Finanzierung Firmenwert richtig berechnen

Viele Firmenchefs haben überzogene Vorstellungen, wie viel ihr Lebenswerk wert ist. Clevere Unternehmer lassen den Betrieb frühzeitig objektiv bewerten – dann klappts auch mit der Finanzierung.

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    Die wohl größte Investition seines Lebens: Timo Lübke (re.) kaufte den Dentalbetrieb von seinem Chef.
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    „Der Wert nach dem AWH-Verfahren deckt sich meist mit dem Kaufpreis.“ Bernd Juhl, Unternehmensberater und Bewertungsexperte in Neu-Ulm.
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    „Das Gutachten gab mir Sicherheit, dass ich einen angemessenen Preis gezahlt habe.“ Timo Lübke, Inhaber der Lübke Dentaltechnik GmbH &Co. KG in Husum.

Wie viel ist die Firma wert

Timo Lübke (31) wollte bei seiner Firmenübernahme auf Nummer sicher gehen: „Schließlich handelt es sich um die vermutlich größte Investition meines Lebens.“ Der Existenzgründer kaufte Anfang vergangenen Jahres den Betrieb seines Chefs und ist seitdem Inhaber der Timo Lübke Dentaltechnik GmbH & Co.KG mit 12 Mitarbeitern in Husum. Der Jungunternehmer verfolgte bereits über mehrere Jahre als Mitarbeiter die Entwicklung der Firma.

Er ließ sich dennoch von einem erfahrenen Steuerberater ein professionelles Wertgutachten erstellen, um eine realistische Vorstellung von einem möglichen Kaufpreis zu bekommen. Der Experte analysierte die Jahresabschlüsse der vergangenen Jahre, das Anlagevermögen, die Kundenstruktur und nicht zuletzt die Qualifikationen der Mitarbeiter. Die Parteien einigten sich am Ende auf den ermittelten Unternehmenswert als Kaufpreis. „Das Gutachten war nicht billig, brachte aber die Sicherheit, für den Betrieb einen angemessenen Preis gezahlt zu haben“, sagt Timo Lübke.

So wie beim Zahntechnikermeister laufen zahlreiche Übernahmen ab. Viele Käufer wie auch Verkäufer geben vor einer Nachfolge eine Unternehmensbewertung in Auftrag, um eine objektive Basis für die Vertragsverhandlungen zu haben. Das ist gut so: „Der Senior will sein Herzblut bezahlt bekommen - 30 Jahre Arbeit, sechs Tage in der Woche, kaum Urlaub. Da erwarten die meisten deutlich zu viel“, weiß Michael Keller, Chef der Beratungsgesellschaft Keller & Coll. in Frankfurt, aus Erfahrung (siehe Interview Seite 63).

Gutachten schafft Abhilfe

Ein Wertgutachten schafft da Abhilfe. Zumal auch die Banken die Finanzierungszusage von einem realistischen Kaufpreis für den Handwerksbetrieb abhängig machen. Doch ebenso können eine Scheidung, der Tod des Unternehmers sowie die vorweggenommene Erbfolge Anlässe für ein professionelles Gutachten sein.

Bei der Nachfolgeplanung des Dentallabors ließ der Senior sogar ein zweites Gutachten anfertigen. Experten der Handwerkskammer Flensburg bewerteten aus Sicht des Verkäufers den Wert der Firma. „Unsere beiden Gutachten kamen am Ende in etwa auf die gleiche Größe“, sagt Lübke.

In der Praxis gibt es nicht die eine und richtige Bewertungsmethode, sondern es führen verschiedene Wege zum Ziel. In der Regel wird eine Form des Ertragswertverfahrens gewählt. „Bei Handwerksbetrieben wird häufig der Durchschnittsgewinn vor Steuern und Zinsen - das sogenannte EBIT - der letzten drei bis fünf Jahre mit einem Faktor zwischen vier und sechs multipliziert“, erläutert Susanne Beck Nielsen, Partnerin der Kanzlei Becklaw in Hamburg.

Alternativ wenden Steuerberater bevorzugt den sogenannten IDW S1 Standard des Instituts der Wirtschaftsprüfer an. Die Bewertung erfolgt auch hier, indem die prognostizierten Erträge auf einen Stichtag abgezinst werden. Die Methode zielt darauf ab, die Zukunftsfähigkeit des Unternehmens zu bewerten.

Das erprobte AWH-Verfahren

Die meisten Berater der Handwerkskammern, die kostenlos Betriebe bewerten, arbeiten nach dem sogenannten AWH-Verfahren. Das Kürzel steht für „Arbeitsgemeinschaft der Wert ermittelnden Betriebsberater im Handwerk.“ Es wurde auf Initiative des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks für kleine und mittlere Handwerksunternehmen entwickelt. „Beim AWH-Verfahren werden die Gewinne der vergangenen Jahre analysiert und um Einmaleinflüsse bereinigt“, erklärt Bernd Juhl, AWH-Experte in Neu-Ulm. Dann werden einzelne Wirtschaftsjahre gewichtet, wobei diejenigen jüngerer Vergangenheit einen höheren Stellenwert haben. Das Ergebnis wird dann in die Zukunft projiziert (siehe Kasten Seite 61).

