Ausbildung sichern Fördermittel: Wie Chefs an die neuen Azubi-Prämien kommen

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Ausbildung und Fachkräftemangel

Mit dem brandneuen Förderprogramm „Ausbildungsplätze sichern“ will die Bundesregierung Betriebe fördern, die trotz Corona weiter ausbilden oder auch Azubis von insolventen Betrieben übernehmen. Alles zu den neuen Prämien für Betriebe sowie die wichtigsten Hilfen für Auszubildende im Überblick.

Tischlermeister Bernd Wierichs, Azubi Hannes Schlenke
Tischlermeister Bernd Wierichs hat seinem Azubi Hannes Schlenke ein Praktikum in Kopenhagen ermöglicht. - © Markus J. Feger

Die neue Förderung richtet sich an alle von der Corona-Krise betroffenen Klein- und Mittelbetriebe (KMU). Ziel ist es in erster Linie, Ausbildungsplätze zu erhalten oder zusätzliche Ausbildungschancen zu schaffen, dafür gibt es die Förderinstrumente „ Ausbildungsprämie“ sowie „ Ausbildungsprämie plus“. Um Kurzarbeit bei Auszubildenden zu verhindert, können Betriebe einen „ Zuschuss zur Ausbildungsvergütung“ erhalten, die „Übernahmeprämie“ ist für Betriebe gedacht, die einen oder mehrere Auszubildenden von einem insolventen Betrieb übernehmen.

Diese Voraussetzungen müssen alle Antragsteller erfüllen

Wer als Unternehmer die neuen Ausbildungsprämien nutzen möchte, darf zum Stichtag 29. Februar 2020 nicht mehr als 249 Mitarbeiter beschäftigt haben. Darüber hinaus muss es sich bei der geförderten Azubi-Stelle um einen staatlich anerkannten Ausbildungsberuf handeln. Zusätzlich zum Antrag - einzureichen bei der für den Betrieb zuständigen Arbeitsagentur - braucht jeder Betrieb eine Bescheinigung der für den Ausbildungsberuf zuständigen Stelle (siehe jeweils Downloads bei den einzelnen Maßnahmen), bei anderen förderfähigen Berufen ist ein Ausbildungsvertrag beizulegen.

Wichtig: Pro Ausbildungsvertrag können Betriebe nur eine Prämie erhalten, auch lassen sich die Förderungen aus dem neuen Bundesprogramm nicht mit anderen Programmen gleicher Zielsetzung auf Bundes- oder Länderebene kombinieren.

Fördermöglichkeit 1: Die Ausbildungsprämie

Wer als Klein- und Mittelbetrieb in „ erheblichen Umfang“ von den Folgen der Corona-Krise betroffen ist, sein Ausbildungsengagement jedoch im Durchschnitt der Jahre 2017 bis 2020 beibehält, kann ab 1. Juni 2021 einen einmaligen Zuschuss von 4.000 Euro je Ausbildungsvertrag erhalten. Für Betriebe, die 2021 sogar mehr Azubis einstellen als in den Vorjahren, gibt es die „ Ausbildungsprämie plus“ in Höhe von 6.000 Euro.

Diese Voraussetzungen muss der Betrieb erfüllen

Als „erheblich“ von der Krise betroffen gilt ein Betrieb laut Förderrichtlinie, wenn seit Januar 2020 wenigstens für einen Zeitraum, der vor dem Ausbildungsbeginn liegt, von der Agentur für Arbeit Kurzarbeitergeld gezahlt wurde oder der Umsatz ist seit April 2020 gegenüber dem jeweiligen Zeitraum im Jahr 2019 entweder in zwei aufeinanderfolgenden, vor dem Ausbildungsbeginn liegenden Monaten u m durchschnittlich 50 Prozent zurückgegangen oder in 5 zusammenhängenden, vor dem Ausbildungsbeginn liegenden Monaten u m durchschnittlich 30 Prozent zurückgegangen.

