Simultan pfänden

Zugriff | Wer einen „vollstreckbaren Titel“, also etwa ein Gerichts-urteil, in der Hand hat, sollte in alle möglichen Richtungen mit der Pfändung starten. Das geht auch im EU-Ausland.

Simultan pfänden

Verschleierungstaktik ist das Wich-tigste, was Schuldner dazu treibt, ihr verwertbares Vermögen zu verstecken. Da wird Geld bar kassiert, Schmuck gebunkert, das flotte Auto schnell noch der Ehefrau überschrieben. „Der Fantasie sind hier kaum Grenzen gesetzt“, weiß Peter David aus seiner Zeit als Richter am Oberlandesgericht München und als einer der erfolgreichsten Buchautoren zum Thema Außenstände in Deutschland (www.haufe.de).

Dem begegnen der clevere Handwerksunternehmer und sein Rechtsexperte am besten mit noch größerer Fantasie, mit der Zwangsvollstreckung in Forderungen etwa, die der erstaunte Schuldner nie für möglich gehalten hätte. Und mit der vollen Breitseite aller Möglichkeiten gleichzeitig. „Mehrspurig vorgehen“, nennt das Peter David. „Simultanvollstreckung“, sagt Jürgen Köhn, Forderungsspezialist in der Bonner Anwaltskanzlei Peter Wassermeyer, dazu.

Dabei hilft beispielsweise die Pfändung des Guthabens auf dem Bankkonto des säumigen Kunden. Betrifft das allerdings das laufende Arbeitseinkommen oder sonstige laufende Einkünfte, die er dringend zum Lebensunterhalt braucht, kann das Vollstreckungsgericht auf seinen Antrag hin die Pfändung aufheben. Ihm soll der nicht pfändbare Basisfreibetrag verbleiben.

Altersvorsorge geschützt

Ähnlich geschützt wird auch die Altersvorsorge Selbständiger. Meistens läuft sie über Lebensversicherungen auf Rentenbasis oder private Rentenversicherungen. Wo bisher Gläubiger schrankenlos zugreifen konnten, gibt es jetzt den zweifachen Pfändungsschutz: In der Ansparphase bleiben die Beiträge unangetastet, die der Unternehmer unwiderruflich eingezahlt hat. Die genaue Höhe der Pfändungsfreiheit ist begrenzt und vom Lebensalter abhängig. Später sind die Rentenzahlungen aus der Altersvorsorge freigestellt, soweit sie (zusammen mit anderen Einkünften) den Pfändungsfreibetrag nicht übersteigen. Damit sind Arbeitnehmer und Selbständige gleichgestellt. Während die Kontenpfändung zugunsten der Schuldner leicht entschärft wurde, zieht der Trick mit dem Steuerklassenwechsel seit dem Beschluss VII ZB 26/05 des Bundesgerichtshofs nicht mehr: Beantragt der verheiratete Schuldner beim Finanzamt den Wechsel von Steuerklasse III zur Steuerklasse V, um dadurch monatlich weniger netto überwiesen zu bekommen, kann das der Gläubiger getrost ignorieren. Er vollstreckt einfach auf Grundlage des Nettolohns nach Steuerklasse IV, nachdem er durch das Vollstreckungsgericht hat anordnen lassen, dass der Arbeitgeber bei der Berechnung des pfändbaren Lohns die Steuerklasse IV zugrunde zu legen hat. „Dazu muss er beim Steuerklassenwechsel vor der Pfändung lediglich belegen, dass dieser stattfand, um den Gläubiger zu benachteiligen“, erklärt hm-Experte David. „Nach der Pfändung genügt der Wechsel alleine, die Absicht wird unterstellt.“

Tritt der säumige Kunde schließlich die Flucht ins EU-Ausland an, nützt ihm das nichts. Hier kann mit dem Europäischen Vollstreckungstitel gegen ihn vorgegangen werden. Dieser wird gleich mit der Klage oder separat beim Gericht beantragt. Eingetrieben werden können unbestrittene Forderungen (auch Unterhalt), die sich aus einem Anerkenntnis- oder Versäumnisurteil, aus einem Prozessvergleich oder aus einer notariellen Urkunde ergeben (Schuldanerkenntnis). Der EU-Titel kostet 15 Euro. Meint der aufgeschreckte Schuldner, nach ausländischem Recht dagegen vorgehen zu können, irrt er sich. Denn es gilt das Recht des Antragsstaates, in unserem Fall also das deutsche. Mehr dazu auf der nächsten Seite.

Lange Pfändungsliste

Generell vollstreckt werden kann zum Beispiel in Forderungen des Schuldners. Gepfändet werden können Depots, Konten, künftige Bezüge oder laufende Einnahmen des säumigen Kunden, die er nicht einfach abzweigen oder schnell verbrauchen kann, bevor der Gläubiger vollstreckt. So ist die Pfändung wie bereits erwähnt etwa möglich in Lohn,
Gehalt, Renten und Pensionen; Miet-
und Pachteinnahmen; Mietkautionen; Pflichtteilsansprüche; Soldatenbezüge; Bauhandwerkerforderungen; Honorare, Nebenjobbezüge; Bankkonten, Wertpapierdepots; abgerufene Bankkredite; Brief- und Buchhypotheken; Steuererstattungsansprüche; Gesellschaftsanteile; Lebensversicherungsansprüche. Beim Lohn und Gehalt und bei der Rente wird der Schuldner schon aus Ärger über diesen ungeahnten Zugriff oder etwa wegen seines Ansehens beim Arbeitgeber möglichst zügig seine Schulden begleichen. Besonders effizient ist die Kombination Lohnpfändung und Pfändung künftiger Rentenansprüche. Flankierend wird beim Vollstreckungsgericht beantragt, dass der Arbeitgeber des Schuldners von jeder Lohn-abrechnung eine Kopie zuschicken muss.

Der bekannteste, aber oft wenig ergiebige Weg der Zwangsvollstreckung ist die Sachpfändung. Hier kann der Gerichtsvollzieher pfändbare Gegenstände im Betrieb eines Kunden oder in dessen Privatwohnung mit dem Pfandsiegel versehen, abholen, versteigern oder freihändig verkaufen.

Ist der Schuldner Eigentümer einer Immobilie, kommt die Zwangshypothek in Betracht. Diese macht auch Sinn, wenn das Objekt belastet ist. Denn irgendwann will etwa die Bank die
Immobilie verwerten und braucht dann eine Löschungsbewilligung aller Gläubiger im Grundbuch, weil Kaufinteressenten die Immobilie lastenfrei erwerben möchten. Die bekommt sie nur, wenn sie die offenen Schulden des Eigentümers überwiegend bezahlt. -

harald.klein@handwerk-magazin.de