Zündende Ideen

Technologiepartner | Viele Handwerker sind erfinderisch. Wenn sie mit Universitäten oder Forschungseinrichtungen zusammenarbeiten, kommen dabei großartige Produkte heraus.

Zündende Ideen

Gelegenheiten muss man nutzen. Als Heinrich Arnskötter bei seiner Sparkasse einen Vortrag über ein innovatives, noch nicht realisiertes Lagersystem hörte, bot er dem Redner anschließend seine Dienste an. Tatsächlich wollte Professor Roland Günther von der Fachhochschule (FH) Münster gerne mit einem Partner einen Prototyp seiner Erfindung „Top Lagersystem“ bauen. „Das Konzept überzeugte mich auf Anhieb, weil auch ich in meinem Betrieb mit der wirtschaftlichen Lagerung von langen Stangen und anderen sperrigen Gegenständen zu kämpfen hatte“, erinnert sich der Inhaber der Arnskötter GmbH im westfälischen Greven, an den Beginn des gemeinsamen Projekts.

Fördertechnik-Experte Günther und Maschinenbaumeister Arnskötter haben ein Platz sparendes, mobiles Lagersystem realisiert, das problemlos in flache Hallen passt. Es besteht aus Flächen, die mit Laufrollen vorwärts- und rückwärts bewegt werden können. Auf diesen Traversen genannt Flächen sind Ladewannen für die eingelagerten Gegenstände angebracht. Mit einem Laufkran, der an der Decke oder auf einem Gerüst montiert ist, lässt sich die gewünschte Ladeeinheit holen. Vertikale Fahrbewegungen auf den Laufrollen sorgen dafür, dass die Ladeeinheiten von oben frei zugänglich sind.

+1 ZEILE

Für Professor Günther bietet das „Top Lagersystem“ viele Vorteile: „Mit dieser Regallösung können Fässer, Behälter und andere nicht stapelbare Gegenstände eingelagert werden.“ Außerdem würden Platz, Zeit und Kosten gespart. Im Gegensatz zu herkömmlichen Regalsystemen sind nämlich keine Zwischengänge erforderlich und teure Flurförderfahrzeuge überflüssig. Per Kran können Lkws innerhalb weniger Minuten beladen werden.

Weil Heinrich Arnskötter ohnehin eine neue Produktionshalle bauen wollte, gab es genug Platz für den Prototyp. Dessen Entwicklung zog sich vier Jahre hin, weil den Mitarbeitern erst dann Zeit für die Innovation blieb, wenn das Tagesgeschäft erledigt war. Außerdem mussten weitere Partner ins Boot geholt werden „Als klassische Feinmechanikhandwerker konnten wir nicht alle Komponenten fertigen“, erklärt Arnskötter. Beim Elektrofachbetrieb Waesta Anlagentechnik GmbH in Stadtlohn entwickelten Ewald Damer und Hermann Ewering Schaltanlagen und CNC-Lösungen für die Steuerung von Ladekran und -einheiten. Bei der Günter Wensing GmbH in Stadtlohn stellte Maschinenbauer Günther Wensing unter anderem die Traversen her, die aus Sicherheitsgründen der TÜV abnehmen musste. Von Arnskötter kamen Regalsystem und Ladewannen. „Wir haben die Antriebskomponenten mehrfach überarbeitet, damit ein reibungsloser Transport auf den Laufrollen gewährleistet ist, und Statik sowie Stabilität des Lagersystems in unzähligen Versuchen getestet“, blickt Heinrich Arnskötter zurück. Das kostete viel Zeit, hat sich aber gelohnt: die 6,3 Meter langen Wannen aus drei Millimeter dickem Stahlblech können fast jedes gängige Ladegut mit bis zu 2,5 Tonnen Ladegewicht aufnehmen. „Diesen hohen Wert erreichten wir mit speziellen Kantungen und Verstrebungen“, erläutert Arnskötter.

