Wer welches Fahrzeug fahren darf

Führerschein | Bei der Einstellung von Auszubildenden und Fachkräften ist auch die Fahrlizenz wichtig. Denn Jüngere sind durch den EU-Führerschein deutlich eingeschränkt.

Wer welches Fahrzeug fahren darf

Sollte sich ein reiferer Herr bei Ihnen bewerben, der gerne „alles fährt, was vier Räder hat“, halten Sie den Mann fest und stellen Sie ihn ein. Denn erstens sind gute Fahrer rar, schon allein deshalb hat der Bewerber eine Chance verdient. Womöglich stellt sich nach einiger Zeit heraus, dass er tatsächlich ein Fahrer mit Gefühl ist, der umsichtig, wirtschaftlich und dennoch flott ein Fahrzeug bewegen kann. Das große Los haben Sie aber eigentlich schon darum gezogen, weil dieser Mann – selbstverständlich gilt das auch für Frauen – auf jeden Fall über den alten Führerschein Klasse Drei verfügt.

Der gute alte Dreier

So mancher Meister und Chef erinnert sich dunkel: „Den Dreier? Klar den habe ich doch selber.“ Aber was darf man damit noch mal fahren? Ganz einfach: Alle Fahrzeuge und Zugkombinationen bis 7,5 Tonnen mit nicht mehr als drei Achsen. Der Siebeneinhalbtonner war da immer mit dabei.

Die Frage, „Haben wir eigentlich noch jemanden im Betrieb, der den Lkw fahren darf – außer mir?“, ist so weit hergeholt nicht. Schon bald könnte es nämlich passieren, dass wirklich nur noch ein paar ältere, verdiente Mitarbeiter den Siebeneinhalbtonner der Firma bewegen dürfen. Für Lehrlinge und den einen oder anderen Gesellen mit dem normalen Auto-Führerschein Klasse B bleibt nur noch der Transporter.

Denn beim EU-Führerschein, eingeführt 1996, änderte sich so einiges, was heute zu Engpässen bei der innerbetrieblichen Mobilität führen kann. Der Auto-Führerschein Klasse B entspricht in weiten Teilen so gar nicht dem Lizenzumfang des guten alten Dreier. Am augenfälligsten ist die Gewichtsgrenze: Darf der Inhaber eines Dreier bis zu 7,49 Tonnen bewegen, ist bei der neuen Klasse B bei 3,5 Tonnen Gesamtgewicht Schluss. Gesamtgewichte bis 7,49 Tonnen darf mit dem neuen EU-Führerschein nur fahren, wer die Lizenz C1 besitzt. Der C1 wurde praktisch geschaffen, um ein Pendant zum alten Dreier zu schaffen. Dumm ist nur: Den C1 macht kaum jemand, das bestätigen auch die Fahrschulen. Die nicht unerheblichen Kosten sind beinahe so hoch wie für den „richtigen“ Lkw-Führerschein CE, der dem alten Zweier entspricht. Und wer den CE hat, fährt in der Regel lieber „richtige“ Lkw und verdient damit gutes Geld.

Noch schlimmer ist die Sache mit Anhänger, Stichwort Lizenz „E“: E steht seit 1996 für die Lizenz zum Anhängen. Gab es beim alten Führerschein auch nicht. Wer sich zugetraut hat, mit Hänger zu fahren, hat es einfach gemacht. Heute darf der Inhaber eines B-Scheines gerade mal 750 Kilo Gesamtgewicht – nicht Nutzlast – anhängen. Wer den Wohnanhänger oder den Zentralachser im Betrieb ziehen will, braucht also den BE.