Der individuelle Risikozuschlag

Knackpunkt beim Ertragswertverfahren ist die Höhe des Kapitalisierungszinsfußes. In diesen fließt das unternehmerische Risiko ein. Seine Höhe variiert, abhängig von der Branche und vom finanzwirtschaftlichen Risiko. Als Basis wählen die Berater den Zins, den ein Investor am Markt auf jeden Fall für sein Geld erhalten sollte. „Je höher der Risikozuschlag, desto weniger wert ist das Unternehmen. Der Zinssatz ist insgesamt ein Hebel, der sich im Ergebnis drastisch auswirkt“, fasst Juhl zusammen. Es gibt keine eindeutigen Kriterien dafür, wie der Zuschlag zu bemessen ist. „Die Erfahrung und auch die persönliche Einschätzung des Experten spielen eine entscheidende Rolle“, sagt Sönke Wellhausen, Betriebsberater der Handwerkskammer Flensburg.

Branchenkenntnisse sollte der Gutachter daher mitbringen. Bei den Betriebsberatern der Kammern sind Unternehmer hier auf der sicheren Seite. „Rund vier bis sechs Wochen Zeit sollte der Firmenchef allerdings für eine Unternehmensbewertung einrechnen“, so Wellhausen.

Die Gutachten der Kammern akzeptieren auch die Banken. „Die Kreditinstitute achten darauf, dass keine überhöhten Kaufpreise gezahlt werden. Dafür überprüfen sie die Wertermittlung hinsichtlich ihrer Plausibiliät“, erläutert Expertin Beck Nielsen. Denn je höher der Übergabepreis, desto höher der Darlehensbetrag, für den der Übernehmer später Zins und Tilgung zu leisten hat. „Für die Banken ist es deshalb wichtig, dass das Projekt professionell kalkuliert ist“, so Beck Nielsen.

Auch sollte der Jungunternehmer Sicherheiten vorweisen können, etwa in Form einer Immobilie, einer Lebensversicherung oder in Form von Festgeld. Die Banken bewerten es zudem als positiv, wenn sich der Senior weiter in die Firma einbringt. Er kann zum Beispiel ein Verkäuferdarlehen geben (siehe auch Kasten Seite 62).

Jungunternehmer Timo Lübke überzeugte mit seinem Konzept nicht nur seine Hausbank, sondern holte auch die Bürgschaftsbank des Landes Schleswig-Holstein ins Boot sowie die Staatsbank KfW mit einem günstigen Gründerkredit. Unterm Strich lief die Übernahme damit reibungslos und erfolgreich: „Mit den Übernahmekonditionen bin ich insgesamt voll und ganz zufrieden“, so Lübke.

Berechnen Sie hier den Wert Ihres Unternehmens

Mit dem Firmenwert-Rechner von handwerk magazin können Sie den aktuellen Wert Ihres Betriebs selbst berechnen. Kalkulieren Sie hier das Betriebsvermögen – hilfreich auch, wenn der Verkauf oder die Übergabe des Betriebs ansteht.

Firmenwertrechner

Checkliste: Das zählt bei der Bewertung

  • Anlagevermögen: Moderne Maschinen, sanierte Immobilie, hochwertiges Warenlager - solche Sachwerte steigern den Unternehmenswert. Wenn der Firmenchef schon Jahre vor der Übergabe nicht mehr in den Betrieb investiert, die Maschinen bereits veraltet sind, drückt dies den Wert des Betriebes.
  • Abhängigkeit vom Unternehmer: Bei vielen Handwerksbetrieben - insbesondere kleinen Firmen - hängt das Wohl und Wehe des Betriebs allein von der Person des Firmenchefs ab. Scheidet er aus, verliert der Betrieb schlagartig an Wert. Tipp: Clevere Handwerksunternehmer bauen langfristig eine zweite Führungsebene auf - etwa einen qualifizierten Mitarbeiter, Sohn oder Tochter oder die Partnerin. Wichtig ist, dass diese bewusst auch die Kundenbeziehungen pflegen.
  • Mitarbeiterstruktur: Erfahrene Fachkräfte braucht jede Firma. Es ist positiv zu bewerten, wenn sich qualifizierte Mitarbeiter langfristig an das Unternehmen binden. Wichtig ist auch, dass sowohl jüngere als auch ältere Fachkräfte im Team beschäftigt sind.
  • Leistungsangebot: Die Zukunftsfähigkeit des Unternehmens sichert eine marktgerechte und wettbewerbsfähige Leistungspalette. Spezialisierungen in Märkten mit hoher Nachfrage und Wachstumschancen wirken sich positiv aus. Der Handwerksunternehmer sollte darauf achten, zum Beispiel neue Techniken einzusetzen und das Leistungsspektrum stetig neuen Entwicklungen anzupassen.
  • Kundenstruktur: Stammkunden zählen, andererseits darf der Betrieb nicht von wenigen Großkunden abhängig sein. Ausnahmen gelten für Kfz-Zulieferer.
  • Lieferantenstruktur: Kostenvorteile ergeben sich für ein Handwerksunternehmen vielfach aus einer festen Lieferantenbindung. Der Firmenbewerter betrachtet auch deshalb das Verhältnis des Betriebs zu seinen wichtigsten Zulieferern.