Wer vorsorgt, spart doppelt

Arbeitsschutz | Wenn im Alltag Kosten und Termine drängen, geht das oft zu Lasten der Sicherheit. Ein gefährlicher Balanceakt, sind Fehlzeiten doch schließlich deutlich teurer als jede Prävention.

Wer vorsorgt, spart doppelt

An einen schweren Unfall kann sich Borko Rosic, Mitglied der Geschäftsleitung beim Wuppertaler Gebäudereiniger A. H. Winterberg, nicht erinnern: „Der Arbeitsschutz hat bei uns eine langjährige Tradition und gehört zur Philosophie des seit 135 Jahren bestehenden Unternehmens.“ Natürlich hat sich das Arbeitsrisiko für die Mitarbeiter im Laufe der Jahre kräftig gewandelt, doch eines ist bei Winterberg noch genauso wie früher: „Wir geben Geld für sichere Arbeitsplätze aus“, bekräftigt Rosic. In einer Branche, in die die seit dem Wegfall der Meisterpflicht immer mehr Betriebe drängen und die Preise drücken, erscheint dies fast als Luxus. Auch Winterberg muss nach Rosics Aussage auf die Kosten schauen, doch etwaige Sparmaßnahmen wirken sich nicht negativ auf die Sicherheit aus. Im Gegenteil: Die A. H. Winterberg Gmbh & Co.KG hat ihr Arbeitschutzmangament-System als erster Gebäudereiniger in Nordrhein-Westfalen durch die Bau-Berufsgenossenschaft zertifizieren lassen. „Wir wollten damit vor allem nach aussen dokumentieren, dass unfallfreies Arbeiten bei uns kein Zufall ist“, erklärt Personalleiter Rosic.

Karl-Heinz Fuchs, Sicherheitsfachkraft und Vertriebsleiter in Personalunion, schätzt den für den Arbeitsschutz erforderlichen Aufwand bei einem neuen Objekt bereits während der ersten Begehung mit seinem Aussendienst ab und berücksichtigt diesen bei seinem Angebot an den Kunden. Erhält Winterberg den Auftrag, werden die Objektleiter über etwaige besondere Sicherheitsanforderungen informiert. Die Einweisung der Mitarbeiter erfolgt dann vor Ort, neue Mitarbeiter erhalten die Vorgaben sogar schriftlich. „Wir haben für unsere Branche eine geringe Fluktuation, so dass wir beim Arbeitschutz nicht immer von vorne anfangen müssen“, skizziert Fuchs den Vorteil langjähriger und motivierter Beschäftigter.

Dass davon auch die Kunden profitieren, liegt für Borko Rosic auf der Hand: Schließlich wolle kein Kunde durch die schlampige Arbeit der Reinigungskräfte selbst in Gefahr geraten, weil etwa nasse Flächen nicht ordentlich gekennzeichnet sind oder gefährliche Stoffe verarbeitet wurden. Die Bereitschaft, für das Plus an Qualität und Sicherheit einen etwas höheren Preis zu zahlen, wächst nach Rosics Einschätzung: „Nach der Geiz-ist-Geil-Welle legen die Kunden wieder mehr Wert auf Qualität.“ Das Engagement für den Arbeitsschutz lohnt sich laut Rosic jedoch nicht nur wegen des gestiegenen Ansehens bei den Kunden. „Jeder Ausfall eines Mitarbeiters kostet Geld und jeder Unfall lässt die Beiträge an die Berufsgenossenschaft steigen.“

Im Rahmen eines europaweiten Forschungsprojekts haben das Bundesministerium für Arbeit und die EU-Kommission am Beispiel der Richtlinie zu ergonomischer Büroausstattung einen weiteren handfesten Vorteil nachgewiesen: die gestiegene Produktivität der Mitarbeiter. So haben drei von vier Betrieben durch die Umsetzung der Ergnonomie-Vorschriften die Arbeitszufriedenheit der Mitarbeiter deutlich steigern können. Stolze zehn Prozent der Unternehmen berichteten, das nach Umsetzung der Maßnahmen die Zahl der krankheitsbedingten Arbeitsausfälle deutlich zurückgegangen ist. Ein Manko ist allerdings auch den von der EU beauftragen Forschern nicht verborgen geblieben: Nämlich die Tatsache, das die Potentiale beim Arbeitsschutz in den kleinen und mittleren Betrieben nur unzureichend ausgeschöpft sind.

Verantwortlich dafür ist in Deutschland vor allem der Gesetzgeber. Bis zur Umsetzung der EU-Richtlinie zum Arbeitsschutz Mitte der 90er-Jahr waren Kleinbetriebe mit weniger als 20 Mitarbeitern bei der sicherheitstechnischen und arbeitsmedizinischen Betreuung praktisch außen vor. Inzwischen ist eine Betreuung in beiden Bereichen auch für Kleinstbetriebe ab einem Mitarbeiter Pflicht, was in der Praxis jedoch immer noch von vielen als lästiges Übel angesehen wird. Um Kosten und Aufwand in Grenzen zu halten, können Betriebe bis 20 Mitarbeiter inzwischen als Alternative zum Einsatz einer externen Sicherheitsfachkraft bei fast allen Berufsgenossenschaften auf das Unternehmermodell zurückgreifen. Dazu muss der Unternehmer an den von den Berufsgenossenschaften angebotenen Informations- und Motivationsveranstaltungen teilnehmen, regelmäßig Fortbildungen besuchen und einmal jährlich eine qualifizierte, bedarfsgerechte Arbeitsschutzberatung nachweisen.

Wer sich nicht selber um die Sicherheit kümmern möchte, kann analog zur arbeitsmedizinischen Betreuung (siehe Schaubild) auf entsprechende überbetriebliche Dienste zurückgreifen. Um Synergien bei Information, Beratung und Durchführung der Maßnahmen zu nutzen, haben Innungen und Kreishandwerkerschaften inzwischen eigene Betreuungsformen für ihre Mitglieder organisiert. Da solche Poollösungen für den einzelnen Betrieb meist günstiger sind als ein separater Vertrag mit einem externen Anbieter, kommen diese Modelle in der Praxis inzwischen sehr gut an.

Obwohl das bei weitem noch längst nicht für alle Tipps und Hinweise der BG-Experten gilt, hat sich das in früheren Jahren oft emotional belastete Verhältnis zwischen Firmenchef und Berufsgenossenschaft inzwischen versachlicht. Karl-Heinz Fuchs vom Gebäudereiniger A. H. Winterberg arbeitet schon seit langem erfolgreich mit Diplomingenieur Andreas Ehmke von der Bau-BG zusammen (siehe Foto). Nicht zuletzt deswegen ist es gelungen, das komplette Arbeitsschutzmanagement-System in nur sechs Monaten zu etablieren. „Für uns war es wichtig, als Vorreiter dazustehen“, erklärt Fuchs das ambitionierte Tempo.

kerstin.meier@handwerk-magazin.de