Stephan Blank zur Plattform-Revolution im Handwerk "Künftig werden Geschäftsmodelle gegeneinander konkurrieren"

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Digitalisierung, Onlinemarketing, Plattform-Business und Zukunftsperspektiven im Handwerk

Der Projektleiter des "Kompetenzzentrums Digitales Handwerk" und Referatsleiter beim Zentralverband des Deutschen Handwerks, Stephan Blank, will die Digitalisierung im Handwerk erfolgreich gestalten. Dazu braucht es eine Antwort auf die Plattform-Revolution.

Stephan Blank
"Immer mehr große Plattformen besetzen die digitalen Schnittstellen zum Kunden", analysiert Stephan Blank, Projektleiter des "Kompetenzzentrums Digitales Handwerk" und Referatsleiter beim ZDH. - © Fabian Zapatka
Wie schätzen Sie die weitere Entwicklung der Internet-Portale und deren Geschäft ein – besonders natürlich bezogen auf das Handwerk?

Wenn wir uns die bisherige Entwicklung bei den Internet-Portalen anschauen, dann stellen wir fest, dass es überwiegend The-winner-takes-it-all-Strategien sind, die Plattformanbieter verfolgen. Das bedeutet, dass einzelne Anbieter den Großteil einer spezifischen Nachfrage abschöpfen. Amazon , Facebook oder Google sind dafür gute Beispiele. Google akquiriert über 40 Prozent der weltweiten Ausgaben für Online-Werbung. Auf mobilen Geräten laufen fast 98 Prozent der Suchanfragen über Google, das Betriebssystem Android läuft auf rund 85 Prozent aller Smartphones. Die Folge: Monopolisierung der Märkte, in denen die Anbieter agieren.

Ist diese Entwicklung auch auf Handwerksmärkte übertragbar?

Diese Entwicklung sehen wir natürlich auch in den Handwerksmärkten. Mit Portalen wie etwa Thermondo , Banovo oder Mister Spex .

Muss der einzelne Betrieb hier tatenlos zuschauen?

Hier kann der einzelne Betrieb tatsächlich wenig unternehmen. Aus diesem Grund sollte die Handwerksorganisation, sollten die digitalen Experten der Kammern, Verbände und Innungen gemeinsam mit den Betrieben Portal-Lösungen für das Handwerk entwickeln.

Wie kann man diesen Ansatz umsetzen? Gibt es Partner, etwa aus der IT- und Software-Branche, welche die Handwerksorganisation unterstützen kann, in diesen Bereich einzusteigen?

Wir sehen, dass es hier Handlungsbedarf gibt. Da es aber sehr viele Gewerke im Handwerk gibt, die alle unterschiedliche Anforderungen haben, wird es nicht die eine Digitalisierungs-Strategie für alle unsere Handwerksbetriebe geben können. In einigen Gewerken passiert schon recht viel. Bei den Zentral- und Bundesverbänden gibt es bereits einige Initiativen, etwa beim ZVSHK Zentralverband Sanitär Heizung Klima . Doch wenn wir keine Strategie erarbeiten, wie wir uns in einer zunehmend digitalen Welt am Markt positionieren wollen, und wenn wir keine konkrete Lösungen in Form von digitalen Angeboten für unsere Betriebe entwickeln, dann werden es andere tun. Die werden nicht auf uns warten.

Wie sieht Ihr erster Schritt aus?

Es braucht eine Art Innovations-Werkstatt, mit der man einen Kreativraum schafft, in dem Handwerksunternehmer, StartUps, Wissenschaftler, Programmierer, Experten aus Verbänden und Kammern zusammenkommen, um neue digitale gewerkspezifische Angebote und Produkte für Betriebe zu entwickeln. Konkret wollen wir mit dem Kompetenzzentrum Digitales Handwerk im nächsten Jahr ein „Open Innovation Lab“ starten, wo wir mit verschiedensten Akteuren darüber nachdenken, welche digitalen Produkte, Angebote und Branchenlösungen für unsere Handwerksbetriebe in den jeweiligen Gewerken Sinn machen. Wie schnell Unternehmer digitalisieren, entscheidet heute maßgeblich über ihren Erfolg. Doch dafür benötigen sie auch die entsprechende Infrastruktur.