So läuft die Antragstellung

Wer die Ausbildungsprämie oder die Variante „plus“ beantragen möchte, muss die folgenden Formulare ausfüllen und bei seiner jeweils vor Ort  zuständigen Agentur für Arbeit einreichen:

Wichtig: Die Prämien werden nach dem Ende der Probezeit ausgezahlt, Anträge sind spätestens drei Monate nach Ablauf der Probezeit zu stellen. Weitere Informationen zur Beantragung finden Sie in den Ausfüllhinweisen zum Antrag auf Ausbildungsprämie (plus).  

Fördermöglichkeit 2: Zuschuss zur Ausbildungsvergütung

Wer als Chef seine Auszubildenden nicht in Kurzarbeit schickt und dies auch bei den Ausbildern außerhalb der Zeiten des Berufsschulunterrichts vermeidet, kann einen Zuschuss bis maximal 75 Prozent der Ausbildungsvergütung erhalten.

Diese Voraussetzungen muss der Betrieb erfülen

Um die Förderung erhalten zu können, muss der Arbeitsausfall im gesamten Betrieb oder in einer Betriebsabteilung bei mindestens 50 Prozent liegen. Hat der Unternehmer Kurzarbeit angezeigt, muss er vor Beantragung des Zusschusses der zuständigen Arbeitsagentur mitteilen, dass die Ausbildung fortgesetzt wird.

So läuft die Antragstellung

Um anzuzeigen, dass die Ausbildung fortgesetzt wird, müssen Unternehmer folgenden Vordruck ausfüllen: Anzeige auf Fortsetzung der Berufsausbildung

Um dann im nächsten Schritt den monatlichen Zuschuss zur Ausbildungsvergütung zu erhalten – läuft immer rückwirkend bis maximal Dezember 2020 - müssen folgende Formulare ausgefüllt und an die zuständige Arbeitsagentur geschickt werden:

Wichtig: Weitere Informationen zur Beantragung finden Sie in den Ausfüllhinweisen zum Antrag auf Zuschuss zur Ausbildungsvergütung .

Fördermöglichkeit 3: die Übernahmeprämie

Wer als Klein- und Mittelbetrieb (KMU) Auszubildende übernimmt, die wegen der coronabedingten Pleite ihres Arbeitgebers keinen Ausbildungsplatz mehr haben, kann eine Übernahmeprämie für „Insolvenzlehrlinge“ beantragen. Der einmalige Zuschuss beträgt 6.000 Euro und wird nach der erfolgreich abgeschlossenen Probezeit des Azubis ausgezahlt.

Diese Voraussetzungen müssen beide Betriebe erfüllen

Einen Antrag auf die Übernahmeprämie können KMU aus allen Wirtschaftsbereichen stellen, die Auszubildende aus pandemiebedingt insolventen KMU bis zum 31. Dezember 2021 für die Dauer der restlichen Ausbildung übernehmen. Um eine pandemiebedingte Insolvenz handelt es sich laut Förderrichtlinie, wenn das Insolvenzverfahren bis zum 31. Dezember 2021 eröffnet wurde und der Betrieb vor dem 31. Dezember 2019 gemäß EU-Definition nicht in wirtschaftlichen Schwierigkeiten war.

So läuft der Antrag

Wer Azubis aus insolventen Betrieben übernimmt, muss nebem dem eigentlichen Antrag und der Bescheinigung der zuständigen Stelle auch eine Bescheinigung des Insolvenzverwalters vorlegen:

Bei offenen Fragen: Weitere Informationen zur Beantragung finden Sie in den Ausfüllhinweisen zum Antrag auf Übernahmeprämie .

