Interview zum Fotoshooting WorldSkills 2019: Malerin Jessica Jörges will sich kreativ austoben

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Jessica Jörges ist die Beste Malerin Deutschlands 2018. In diesem Jahr vertritt die Zwanzigjährige aus dem hessischen Dreieich Deutschland bei den WorldSkills in Kasan. Im Interview verrät sie, was ihr an der Arbeit im Familienbetrieb besonder gut gefällt und warum es für sie keinen schöneren Beruf gibt.

Jessica Jörges WorldSkills 2019 Maler
© Annette Cardinale

Wie hast du dich für die WorldSkills Kasan 2019 qualifiziert?

Wir Maler haben für die Weltmeisterschaften einen extra Ausscheidungswettbewerb. Ich war zwar davor schon Bundessiegerin 2018 und bin auch im Nationalteam, aber musste trotzdem am Wettbewerb teilnehmen. Für die Weltmeisterschaften konnte sich jeder anmelden, der das Alter erfüllt und bei der Gesellenprüfung über 86 Punkte hatte. In einem zweitägigen Wettbewerb wurde dann entschieden, wer dabei ist.

Wie hast du dich für die Nationalmannschaft qualifiziert?

Als Innungsbeste bin ich zum Landeswettbewerb der Handwerkskammern in Hessen gefahren. Dort hab ich mich als Beste für den Bundeswettbewerb qualifiziert. Als Bundessiegerin bin ich dann automatisch ins Team gekommen. Das Podium des Bundeswettbewerbs bildet zwei Jahre die Nationalmannschaft. Insgesamt sind sechs Personen im Team, immer die aktuellen Besten und die drei Sieger des Vorjahrs, d.h. wir verabschieden jetzt im Herbst die drei Bundessieger von 2017 und dafür bekommen wir drei Neue aus dem Bundeswettbewerb 2019 dazu.

Was machst du wenn du nicht trainierst oder arbeitest?

Ich spiel Basketball. Das muss die nächsten zwei Jahre, wenn ich auf die Meisterschule gehe, erstmal pausieren. Ansonsten lese ich gerne. Und ich bin in jeglicher Hinsicht kreativ: ich Bastle viel, aber schau auch mal in andere Gewerke rein. Holz find ich interessant. Das liegt in der Familie, mein Papa  hat zusätzlich zum Malermeister auch eine Schreinerlehre gemacht.

Wie würdest du dich selbst beschreiben?

Oh, das ist schwer. Ich bin so vieles: Kreativ bin ich eigentlich immer. Ich find für alles eine kreative Lösung. Ansonsten ist es so: Ich bin freundlich, zu Leuten, die zu mir freundlich sind. Ich bin ordentlich, wenn ich gerade Lust hab ordentlich zu sein. Ich bin mutig, wenn ich mal meinen inneren Schweinehund überwunden hab. Ich bin alles, aber nur zu bestimmten Zeitpunkten. Es gibt immer Momente, wo man sagt; okay jetzt bin ich es grade gar nicht. Ich bin auf jeden Fall ein totaler Familienmensch und eigentlich immer gut drauf. Außer mich nervt was so richtig, dann kann ich schon mal angepisst sein. Aber sonst bin ich eine fröhliche, offene, kreative Person.

Warum bist du Malerin geworden?

Als Kind hab ich in jedes Freundebuch geschrieben, dass ich Malerin werden will. Später hab ich hab ich immer gesagt, ich möchte studieren – wie meine Mama. Als das Abi dann fast durch war, hatte ich aber immer noch keine Ahnung, was ich studieren soll. Aus Trotz hab ich dann gesagt: „Warum  kann ich nicht einfach ne Ausbildung machen?“ Als meine Eltern sagten, dass ich wegen ihnen nicht studieren muss, war für mich klar, ich möchte das mit der Ausbildung zur Malerin zumindest ausprobieren. Hätte es mir nicht gefällt, hätte ich immer noch Studieren könne. Heute bin ich wahrscheinlich eine der Wenigen, bei der das stimmt, was im Freundebuch steht. Die Entscheidung hab ich bis heute nicht bereut und auch noch keinen Studiengang gefunden, bei dem ich mir denk‘: „Der wär’s gewesen.“

Und was sagen deine Eltern zu der Entscheidung?

Mein Papa sagt aus Spaß immer: „Ich hab dir ja gesagt, du sollst was Gescheites lernen.“ Auf der anderen Seite hab jetzt ja gezeigt, dass man im eigenen Beruf viel erreichen kann. Wobei wir im Betrieb schon immer gute Auszubildende hatten. Das war auch der Grund, warum ich im Familienbetrieb gelernt hab.

Was gefällt dir denn an deinem Beruf am besten?

