichtversicherung für Handwerker eine Repräsentantenklausel nicht fehlen. Ist nur der Handwerksmeister Repräsentant, muss der Versicherer beispielsweise einen Brand auch dann zahlen, wenn sich herausstellt, dass die fahrlässige Entfernung einer Sicherung an einer Maschine durch einen Mitarbeiter ursächlich für den Schaden war.

Die Klausel ist bei großen Firmen üblich – bei Handwerksbetrieben aber auch möglich. „Sie kann den Unterschied zwischen einer Millionenentschädigung oder dem Konkurs ausmachen“, stellt Experte Behrens klar. Unzureichender Versicherungsschutz kann zudem im Laufe der Zeit entstehen. Beispielsweise, wenn Betriebe lukrative Aufträge annehmen und damit ihr Geschäftsmodell erweitern. „Im Schadensfall passt dann der Versicherungsschutz nicht, weil das Baunebengewerbe zwar versichert ist, aber keine Dachdecker- oder Installationsarbeiten“, so von Göler.

Rechtsberatung liegt beim Experten

Zudem haben Handwerker als traditionell in der Region verwurzelte Unternehmen immer noch das Problem, dass sie überwiegend ihren Versicherungsschutz beim Versicherungsvertreter einkaufen. Im Schadensfall darf ein Versicherungsvertreter aber nicht die Partei seines Kunden ergreifen. Er ist ausschließlich an Weisungen seiner Assekuranz gebunden. Das ist anders bei Versicherungsmaklern, wie eine aktuelle Entscheidung des Bundesgerichtshofs unterstreicht. Danach sind Versicherungsmakler berechtigt, die rechtlichen Interessen ihres Versicherungsnehmers gegenüber dem Versicherer beraten zu dürfen (BGH; Az.: I ZR 107/14).

„Zudem darf der Versicherungsmakler Tipps geben, wie nach einer Ablehnung der Schadensregulierung sein Kunde weitere rechtliche Schritte einleitet“, sagt der Vertriebsjurist Stephan Michaelis aus Hamburg. Infrage kommt etwa die Prozesskostenhilfe oder eine Prozesskostenfinanzierung, wenn der Kunde für den Schadensfall keine Rechtsschutzversicherung abgeschlossen hat. Der Versicherungsmakler darf seinem Kunden auch einen fachkundigen Anwalt empfehlen.

Umfassende Rechtsberatungskompetenz haben grundsätzlich unabhängige Versicherungsberater, die nur gegen Honorar tätig werden. Sie genießen eine Sonderstellung. Weil sie keine Vermittlungsprovision vom Versicherer einnehmen dürfen, sind sie unabhängig und können auch im Schadensfall beauftragt werden. Das Zeitfenster ist aber klein. Denn ein Versicherungsschaden muss unverzüglich gemeldet werden – also innerhalb von zwei Arbeitstagen.

»Druck über den Experten ist der beste Hebel«

Wichtige Tipps zur Schadensregulierung von Georg Bräuchle, Präsident des Verbandes Deutscher Versicherungsmakler (VDVM).

Was sollten Betriebe im Schadensfall beachten?

Georg Bräuchle: Unternehmen müssen in den ersten Stunden nach einem Schaden die richtigen Entscheidungen treffen und sich selbst um Experten bemühen. Gibt es keinen Versicherungsmakler, kann extra für die Regulierung noch einer eingeschaltet werden. Ist ein Makler schon an Bord, sollte kein einziger Schritt ohne ihn unternommen werden.

Wird die Regulierung, wenn der Schaden festgestellt wurde, beim Versicherer verzögert?

Bräuchle: Das ist immer noch ein großes Thema bei Betriebsunterbrechungsschäden – also wenn der Betrieb eine Zeit stillsteht. Dann muss der Kunde seinen Gewinnausfall nachweisen, und das ist kompliziert. Manche Versicherer treiben dann die Kundenpflicht auf die Spitze.

Hilft eine Beschwerde des gewerblichen Kunden beim Versicherungsvorstand oder die Drohung mit Kündigung und Klage?

Bräuchle: Nichts davon ist sinnvoll. Der Vorstand fragt seinen Schadenchef und der den Sachbearbeiter. Da gibt es meist kaum Bewegung. Eine Kündigung hilft dem Kunden für den aktuellen Schaden nichts mehr. Und wer mit Klage droht, muss damit rechnen, dass der Versicherer das bis zum Bundesgerichtshof aussitzt. Dann kann der Unternehmer schon pleite sein. Der beste Hebel ist immer noch der Druck durch den Versicherungsmakler.

Muss man sich also auf einen Vergleich einlassen?

Bräuchle: Der Unternehmer möchte, dass der Schaden schnell und zügig abgewickelt wird. Da ist eine kleine Faust in der Tasche manchmal sinnvoller, als auf Biegen und Brechen zu 100 Prozent Recht zu bekommen. Notfalls muss man aber einen eigenen Sachverständigen hinzuziehen – auch wenn man dann unter Umständen dessen Kosten zahlen muss. Bei guten Versicherungsbedingungen zahlt der Versicherer diesen Gutachter mit.