Welche Fördermaßnahmen es sonst noch für Betriebe und Azubis gibt

Während der Lehrzeit ins Ausland? Diese Möglichkeit hätte Tischlermeister Bernd Wierichs seinerzeit auch gerne gehabt. Den Wunsch seines Azubis Hannes Schlenke, im dritten Lehrjahr ein Auslandspraktikum in Kopenhagen zu absolvieren, mochte er daher nicht ablehnen. „Ich wollte ihm diese Möglichkeit nicht verbauen“, sagt Wierichs, Geschäftsführer von more interior aus Grevenbroich. Großzügig zeigte er sich auch bei der Dauer: „Zwei Wochen sind nichts, nach vier Wochen hat man sich eingelebt, und sechs sind optimal, um genügend Erfahrungen zu sammeln“, so Wierichs. Eineinhalb Monate hat Schlenke im Herbst 2019 bei einem Tischler in Kopenhagen Einblicke in dänische Fertigungsweisen und eine „deutlich andere Arbeitskultur“ gewonnen. Gefördert wurde der Aufenthalt durch das Erasmus+-Programm: Schlenke erhielt einen Zuschuss zu seinen Kosten für Reise, Unterkunft und Lebenshaltung vor Ort. Zusammen mit der Ausbildungsvergütung, die während des Praktikums weitergezahlt wird, sei er bei plus/ minus null rausgekommen, erinnert sich der 22-Jährige.

Praktikum in Dänemark: Motivation und gute Ideen im Gepäck

Zurückgekehrt ist er mit vielen Inspirationen des dänischen Möbeldesigns – und dem guten Gefühl, das „Abenteuer Ausland“ erfolgreich gemeistert zu haben. Für seinen Chef war die lange Abwesenheit des Azubis dagegen eine Herausforderung: Im Fünf-Mann-Betrieb war der Ausfall deutlich zu merken, Auftragsspitzen musste Wierichs sogar mit Zeitarbeitern abfangen. Dennoch profitiert auch er: Nach seiner Rückkehr habe sein Azubi darum gebeten, mehr Verantwortung übernehmen zu dürfen und stärker in den gesamten Projektablauf eingebunden zu sein. Von der Planung bis zur Montageabwicklung bringe Schlenke sich mittlerweile ein. „Das war ein großer Sprung für ihn, aber auch für mich“, sagt Wierichs. „Ich habe seine Fähigkeiten vorher vermutlich ein bisschen unterschätzt.“

Von höherem Engagement und Selbstständigkeit profitieren die meisten Betriebe, die ihre Azubis ins Ausland schicken. Trotzdem geschieht dies bislang noch selten. Nach Angaben des Bundesinstituts für Berufsbildung sammeln nur 5,3 Prozent der Auszubildenden und Berufsfachschüler während der Ausbildung Erfahrung im Ausland, etwa 90 Prozent der staatlich finanzierten Aufenthalte werden durch Erasmus+ gefördert. Doch die Tendenz zeigt nach oben: „Immer mehr Betriebe bieten es von sich aus den Azubis an“, hat Rebecca Hof, Mobilitätsberaterin bei der Handwerkskammer Düsseldorf, beobachtet. „Die Unternehmen erkennen, dass Auslandspraktika ein gutes Mittel sind, um während der Ausbildung Anreize zu setzen oder sich für potenzielle Bewerber attraktiv zu machen.“ Wer Auslandsaufenthalte ermögliche, stärke seine Arbeitgebermarke und positioniere sich als interessanter Ausbildungsbetrieb. Wer hier aktiv sei, könne sich vom Netzwerk „Berufsbildung ohne Grenzen“ auch mit einer Plakette auszeichnen lassen, ergänzt Hof. „Wer sich dieses Label an die Tür klebt oder auf der Homepage verwendet, hebt sich von anderen Betrieben ab.“

Hilfen vom Bund und den Ländern

Förderung gibt es aber nicht nur für Auslandspraktika. Auch bei der regulären Aus- und Weiterbildung unterstützt der Staat Azubis kräftig, was die berufliche Bildung attraktiver machen und den Fachkräftenachwuchs sichern soll. Aktuell wurden sogar bei vielen Programmen die Bedingungen noch einmal deutlich verbessert: Nachdem etwa 2019 schon die Fördersätze und Einkommensfreibeträge beim BAföG gestiegen sind, werden in diesem Jahr die Aufstiegsförderung (Aufstiegs- BAföG) ausgebaut sowie das Weiterbildungsstipendium für die Höhere Berufsbildung aufgestockt. Auch bei der Berufsausbildungsbeihilfe steigen ab dem 1. August 2020 die Höchstbeträge für die Bezuschussung.