Vorteile bei Anhängern

Der einzige Vorteil der Extra-Anhänger-Regelung besteht im Wegfall der Drei-Achsen-Beschränkung: Ein junger Mitarbeiter mit BE oder gar C1E darf hinter dem 3,5-Tonner einen Drehschemel-Anhänger mit zwei echten, weit auseinander stehenden Achsen ziehen. Ein solcher Anhänger, zum Beispiel mit einem Mini-Bagger darauf und gerne bis zu acht Meter lang, ist zehnmal stabiler und sicherer zu fahren als der hierzulande übliche und viel instabilere Zentralachs-Anhänger. Dieser ist ein Produkt des alten Führerscheins, der die Gesamtzahl der Achsen im Zug auf drei beschränkte. Dass der Tandemachser gesetzlich als Einachser gilt, definiert lediglich sein Achsabstand, der kleiner als einen Meter sein muss.

Bei jungen Gesellen und Auszubildenden, die nach 1996 ihren Führerschein gemacht haben, ist davon auszugehen, dass die Mehrzahl nicht mehr Lizenz-Kompetenz als die Klasse B aufzubieten hat. Die Hängerlizenz haben viele, bei weitem aber nicht alle. Darauf bei der Einstellung zu achten ist sicher nicht verkehrt. Denn was hilft der Mitarbeiter, der zwar den Transporter bis 3,5 Tonnen fahren darf, den Hänger aber stehen lassen muss, weil B Zusatz E fehlt?

Der dramatische Rückgang bei den sogenannten „schweren Transportern“ zwischen 3,5 und 6,5 Tonnen Gesamtgewicht ist übrigens direkt proportional zum Schwund an Führerschein-Drei-Inhabern. Dabei bietet diese Transporter-Gattung nicht nur den Vorteil brauchbarer Nutzlasten. Wer schon einmal eine Fuhre Sand mit dem 3,5-Tonner-Kipper geholt hat, erschrak womöglich ob der homöopathischen Menge, die da aufgeladen wurde. Knapp 800 Kilo Nutzlast für einen 3,5-Tonnen-Kipper sind nicht viel mehr als der mit Sand bedeckte Boden der Pritsche.

Ganz anders beim schweren Transporter: Der 6,5-Tonner wiegt leer kaum mehr als der 3,5-Tonner, fährt sich genauso einfach, darf aber an die vier Tonnen aufladen. Schade, wenn dann keiner im Betrieb den C1-Führerschein in der Tasche hat.

3,5-Tonner bevorzugt

Natürlich darf man nicht unter den Tisch fallen lassen, dass der 3,5-Tonner nicht nur wegen seiner Führerschein-Kompatibilität gerne genommen wird. Er darf ja auch 100 km/h auf der Landstraße und sogar unbeschränkt auf der Autobahn fahren. Aber die Transporter-Raserei geht ganz schön ins Geld geht. Der vermeintliche Nachteil des 4,5-, 5,5- oder 6,5-Tonners, nämlich seine Beschränkung auf 80 km/h, verwandelt sich zum Vorteil, je höher die Dieselpreise klettern. Vom geringeren Verschleiß und Unfallrisiko gar nicht zu reden.

Das letzte „Totschlag“-Argument gegen den Transporter mit mehr als 3,5 Tonnen ist die Ausrüstungspflicht mit einem Fahrtschreiber (wir berichteten darüber schon ausführlich). Die gilt jedoch nicht für die 50-Kilometer-Nahzone: Wer ausschließlich im Nahbereich unterwegs ist, ist fein raus. Auch wer ausrüstungspflichtig ist, kann mittlerweile mit den Unbilden der Fahrtschreiber-Pflicht leben: Fahrerkarten, Unternehmerkarte und Archivierungs-Software besorgen – das ist alles beherrschbar.

Doch selbst wer sich einen schweren Transporter mit ordentlich Nutzlast zulegt, scheitert letztlich wieder an der Verfügbarkeit lizenzierter Fahrer. Und nicht nur das macht die womöglich schon etwas angegrauten Führerschein-Drei-Inhaber so attraktiv. Erfahrung, Besonnenheit und der pflegliche Umgang mit dem Fuhrpark zählen in Zeiten hoher Spritpreise und teurer Reparaturen schließlich auch.

Und für die Jungen gilt: Am besten den C1 oder noch besser den C1E gleich mit machen, auf jeden Fall aber einen E für den Anhänger.

Robert Domina

reinhold.mulatz@handwerk-magazin.de