Was ohne Tarifvertrag geht

Nicht in jedem Punkt des Arbeitslebens müssen Chefs Tarifverträge beachten, auch wenn sie für ihren Betrieb bindend sind. Per Direktionsrecht können sie Anweisungen geben, per Arbeitsvertrag oder Betriebsvereinbarung individuelle Vereinbarungen treffen. Was in der Praxis möglich ist.

Chefs sind längst nicht mehr automatisch immer Herr im eigenen Haus. Gesetze, Tarifverträge, Betriebsvereinbarungen und Arbeitsverträge setzen ihnen im Umgang mit ihren Mitarbeitern oft überraschend enge Grenzen. Umso wichtiger ist es, dass sie den Spielraum, der ihnen noch bleibt, richtig nutzen. Regel Nr. 1 ist, dass sie höherrangige Regelungen nicht durch niederrangige außer Kraft setzen dürfen.

Das heißt konkret: Am wichtigsten sind Gesetze wie das Arbeitszeitgesetz, die immer als erstes beachtet werden müssen, danach folgen Tarifverträge, dann Arbeitsverträge und am Ende schließlich das Weisungs- oder Direktionsrecht des Chefs. Unter Letzterem versteht man das Recht, die konkrete Leistungspflicht, also die Einzelheiten der vom Arbeitnehmer laut Arbeitsvertrag zu erbringenden Leistungen, näher zu bestimmen.

Der Chef kann beispielsweise Betriebsferien festlegen, Schichtpläne aufstellen sowie Fragen der Ordnung und des Verhaltens im Betrieb klären oder genaue Arbeitsanweisungen geben, ein Rauchverbot oder eine Kleiderordnung erlassen.

Mehr Rechte durch Anweisungen

Die Weisungsbefugnis des Chefs erstreckt sich somit grundsätzlich auf Ort, Zeit, Inhalt und Art und Weise der vom Arbeitnehmer zu erbringenden Leistung. Das alles hat laut Paragraf 106 der Gewerbeordnung stets „nach billigem Ermessen“ zu geschehen und muss deshalb auch die Interessen des Arbeitnehmers angemessen berücksichtigen.

Beispiel 1, Arbeitszeit: Die Länge der Wochen- oder Monatsarbeitszeit ist in der Regel den Arbeits- und Tarifverträgen zu entnehmen; doch einseitig – kraft Direktionsrecht – darf der Chef die wöchentliche Arbeitszeit auf die Wochentage verteilen, Beginn, Ende und Pausen bestimmen. Er muss dabei allerdings gesetzliche Vorschriften wie das Arbeitszeitgesetz oder den Mutterschutz beachten. Im Arbeitszeitgesetz ist beispielsweise geregelt, dass nach sechsstündiger ununterbrochener Arbeitszeit mindestens eine halbe Stunde Arbeitspause sein muss. Eine Anweisung von mehr als sechs Stunden unterbrochener Arbeit wäre also unzulässig.

Überstunden darf der Chef nur anordnen, wenn dies im Arbeitsvertrag vorgesehen und branchenüblich ist. Eine Ausnahme besteht in Notfällen, wenn beispielsweise durch Stromausfall Ware zu verderben droht, nicht aber etwa, wenn der Chef mehr Aufträge angenommen hat, als er mit der üblichen Belegschaft bewältigen kann.

Beispiel 2, Arbeitsort: An vielen Stellen werden dem Direktionsrecht des Chefs durch Gesetze, Tarif- und Arbeitsverträge immer wieder enge Grenzen gesetzt werden. Das gilt auch für den Arbeitsort, der grundsätzlich im Arbeitsvertrag festgelegt ist. Nur wenn dort wechselnde Einsatzorte, etwa zur Montage, angegeben sind, kann der Arbeitgeber prinzipiell jeden Arbeitsort innerhalb des betrieblichen Einzugsbereiches zuweisen.

Mehr Rechte durch Klauseln im Arbeitsvertrag

Hiervon zu unterscheiden ist die so genannte Versetzung, die dann notwendig ist, wenn die Zuweisung eines neuen Arbeitsortes eben nicht durch das Direktionsrecht gedeckt ist. Auch sie muss im Arbeitsvertrag enthalten oder, falls ein Betriebsrat besteht, in einer Betriebsvereinbarung. Arbeitgeber verschaffen sich aber nur dann mehr Freiraum im Umgang mit ihren Mitarbeitern, wenn die Klauseln richtig formuliert sind.

Im Fall der Versetzung muss in den Verträgen nicht nur stehen, dass der Arbeitgeber Mitarbeiter an einen anderen Arbeitsplatz versetzen darf, „sofern die zugewiesene Tätigkeit seinen Kenntnissen und Fähigkeiten entspricht“. Es muss auch ausdrücklich hinzugefügt werden, dass „der Arbeitnehmer nur auf gleichwertige Tätigkeiten verwiesen werden darf“. Nach dem Grundsatz „billigen Ermessens“ muss der Arbeitgeber einen der Qualifikation des Arbeitnehmers angemessenen Arbeitseinsatz anstreben. Der Arbeitnehmer darf weder überfordert noch unterfordert werden. Sonst wird die Klausel im Klagefall vom Gericht für unwirksam erklärt.

Zunächst gilt immer, was im Arbeitsvertrag steht: Wer als Buchhalter eingestellt wurde, kann nicht als Kraftfahrer beschäftigt werden. Und wer als Kraftfahrer eingestellt wurde, kann nicht auf Dauer in der Werkstatt oder mit Hilfsarbeiten beschäftigt werden. Allerdings: Wenn im Arbeitsvertrag ein bestimmter Beruf genannt ist, darf der Chef dem Mitarbeiter nicht nur Arbeiten in diesem Berufsbild zuweisen, sondern auch Nebenarbeiten wie Vor- und Abschlussarbeiten, kleinere Reparaturen am Handwerkszeug, Sauberhalten von Gerät und Arbeitsplatz und Heranschaffen von Material.

In Arbeitsverträgen können beispielsweise auch Vertragsstrafen vereinbart werden, etwa für den Fall, dass ein Mitarbeiter einen Arbeitsvertrag unterschreibt, das Arbeitsverhältnis dann aber nicht antritt oder vertragswidrig löst. Aber auch hier gilt: Solche Klauseln sind unwirksam, wenn die Höhe der Vertragsstrafe unangemessen ist. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn als Vertragsstrafe ein Monatsgehalt angegeben ist, gleichzeitig die Kündigungsfrist in der Probezeit aber nur zwei Wochen beträgt.