Die Vielfältigkeit des Handwerks begeistert mich. Ich hätte nicht gedacht, dass das Malerhandwerk so viele Bereiche abdeckt. Das sieht man auch an den WorldSkills. Wir haben so viele kleine Teilaufgaben: Maltechniken, Tapezieren und Lackieren. Die Aufgaben sind so vielseitig, dass bei den WorldSkills viel gar nicht dabei ist, wie das Verputzen, Bodenbeläge und die ganzen Kreativtechniken.

Und abgesehen von der Arbeit an sich, ist es immer spannend, unterschiedliche Menschen zu treffen.  Als Maler bekommt man einen ganz intimen Einblick. Die Kunden lassen uns in ihr  Zuhause. In die Wohnung dürfen sonst ja nur die engsten Freunde und Familie. Und wenn sich der Kunde dann freut und sagt, er fühlt sich jetzt richtig wohl in seiner Wohnung, ist das ein tolles Gefühl.

Gibt es etwas, was dir an deinem Beruf nicht gefällt?

Ich find es schade, dass das Malerhandwerk nach außen so ein schlechtes Image hat. Es wird von vielen abgewertet. Das find ich blöd. Ich hab manchmal das Gefühl, dass die Leute auf der Baustelle denken: „Oh, die hat es in der Schule wahrscheinlich nicht gepackt und muss jetzt Malerin werden.“ Das ärgert mich, weil die Leute mich und meine Situation überhaupt nicht kennen.

Und natürlich gibt es Aufgaben, die mir nicht so viel Spaß machen. Trockenbau, mit diesen riesigen Platten ist zum Beispiel gar nicht meins. Ich kann’s zwar, würde mich aber nicht drum reißen.

Warum würdest du anderen jungen Menschen deinen Beruf empfehlen?

Maler ist ein total kreativer und vielfältiger Job. Kein Tag ist wie der andere. Oft haben wir eine Fassade, am nächsten Tag machen wir Böden und Wände in einem Wohnzimmer und am übernächsten sind wir schon beim nächsten Kunden und streichen die Küche. Außerdem hat der Beruf Zukunft. Es gibt immer Häuser, die renoviert oder restauriert werden müssen. Auch die Möglichkeiten nach der Ausbildung sind ganz unterschiedlich. Ganz egal ob man als Geselle weiter arbeitet oder den Meister oder den Betriebswirt im Handwerk macht. Auch mit einer Ausbildung im Handwerk hat man viele Erfolgsmöglichkeiten und Aufstiegschancen. Nicht jeder muss studieren. Mit dem Meister oder dem Betriebswirt im Handwerk, kann ich einen handwerklichen Betrieb führen und hab wahrscheinlich mehr Ahnung, als ein Chef, der nur BWL-Studium hat.  

Wo möchtest du in fünf Jahren stehen?

Ich will auf jeden Fall auf die Meister- und Technikerschule gehen, die dauert zwei Jahre. Für die Zeit danach ist im Moment der Plan, dass ich mich zuhause in der Firma weiter eingliedere und vielleicht mit einem Kollegen zusammen irgendwann die Firma zu übernehmen. Allerdings bin ich noch offen für alles. Viele haben schon gesagt, dass man während der Meisterschule noch viele Ideen bekommt. Gerade mit dem Techniker ergeben sich auch im Bereich Industrie viele Möglichkeiten. Alles was mit Kreativität zu tun hat, kommt in Frage. Ich finde auch die Idee ein Farbdesignstudio zu eröffnen interessant. Da lass ich mich überraschen, was ich während der Meisterschule, noch so alles an Input bekomme.

Welches Ziel setzt du dir für die WorldSkills Kasan 2019?

Mein Traum ist natürlich einen Medaillen-Platz zu machen. Letztes Jahr war ich in Budapest bei den EuroSkills als Zuschauer dabei, das war faszinierend. Ich glaub, dieses Gefühl, wenn man als Sieger auf die Bühne laufen darf ist richtig cool. Ich hoffe mal, dass mein Trainer Recht behält und ich gute Chancen hab.  

Warum würdest du anderen jungen Menschen die Teilnahme an Berufswettbewerben empfehlen?

Es ist eine richtig coole Chance, um zu zeigen was man kann und kann sich vergleichen. Selbst wenn ich die beste Malerin aus Deutschland bin, heißt das ja nicht, dass Leute aus anderen Ländern nicht besser sind. Außerdem kann man viel für seinen Berufsalltag mitnehmen und bekommt einen Eindruck, wie in anderen Ländern gearbeitet wird. Auch Kontakte sind heutzutage so wichtig, also auch gerade da sich weltweit zu vernetzen, Freunde zu finden. Klar ist es stressig, aber den Stress sollte man in Kauf nehmen. Es ist einfach ein riesiges Erlebnis. Ich glaub auch, das wird eins der prägendsten Erlebnisse die ich in meinem Leben haben werde.