Kolumne Mitarbeiterführung von Barbara Seidl, 6. Folge „Wie bringe ich Lob und Kritik so an, dass niemand sauer reagiert?“

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Viele Chefs verzichten lieber auf Feedback, weil sie die Reaktion der Mitarbeiter fürchten. Doch diese glauben, ihre Leistung sei nicht wichtig und schrauben ihr Engagement zurück. Barbara Seidl, Wirtschaftsmediatorin und Expertin für Personalführung in München, erklärt, wie Sie das richtige Fingerspitzengefühl für Lob und Kritik entwickeln.

Sachlich und konkret bleiben sowie immer unter vier Augen reden: So lässt sich Kritik anbringen ohne den Mitarbeiter zu verletzen. - © K.-P. Adler stock.adobe.com

Die Frage des Monats

„Meine Mitarbeiter sind oft total empfindlich, wenn ich Arbeitsmethoden oder -durchführung kritisiere. Aber als Chef muss es doch erlaubt sein, dass ich Fehler anspreche. Ich kann doch nicht nur loben. Doch selbst beim Lob geht es manchmal schief. Die anderen Mitarbeiter hören neidvoll zu oder der Mitarbeiter nimmt mein Lob gar nicht an. Was muss ich beim Loben und Kritisieren beachten?“

Die Einschätzung von Barbara Seidl

Die Bewertung der individuellen Leistung durch den Vorgesetzten ist unbestritten eine wichtige und unverzichtbare Führungsaufgabe. Die Beurteilung – ganz gleichgültig ob positiv oder negativ – nimmt jeder Mensch allerdings unterschiedlich auf. Deshalb sollten Führungskräfte nicht einfach Bewertungen zwischen Tür und Angel und unüberlegt „raushauen“, sondern prüfen, ob Zeitpunkt, Ort und Situation passen und der Mitarbeiter aufnahmebereit ist.

Wichtig: Nie das Vier-Augen-Prinzip verletzen

Ganz entscheidend: das Lob oder auch die Zurechtweisung dürfen außer Ihnen und dem Mitarbeiter keine anderen Zuseher und Zuhörer haben. Leider wird das Vier-Augen-Prinzip nach meiner Erfahrung in sehr vielen Fällen nicht beachtet. Mit der Folge, dass die Aussagen des Vorgesetzten gar nicht oder nicht richtig verstanden werden und der Mitarbeiter in Abwehrhaltung geht, anderen die Schuld zuweist oder die eigenen Leistungen klein redet. Doch was können Sie tun, damit genau das nicht passiert? Schließlich hat jeder Mitarbeiter ein Recht auf eine faire, offene und angemessene Einschätzung durch Vorgesetzte.

Schritt 1: Reden, auch wenn es schwerfällt

Viele Vorgesetzte gehen davon aus, dass die Mitarbeiter selbst wissen, wie gut sie arbeiten und einschätzen können, was noch nicht passt. Deshalb und aus Angst vor möglichen Konflikten aber gleich jegliche vermeintlich schwierige Kommunikation einzustellen ist definitiv der falsche Weg. Auch die Taktik, andere vorzuschicken, die dem Mitarbeiter die Meinung des Chefs erklären, kommt fast immer falsch an: Der Mitarbeiter fragt sich, ob er nicht die Zeit für ein Gespräch wert ist und ob der Chef kein Interesse am Kontakt hat.

Schritt 2: Konkrete positive Rückmeldung geben

Während ein allgemeines positives Feedback (Beispiel: „Ich arbeite gerne mit ihnen zusammen.“) die Beziehung zum Unternehmen und das Selbstwertgefühl des Mitarbeiters stärken, dient das konkrete positive Feedback dazu, gutes und richtiges Verhalten des Mitarbeiters zu etablieren. Beispiel: „In Ihrem Arbeitsbereich liegt die Fehlerquote bei 0,5 Prozent, das entspricht einem Qualitätsniveau von 99,5 Prozent. Das ist weit über dem Durchschnitt.“ Mit derart klaren Aussagen kann der Mitarbeiter einschätzen, was genau an seiner Leistung vom Chef positiv bewertet wird. Lob und Anerkennung sind also Lernen am Erfolg .

Schritt 3: Kritik konstruktiv anbringen

Im Gegensatz zum allgemeinen Lob, welches die Bindung zum Arbeitgeber fördert, ist eine allgemein gehaltene Kritik nicht zielführend. Denn der Mitarbeiter weiß in der Regel nicht, was falsch war und vor allem, was er verbessern muss. Um das zu erreichen, muss der Mitarbeiter im Kritikgespräch möglichst konkrete Hinweise erhalten. Beispiel: „In dieser Abrechnung sind Rechenfehler, das Datum und die Unterschrift fehlen noch. So können wir dieses Dokument nicht bearbeiten. Bitte überprüfen Sie in Zukunft die Additionen, fügen Sie das Datum ein und unterschreiben es.“ Bei dieser Form der konstruktiven Kritik geht es vor allem darum, am und durch Fehler zu lernen .

Fazit: Nicht reden ist die schlechteste Lösung

Führungsverantwortung zu übernehmen heißt, Mitarbeitern regelmäßig und gezielt ein Feedback zu geben. Sagen Sie einem Mitarbeiter, wie Sie ihn und seine Leistung wahrnehmen, wie er im Vergleich zu den Kollegen gesehen wird und nach welchen Kriterien Sie seine Leistung messen. Ob Lob oder Kritik letztlich hilfreich sind oder gar schaden, hängt entscheidend davon ab, wie Sie als Chef es dem Mitarbeiter vermitteln.