Wo das Handwerk stark ist

Cluster Die Konzentration von Betrieben einer Branche innerhalb einer Region hat im Handwerk eine lange Tradition. Die Vorteile solcher Cluster für die Unternehmen hat jetzt eine Studie untersucht.

Wo das Handwerk stark ist

Das kalifornische Silicon Valley gilt als Paradebeispiel eines wirtschaftlichen Clusters, wo sich in räumlicher Nähe Firmen der IT-Branche ballen. Doch rund um Tuttlingen, einer Kleinstadt im südlichen Baden-Württemberg, gibt es ein Cluster von Handwerksbetrieben mit viel längerer Tradition, das in seiner Branche mindestens so viel Weltgeltung hat wie die IT-Firmen in Silicon Valley: die Chirurgiemechaniker.

Solche wirtschaftlichen Cluster, also Netzwerke von Firmen in einer Region und einer Branche, haben im Handwerk Tradition. Denn die Nähe, die Zusammenarbeit, aber auch die Konkurrenz bieten den Betrieben zahlreiche Vorteile. Wie solche Zusammenschlüsse historisch entstanden sind und wie die Unternehmen, aber auch die Regionen, davon profitieren, hat die aktuelle Studie „Cluster im Handwerk“ des Volkswirtschaftlichen Instituts für Mittelstand und Handwerk an der Universität Göttingen (ifh) untersucht.

Die erwähnten Chirurgiemechaniker in Tuttlingen, die Maschinenbauer im Großraum Stuttgart oder die Bootsbauer in Flensburg: Deutschland ist besiedelt von Handwerksclustern (siehe Grafik), manche mit nur einer Handvoll Betrieben, andere mit mehreren hundert. „Viele dieser teilweise Jahrhunderte alten Konzentrationen im Handwerk haben bis heute Bestand und tragen wesentlich zur Entwicklung der Regionen bei“, hat Klaus Müller, Geschäftsführer des ifh in Göttingen und zusammen mit Stephanie Lehmann Autor der Studie, herausgefunden. Wie viele Handwerkscluster es tatsächlich gibt, lässt sich nicht ermitteln, „denn das sind keine organisierten Zusammenschlüsse“, erklärt Klaus Müller.

Gemeinsames Marketing

Die Cluster bringen für die meist kleinen Betriebe viele Vorteile (siehe Kasten Seite 27), ein wesentlicher ist das gemeinsame „Clustermarketing“. So haben die Stuhlbauer in der sächsischen Schweiz, ein Cluster mit 400-jähriger Tradition, die Marke „Die Meister des Stuhlbaus“ ins Leben gerufen und patentrechtlich schützen lassen. Heute werben 13 Tischler-Meisterbetriebe erfolgreich damit und können sich gegen die industrielle Sitzmöbelproduktion erfolgreich behaupten. Über Produktionskooperationen können die Kleinbetriebe auch größere Aufträge für Hotels und Restaurants in ganz Deutschland abwickeln. Das „Bierland Oberfranken“ ist ein weiteres Beispiel, wie sich handwerkliche Brauer in einer Region zusammenschließen und gemeinsam für ihre Produkte werben. Braumeister Ralf Stockum vermarktet über die Plattform „Bierland Oberfranken“ neben seinen Biersorten „auch den Bierschnaps aus der eigenen Brennerei“. Gerade im Wettbewerb mit industriellen Massenprodukten können Handwerker auf diese Weise ihren Umsatz steigern und gleichzeitig ihr Know-how schützen“, erklärt Forscherin Lehmann.

Intensiver Technologietransfer

Die Forschung und Entwicklung von neuen Produkten ist ein weiterer zentraler Vorteil von Clustern. „Handwerker verlieren in einem solchen Umfeld viel leichter die Berührungsängste zur Wissenschaft, so Forscherin Lehmann, denn die Einrichtungen befinden sich meist direkt in der Nachbarschaft. So besteht das Chirurgiemechaniker-Cluster im Raum Tuttlingen nicht nur aus über 300 Betrieben und 200 Zulieferern, es hat sich längst zum „Weltzentrum der Medizintechnik“ entwickelt: mit einem eigenen „Kompetenzzentrum für minimal invasive Medizin und Technik“, welches die Unternehmen mit Forschungseinrichtungen vernetzt, mit der Landesfachschule für Chirurgieberufe oder dem Forum Medizintechnik. Gerd Alber, Geschäftsführer der Georg Alber Mikro-Instrumente in Renquishausen bei Tuttlingen, weiß das zu schätzen. „Die kurzen Wege zu Fachhändlern, Lieferanten und Dienstleistern machen Innovationen auch für kleine Betriebe möglich“, sagt Alber, der in seinem Unternehmen 20 Mitarbeiter beschäftigt und sich auf die Herstellung von mikrochirurgischen Instrumenten spezialisiert hat. Muss er beispielsweise für ein neues Produkt die Bioverträglichkeit testen, nutzt er die wissenschaftlichen Einrichtungen in der Nachbarschaft.

Wie befruchtend die Nähe zur Wissenschaft sein kann, zeigen auch die Ergebnisse des von handwerk magazin seit über 20 Jahren veranstalteten Technologietransfer-Wettbewerbs um den „Professor-Adalbert-Seifriz-Preis“. Schon öfter wurden Betriebe ausgezeichnet, die zu einem Handwerkscluster gehören. Auch in diesem Jahr findet der mit 25000 Euro Preisgeld dotierte renommierte Wettbewerb wieder statt (siehe Preis für Technologietransfer).

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