Wer eine passende Förderung sucht, sollte jedoch nicht nur auf die bundesweiten Programme schauen. Auch die Länder bieten Azubis und Betrieben verschiedenste Fördermöglichkeiten : So erhalten etwa in Bayern frischgebackene Meister einen Bonus der Bayerischen Staatsregierung in Höhe von 2.000 Euro. Baden-Württemberg unterstützt Betriebe, die Lehrlinge aus Konkursbetrieben übernehmen, mit einer Prämie von 1.200 Euro je Azubi. Auch Verbund-Ausbildungsplätze werden in einigen Bundesländern (etwa Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen oder Sachsen) finanziell unterstützt. Im Bereich der Betriebe zielen die bundesweiten Förderprogramme vor allem darauf, dass Bewerber mit Vermittlungshemmnissen eine Ausbildung absolvieren können und diese erfolgreich abschließen.

Jedem Bewerber eine Chance geben

Ob Einstiegsqualifizierung, ausbildungsbegleitende Hilfen oder assistierte Ausbildung: Im Fokus stehen hier junge Menschen, die durch schlechte schulische Leistungen, Sprachdefizite oder auch körperliche Beeinträchtigungen wenig Aussicht auf einen regulären Ausbildungsplatz oder das erfolgreiche Absolvieren einer Ausbildung haben. Die Unterstützung soll es Betrieben erleichtern, diesen Kandidaten eine Chance zu geben – und ansonsten frei bleibende Ausbildungsplätze zu besetzen. „Wem es gelingt, neben den eigenen Anforderungen auch bewerberseitige Erwartungen oder Hemmnisse zu berücksichtigen, kann sich trotz der angespannten Lage am Ausbildungsstellenmarkt Fachkräfte sichern“, sagt Vanessa Thalhammer, Sprecherin bei der Bundesagentur für Arbeit.

Im Idealfall sollen etwa Ausbildungsbegleitende Hilfen oder die Assistierte Ausbildung Bewerber und Azubis so fit machen, dass sie die Ausbildung erfolgreich abschließen können. „Dem Betrieb entsteht hier kein zusätzlicher Aufwand, weil sie die ‚Kümmererfunktion‘ an externe Bildungsträger abgeben können“, erklärt Thalhammer. Mit der Einstiegsqualifizierung könnten zudem Betriebe, die bisher nicht ausgebildet haben, den Einstieg in die Ausbildung erproben.

Neue Ideen in der Heimat umsetzen

Ansprechpartner für eine mögliche Förderung ist laut Thalhammer immer der Arbeitgeber-Service der Arbeitsagentur vor Ort: „Interessant sind auch Leistungen, die im Bereich der Inklusion, also der Teilhabe von Menschen mit Behinderungen am Arbeitsleben, erbracht werden können“, ergänzt sie. So könnten je nach Einzelfall über die üblichen Fördermaßnahmen hinaus etwa auch Zuschüsse zur Ausbildungsvergütung oder die behindertengerechte Ausgestaltung von Arbeitsplätzen gewährt werden.

An Unterstützung mangelt es also nicht, wenn es darum geht, Betriebe und Ausbildungswillige zusammenzubringen. Frischer Wind und neue Ideen sind dabei meist garantiert, wie auch das Beispiel von Ihr Bäcker Schüren aus Hilden zeigt: Der Handwerksbetrieb hatte mit Erasmus+ drei Auszubildende zum Praktikum ins spanische Santiago de Compostela geschickt. Nach ihrer Rückkehr waren sie so begeistert, dass sie unbedingt ein spanisches Brotrezept im heimischen Betrieb ausprobieren wollten. Seitdem ergänzt mit der „Bio Bonita de Santiago“ ein „mega-aromatisches“ galizisches Weißbrot das Sortiment bei Schüren.