Mittlerweile wurde das „Top Lagersystem“ durch ein Patent geschützt. Dieses Jahr sollen mindestens drei Anlagen verkauft werden. Bei einem angestrebten Verkaufspreis von 150.000 Euro wären dann die Entwicklungskosten von 325.000 Euro komplett refinanziert.

Egal, ob der Kontakt über einen Experten der Kammer, einen freien Technologieberater oder eine persönliche Bekanntschaft läuft – wer als Handwerksunternehmer mit Universitäten, Fachhochschulen oder Forschungsgesellschaften zusammenarbeitet, profitiert vom damit verbundenen Technologietransferzentren. Wichtig ist vor allem, dass der Firmenchef seine Berührungsangst überwindet und mit den Wissenschaftlern zusammenarbeitet. Die sind nämlich inzwischen immer mehr an einer Kooperation auch mit kleinen Unternehmen interessiert, um Forschungsergebnisse in marktfähige Produkte münden zu lassen. Selbst die traditionsreiche Max-Planck-Gesellschaft (MPG) ist längst nicht mehr ausschließlich in der Grundlagenforschung tätig. Ihre Tochtergesellschaft Garching Innovation GmbH in München sucht Unternehmenspartner für Erfindungen und Entwicklungen der 78 MP-Institute.

Mit dem Handwerk hatten die Oberbayern bisher zwar wenig zu tun - aber was nicht ist, kann noch werden, bei einem breit gefächerten Themenspektrum von Biotechnologie über Softwarelösungen bis zu Sensoren und Bauelementen. „Wir haben keine Schwerpunkttechnologie“, betont GI-Marktanalyst Dieter Treichel. GI sieht sich vor allem als Dienstleister für Erfinder. Jedes Jahr werden dem Unternehmen zwischen 120 und 140 Erfindungen gemeldet, von denen 80 bis 100 ein Patent erhalten. GI informiert die Max-Planck-Institute über diese Innovationen und vermittelt Wissenschaftler für die Weiterentwicklung. Außerdem unterstützen die Bayern den Anmeldeprozess, indem sie Patentanwälte engagieren, einen Zeitplan erstellen - eine Patenterteilung kann bis zu vier Jahre dauern - und Tipps für Veröffentlichungen geben. Ein weiteres Betätigungsfeld ist die Vermittlung von Lizenznehmern und die Überwachung von Lizenzverträgen.

Zur ersten Adresse für Mittelständler wird immer mehr das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Köln, das sich entgegen landläufiger Meinung nicht ausschließlich mit Aerotechnik beschäftigt. Weil Luft- und Raumfahrt eine Querschnittstechnologie ist, kann sie auch irdische Herausforderungen lösen und zur Entwicklung marktfähiger Produkte beitragen. So haben die 5100 DLR-Mitarbeiter in 31 Instituten und sonstigen Einrichtungen schon neue Antriebstechnik für Pkw marktreif gemacht und viel im Bereich Werkstofftechnik getan.
„Wir arbeiten am liebsten mit kleineren Unternehmen zusammen“, betont Dietmar Heyland, Leiter Technologiemarketing, denn mancher Konzern stört sich offenbar am DLR-Konzept. Im Gegensatz zu anderen Forschungsinstituten entwickeln die Kölner in Eigenregie Produkte bis kurz vor der Serienreife. Weil sie mit Steuergeldern finanziert werden, dürfen sie laut Satzung nicht selbst in den Markt gehen. Deshalb vergeben sie Lizenzen an Unternehmen, das Patent bleibt beim DLR. „Wir fertigen den Prototyp, der Partner sorgt mit Feldversuchen für die Serienreife“, bringt Heyland das Konzept auf den Punkt. In jedem Fall werden Lizenzgebühren fällig: 2005 nahm die DLR mit rund 100 Entwicklungen zwölf Millionen Euro ein, macht im Schnitt 120000 Euro pro Unternehmen. Für Start-ups und regionale Anbieter ist da kaum Platz, etablierte Handwerksbetriebe in Nischen oder mit guten nationalen sowie internationalen Kontakten haben aber gute Chancen auf eine Zusammenarbeit.

