Interview Auto »Elektrisch fahren lohnt sich für Handwerker«

Florian Gaertner, Geschäftsführer des Start-ups emovum GmbH in Hamburg, baut Elektrotransporter. Handwerksbetriebe zählen zu seinen wichtigen Kunden.

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    Florian Gaertner, Geschäftsführer der emovum GmbH, und Sina-Franziska Kozielski, Leiterin Business Development bei emovum, im Gespräch mit handwerk magazin: »Drohende Fahrverbote in den Städten sind für uns natürlich bestes Marketing.«
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    Florian Gaertner entwickelt in seinem Unternehmen emovum auch Ladeinfrastruktur: »Schnellladen in einer Viertelstunde ist technisch kein Problem.«

Hamburg Rahlstedt, im Gewerbegebiet steht der Gebäudekomplex der Wulf Gaertner Autoparts AG. Das Unternehmen hat weltweit rund 1.000 Mitarbeiter und gehört mit der Herstellung und dem Vertrieb von Autoersatzteilen zu den weltweit erfolgreichsten Unternehmen in diesem Segment. Die Firma emovum ist eine 100-prozentige Tochter. Geschäftsführer Florian ­Gaertner empfängt uns in den Geschäftsräumen auf dem Dach des Firmengebäudes. emovum baut mit 20 Mitarbeitern Fiat-Ducato-Transporter mit Dieselmotor zu Elektrofahrzeugen um. Die Nachfrage ist groß – auch aus dem Handwerk.

Wann glauben Sie werden auf unseren Straßen mehr Elektroautos fahren als Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor?

Florian Gaertner: Ich schätze, so 2035 wird es mehr Elektroautos geben als Verbrenner. Die Autoindustrie hat ja jetzt angekündigt, dass sie spätestens 2020 auch verstärkt mit Elektrotransportern auf die Straße kommen möchte.

emovum baut Fahrzeuge auch für Handwerker. Welche Verbindung hat Ihr Unternehmen mit dem Handwerk?

Handwerker sind ideale E-Auto-Kunden, denn sie fahren meist weniger als 200 Kilometer am Tag. Dazu kommt, dass es immer mehr Betriebe gibt, zum Beispiel im Bäckerhandwerk, die ihr ökologisches Image auch über ein Elektrofahrzeug im Fuhrpark transportieren wollen.

emovum baut Fiat Ducatos zum Elektrotransporter um. Es kommt also ein Serienfahrzeug mit Dieselmotor in Ihre Werkstatt, und Sie bauen dann einen Elektromotor und diverse Komponenten ein. Ganz ehrlich, lohnt sich so ein Aufwand?

Die Vorgehensweise hat mehrere Gründe.Wir wollen zum Beispiel nicht die ganze Karosserie selbst fertigen, was nötig wäre, wenn wir ein eigenes Fahrzeug produzieren würden. Dann bauen wir ja nicht nur Neufahrzeuge um, sondern auch Gebrauchttransporter. Da gibt es gar keine andere Möglichkeit, als den Verbrennungsmotor auszubauen.

Was machen Sie mit den ausgebauten Motoren?

Verkaufen, da gibt es zum Beispiel auch die Möglichkeit, die Motoren zum Blockheizkraftwerk umzufunktionieren.

Wie ist die Nachfrage, wie viel Fahrzeuge haben Sie schon verkauft?

Elektrotransporter in einer mittleren zweistelligen Zahl haben wir schon verkauft, unser Basismodell kostet rund 69.000 Euro. Wir verhandeln gerade mit Interessenten aus dem Ausland, bei denen es in diesem Jahr um 80 Fahrzeuge geht. Wir bekommen viele Anfragen aus dem Handwerk, aber auch von Umrüstern, die Sonderbauten fertigen, da geht es um Stückzahlen um die 20.000.

Was machen Sie, wenn Fiat mit einem eigenen E-Transporter kommt?

Unsere Nische werden dann individuelle Umbauten sein, was wir jetzt auch schon machen, denn Fiat wird vermutlich nur einen Standard-Kastenwagen anbieten, aber wir sind flexibler.

Warum bieten die Automobilhersteller selbst kaum Elektrotransporter an?

Eigentlich wäre es das Naheliegendste gewesen, E-Transporter zu bauen, denn die sind im Nahverkehr unterwegs. Aber die Automobilindustrie hat kein wirkliches Interesse, sie haben lange Jahre erfolgreich Autos mit Verbrennungsmotoren verkauft. Warum soll man das alles ändern? Zudem ist an Elektrofahrzeugen im After-sales-Geschäft nicht so viel zu verdienen, denn es fällt kein hoher Wartungsaufwand an. Das macht es für die Hersteller unattraktiv.

Kann ein Handwerksbetrieb Elektromobilität heute wirtschaftlich nutzen?

Mithilfe regionaler und bundesweiter Förderprogramme hat ein Handwerker bei der Anschaffung eines Elektroautos keine wesentlich höheren Kosten als bei einem Diesel oder Benziner. Und wenn ein Handwerksbetrieb ziemlich genau weiß, wieviel Kilometer er mit dem Transporter unterwegs ist, kann er den Akku entsprechend auswählen und damit auch Geld sparen. Oder er rüstet einfach ein Fahrzeug aus seinem Fuhrpark um, das ist auch preiswerter als eine Neuanschaffung. Wenn er selbst Solarstrom produziert, ist es noch attraktiver.

Also lohnt sich für Handwerker elektrisch fahren schon heute?

Auf jeden Fall. Zum Beispiel gibt es in Hamburg Förderprojekte für Wirtschaftsflotten und kommunale Flotten, bei denen es einen Zuschuss von 40 Prozent auf die Investitionsmehrkosten für ein Elektrofahrzeug gibt. Auch andere Länder bieten attraktive Förderungen an.

Werden die geplanten Fahrverbote der Elektromobilität einen Schub geben?

Mit Sicherheit, allerdings kann ich mir nicht vorstellen, dass es sehr schnell zu Fahrverboten in Städten kommen wird. Allein der Lieferverkehr fährt doch zu fast 100 Prozent mit Dieseltransportern. Ich fände es natürlich gut, schließlich haben immer mehr Städte eklatante Probleme, und die Bürger wollen sich das auch immer weniger gefallen lassen. Aber bisher war die Autolobby immer noch stark genug, so etwas zu verhindern.

Wo liegt der Trend bei Ladestationen?

Eindeutig beim Schnellladen. 80 Prozent in einer Viertelstunde sind technisch heute schon kein Problem mehr. Natürlich brauchen wir mehr Ladestationen, deshalb ist es gut, dass die Bundesregierung das jetzt stärker fördert. Wir bauen mit und bieten dieses Jahr eine selbst entwickelte Schnellladestation an, die auch gefördert wird

Vita Florian Gaertner

Nach dem Studium der Betriebswirtschaftslehre im In- und Ausland mit dem Schwerpunkt Business Development arbeitete Florian Gaertner zunächst für NGOs und leistete Stiftungsarbeit. Neben seiner Greentech-Expertise bringt Gaertner Automotive-Erfahrung aus der Wulf Gaertner Autoparts AG mit. In der 2015 neu gegründeten emovum GmbH wurde er zum kaufmännischen Geschäftsführer berufen. Florian Gaertner ist ein Nachkomme des Firmengründers von Wulf Gaertner Autoparts.