Gibt dafür einen konzeptionellen oder strategischen Ansatz?

Ich glaube, dass künftig nicht mehr Produkte und Dienstleistungen gegeneinander konkurrieren, sondern Geschäftsmodelle. Die Frage wird dann sein: Wer hat das beste und stimmigste Geschäftsmodell am Markt? Zwar werden die Kernkompetenzen des Handwerks auch in Zukunft gefragt sein, doch die Fragen lauten dann zunehmend: Wo werden unsere Handwerker gefunden und beauftragt? Wie sprechen sie den Kunden am besten an? Welchen Mehrwert bieten sie ihm? Wie lassen sich die Probleme der Kunden schnell und zuverlässig lösen? Und braucht es dafür Partner?

Kann man davon ausgehen, dass die Fachportale oder die fachlich orientierten Portale viel schneller erfolgreich werden, als wir das von den eher breit aufgestellten Portale gesehen haben. Amazon hat mehr als zehn Jahre gebraucht…

Das glauben wir auch. Das Grundmuster ist dabei immer ähnlich. Nehmen wir als Beispiel das Optikerhandwerk: Die Portale Mister Spex oder brille24 kommen aus der Digitalwirtschaft. Sie sind mit ihrem Geschäftsmodell, das in einem digitalen Ökosystem eingebettet ist, innerhalb weniger Jahre so sehr gewachsen, dass sie zu echten Wettbewerbern für die stationären Optiker geworden sind. Der Onlinehandel wächst jährlich um etwa 10 Prozent in Deutschland. Die Portale holen die Kunden bequem zu Hause vom Sofa ab, sind über das Internet zu jeder Zeit (24/7) und von überall erreichbar, und bieten ihren Kunden die Brillen dort oftmals noch viel günstiger an, als die stationären Optiker in den Innenstädten – echte Mehrwerte für viele Kunden eben. Die geringe Kostenstruktur lässt sich über Skaleneffekte in der Produktion (günstige Massenfertigung in Fernost) und dem Onlinehandel (überregionaler Vertreib der Produkte) erzielen. Ach ja, und wenn Sie eine persönliche Beratung  wünschen, da gehen Sie einfach in einen der neun Flagship-Stores von Mister Spex.

Aber auch die Hersteller von Brillengläsern sind relativ mächtig in diesem Markt und befinden sich im digitalen Wandel. Sie haben nun einen speziellen Scanner für Optiker entwickelt, mit dem der Optiker im Geschäft das Gesicht des Kunden digital erfasst, Augenmessungen vornimmt, die Daten des Kunden in einer Datenbank speichert und an den Hersteller übermittelt. Es wird nicht lange dauern, bis die Brillenglashersteller dann auch passgenaue Brillengestelle mit 3D-Druckern produzieren, die eigenen Gläser dort einsetzen und direkt an den Kunden vertreiben. Diese Trends zu ignorieren dürfte für das Optikerhandwerk zumindest langfristig zum Risiko werden. Doch letztlich lassen sich diese Entwicklungen auf  nahezu alle Gewerke übertragen – auch in den Business-to-Business-Bereich.

Es geht also darum, wer baut digital die beste Beziehung zum Kunden auf und wer hat die Kundendaten?

Genau! Wer kennt die Bedürfnisse der Kunden am besten? Wer hat den direkten Zugang zu den Kunden? Und dann greift bei diesen Projekten wieder das The-winner-takes-it-all-Prinzip. Hier müssen wir uns einklinken.

Besten Dank für das Gespräch.

Der erste Teil des Interviews ist unter der Headline "Wir brauchen eigene Portale fürs Handwerk" in der aktuellen November-Ausgabe erschienen.

Vita Stephan Blank

Der heute 38-jährige Master of Business Administration (MBA) und Diplom-Wirtschafts-Ingenieur studierte an der HTW Berlin , der RWTH Aachen und der University of St. Gallen Wirtschaftsingenieurswesen, General Management und Innovationsmanagement. Von 2007 bis 2016 arbeitete er als Projektmanager Energiesysteme und Energiedienstleistungen bei der Deutschen Energie-Agentur (dena). Seit 2016 ist er Referatsleiter Digitalisierung beim Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH).

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