Lebensarbeitszeit: Tipps vom Experten

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Arbeitszeit und Arbeitszeitmodelle

Harald Röder hilft kleinen und mittelständischen Unternehmen beim Einrichten von Lebensarbeitszeitkonten. Im Interview erklärt der Fachbuch-Autor und Geschäftsführer der Deutschen Beratungsgesellschaft für Zeitwertkonten (DBZWK), warum sich ein solcher Schritt für Unternehmen lohnt.

handwerk magazin: Lebensarbeitszeitkonto - das klingt, als könnte man Zeit wirklich auf die hohe Kante legen?

Harald Röder: Genau das ist die Idee: Während man jung und leistungsfähig ist, arbeitet man vor für später, um die so gewonnene Zeit dann anders nutzen zu können. Zum Beispiel für einen vorgezogenen Ruhestand, für eine längere Auszeit, für einen beruflichen Umstieg oder die Pflege von Familienangehörigen.

Und die angesparte Zeit wirft bis dahin zusätzliche Rendite ab?

Die Zeit wird in Geldwerte umgerechnet und langfristig angelegt. Der Gewinn liegt aber nicht nur im Zinsertrag. Weil die Beträge vom Bruttolohn abgeführt werden, sinkt auch die Steuerlast des Arbeitnehmers. Gerade bei Sonderzahlungen oder vielen Überstunden, bei denen sonst das Finanzamt besonders kräftig zulangt, macht sich das ausgesprochen positiv bemerkbar. Steuern müssen, wie auch Sozialbeiträge, erst später bei Inanspruchnahme der Ersparnisse gezahlt werden. Bis dahin können sie sich kräftig mit vermehren.


Sind nicht auch Verluste möglich?

Der Staat hat diesbezüglich einige Sicherheiten eingezogen. So dürfen maximal 20 Prozent eines Lebensarbeitszeitkontos in Aktien oder Aktienfonds angelegt werden. Zum anderen muss Arbeitnehmern die Rückzahlung der eingezahlten Beträge garantiert werden.

Wer übernimmt diese Garantien?

Finanzinstitute und Versicherungen haben Produkte aufgelegt, die diese Anforderungen erfüllen, zum Beispiel bestimmte Zeitwertfonds oder Versicherungsprodukte. Greifen Unternehmen nicht auf solche zertifizierten Modelle zurück, müssen sie selbst für mögliche Differenzen aufkommen. Fakt ist: die Konten müssen jederzeit die erforderliche Deckung aufweisen.

Viele große Konzerne, von Hewlett Packard bis Volkswagen, bieten ihren Beschäftigten solche Lebensarbeitszeitkonten zum Teil schon seit Jahren. Bei kleinen und mittleren Unternehmen sind sie dagegen so gut wie nicht verbreitet. Woran liegt das?

Hauptsächlich an mangelnder Information. Und zwar nicht nur auf Seiten der Klein- und Mittelständler, die im Gegensatz zu Konzernen keine Stabsabteilung für solche Aufgaben haben. Auch Steuerberater, Banken und Kammern kennen sich mit Lebensarbeitszeitkonten zu wenig aus. So wird Unternehmern, wenn sie sich denn schon einmal für Lebensarbeitszeitmodelle interessieren, oft anderes empfohlen - oder pauschal davon abgeraten.

Was haben denn Unternehmer davon, ihren Beschäftigten solche Modelle anzubieten?

Mit Lebensarbeitszeitkonten können Firmen für junge Fachkräfte attraktiver werden, sich also von Wettbewerbern abheben. Zudem steigt die Motivation in den Belegschaften - nicht nur wenn es gilt, Mehrarbeit zu leisten. Vor allem aber sind Lebensarbeitszeitmodelle eine wirkungsvolle Vorsorge gegen den demografischen Wandel. Denn mit der Gesamtbevölkerung werden zwangsläufig auch Belegschaften immer älter. Ältere Mitarbeiter aber sind naturbedingt öfter krank und können in vielen Berufen, gerade im Handwerk, nicht mehr in Vollzeit volle Leistung bringen.

Viele arbeiten nur deshalb ganztags, weil sie mit Teilzeitlöhnen nicht auskommen. Durch Lebensarbeitszeitkonten schaffen sich Unternehmer und Mitarbeiter hier viel mehr Gestaltungsfreiheit. Sie können einen gleitenden oder früheren Ausstieg vereinbaren und einen Generationswechsel zum Vorteil aller organisieren.

Was kostet es eigentlich, Lebensarbeitszeitkonten einzurichten und zu unterhalten? Und wer trägt die Kosten?

Diesbezüglich bietet der Markt sehr unterschiedliche Ansätze, von der kompletten Kostenübernahme durch die Arbeitnehmer über Kostenteilung bis hin zur Vollfinanzierung durch das jeweilige Unternehmen. Unsere Erfahrung ist: Ohne finanzielle Anreize von Seiten der Unternehmen treffen Lebensarbeitszeitkonten bei Arbeitnehmern auf wenig Resonanz. Mindestens ebenso wichtig wie gute Argumente aber ist, diese offen und schlüssig zu kommunizieren.

Hier wird oft an der falschen Stelle gespart. Lebensarbeitszeitkonten machen aus Unternehmenssicht nur Sinn, wenn eine größere Zahl an Beschäftigten, möglichst die Mehrheit, mitmacht.

Wie schaffen Sie es mit Ihren Klienten, überwiegend kleinen und mittelständischen Unternehmen, diese kritische Masse zu erreichen?


Wir als DBZWK verstehen uns als Komplettdienstleister. Wir analysieren die Situation im Unternehmen, ergründen die Ziele der Geschäftsleitung und entwickeln davon ausgehend ein maßgeschneidertes Zeitwertkonten-Modell. Im Rahmen von Betriebsversammlungen stellen wir gemeinsam mit den Chefs den Belegschaften die Lebensarbeitszeitkonten im Detail vor und stellen eigens produzierte Prospekte zur Verfügung, in denen die Mitarbeiter alles zu Hause in Ruhe nachlesen können.

Anschließend führen wir mit jedem Einzelgespräche und übernehmen alle organisatorisch-praktischen Aufgaben bis hin zur Einrichtung des Kontos. Im Durchschnitt überzeugen wir 70 bis 90 Prozent der Mitarbeiter.

Ein beachtlicher Aufwand. Wer bezahlt den?

Wir arbeiten erfolgsbasiert. Das heißt: findet das Modell keine Zustimmung, entstehen unseren Kunden keine Kosten. Für jeden Mitarbeiter, der sich für das Lebensarbeitszeitmodell entscheidet, berechnen wir einen zuvor vereinbarten Einmalbetrag. Dieser liegt bei ca. 300 bis 400 Euro pro Teilnehmer, je nach Firmengröße, inklusive aller beschriebenen Leistungen. Diese Anfangskosten haben bislang alle unsere Kunden in vollem Umfang als Firma getragen.