Öffentliche Förderung

Relativ hohe Anforderungen stellt die Fraunhofer-Gesellschaft in München. Die laut eigenen Angaben „größte Organisation für angewandte Forschung in Europa“ konzentriert sich auf Auftragsarbeiten für Wirtschaft und öffentliche Hand. Das kostet mindestens eine fünfstellige Euro-Summe, deshalb benötigen kleinere Betriebe für ein Fraunhofer-Projekt meistens öffentliche Förderung. 12500 Mitarbeiter in 58 Fraunhofer-Instituten decken das ganze Technologiespektrum ab, von der Bildverarbeitung über Hochleistungskeramik bis zur Oberflächentechnik. An Forschungsgebieten für innovative Handwerker herrscht kein Mangel. Beim Institut für Fertigungstechnik und Angewandte Materialforschung in Bremen, einer Hochburg für Klebtechnik, besuchen jährlich einige hundert Handwerker einwöchige Fachseminare. „Das Spektrum reicht von Metallverarbeitern über Bootsbauer bis zu Elektrounternehmen“, sagt Weiterbildungsreferent Volker Borst. Und Michael Heil, ein Maler aus Landstuhl bei Kaiserslautern, konnte sein 2004 ebenfalls Seifriz-prämiertes Farbsprühsystem Nespri nur mit Hilfe des Instituts für Produktionstechnik und Automatisierung realisieren. Die Wissenschaftler übernahmen die komplizierten Berechnungen zur richtigen Farbmischung und exakten Auslegung der Sprühvorrichtung.

Flächendeckende Präsenz

Im Vergleich zur Fraunhofer Gesellschaft mit 1,3 Milliarden Euro Jahresumsatz ist die Steinbeis Stiftung klein. Knapp 90 Millionen Euro verdienen die Schwaben. Aber sie sind flächendeckend präsent: über 700 Steinbeis-Zentren, die von Wissenschaftlern als eigenständige Unternehmen geführt werden, gibt es mittlerweile in Deutschland und angrenzenden Ländern - von Aachen (Geometrieverarbeitung) bis Zürich (Elektromagnetische Verträglichkeit). Die meisten sind auf Medizintechnik, Elektronik, Mikrosystemtechnik, Informationstechnik und Produktionstechnik spezialisiert. Viele Handwerksunternehmer konnten bereits mit Steinbeis-Unterstützung ihre Projekte verwirklichen, denn die Schwaben sehen sich als Topadresse für den Mittelstand. „Wir investieren in konkrete Produkte“, betont August Musch, Leiter der Steinbeis-Beratung. „Außerdem beraten wir ganzheitlich entlang der Wertschöpfungskette.“ Das schließt Marktprognosen und Finanzierung mit ein. Steinbeis-Experten zeigen auf, welche wirtschaftlichen Chancen die avisierten Projekte haben, und handeln mit Sparkassen oder Banken Kreditkonditionen aus.

Intensive Weiterbildung

Als Regionaldienstleister sieht sich BayTech, Technologietransfer-Ableger der Bayern Innovativ GmbH in Nürnberg. 200 Projekte pro Jahr werden mit Hilfe von 33 Fachhochschulen und anderen Instituten in Bayern, Sachsen und Baden-Württemberg realisiert. Unter anderem profitierten glas- und metallverarbeitende Betriebe vom Service der Nürnberger. Im Gegensatz zu Fraunhofer & Co. greift Baytech nicht auf hauseigene Wissenschaftler zurück. Aus dieser Schwäche machen die Bayern eine Stärke und investieren in Weiterbildung. 2005 veranstalteten sie mit Fachhochschulen 83 Seminare mit 900 Besuchern und boten sechs Masterstudiengänge an. Vielleicht hatte da mancher Besucher die Idee zu einem Technologietransferprojekt, von dem man noch hören wird.

Stefan Bottler

frank.wiercks@handwerk-magazin.de