Was Kunden wirklich wollen

Verkaufsgespräch | Manchmal ist es schier zum Haareraufen: Sie bieten gute Qualität zu einem fairen Preis – und trotzdem ist der Kunde nicht von Ihrem Angebot überzeugt. Das hm-Titelthema zeigt, wie Sie doch noch zum Auftrag kommen.

Was Kunden wirklich wollen

Was tun, wenn Werte wie Qualität und Fachkompetenz bei den Kunden nicht mehr zählen? Fliesenleger Bernhard Schneider in Wertheim hat das Dilemma anders gelöst als viele seiner Kollegen: Er hat nicht die Preise, sondern vor allem die Kunden angepasst. „Durch den Wegfall der Meisterpflicht hatten wir vor vier Jahren plötzlich 20 statt fünf Konkurrenten“, erinnert sich der Wertheimer Unternehmer. Anfangs versuchte er noch, sein Preisniveau zu halten, doch schnell galt er dadurch bei den öffentlichen und privaten Auftraggebern als zu teuer. „Ich hatte schon keine Lust mehr, Angebote zu schreiben, weil ich genau wusste, dass wir zu den geforderten Konditionen nicht sinnvoll arbeiten können“, erklärt Schneider offen.

Bevor sich der Gedanke, nach 20 Jahren erfolgreicher Selbständigkeit etwas ganz anderes zu machen, so richtig festsetzen konnte, wagte Schneider mit Unterstützung des Rutesheimer Strategieberaters Franz-Josef Gomolka einen Neuanfang: weg vom preisanfälligen Ausschreibungsgeschäft, hin zu den anspruchsvollen Privatkunden. „Wir sind Fliesenleger aus Leidenschaft, das wollen wir auch unseren Kunden vermitteln“, formuliert der Firmenchef das Ziel.

Erst Vertrauen aufbauen

War der Ortstermin beim Kunden für Schneider früher vor allem dazu da, die Daten für das Angebot aufzunehmen, hat dieser Kontakt heute eine andere Qualität: „Im ersten Schritt muss ich erst einmal Vertrauen aufbauen.“ In der Praxis bedeutet das für ihn: zuhören, sich genaue Notizen machen und möglichst viele Detailinformationen zum Kunden und seinem Umfeld sammeln. Während Schneider das Aufmaß nimmt, können sich die potenziellen Auftraggeber in seinem Referenzordner Ideen und Anregungen holen. Ein Service, der nach Auskunft des Fliesenlegers vor allem bei Badsanierungen hervorragend ankommt: „Das machen die Kunden höchstens ein- oder zweimal in ihrem Leben, deshalb sind sie froh, wenn wir sie bei der Entscheidung unterstützen.“

Nach dem Ortstermin beginnt dann für den Wertheimer Unternehmer die zweite wichtige Phase: das Erstellen des Angebots. Statt der üblichen technischen Datensammlung geht Schneider individuell auf die Bedürfnisse und Wünsche des Kunden ein und erklärt die notwendigen Details anschaulich mit Bildern. Neben seiner Wunschvariante erhält jeder Kunde zudem zwei Alternativangebote. „Das ist vor allem dann sinnvoll, wenn ich merke, dass Budget und Kundenwunsch auseinanderklaffen“, weiß Bernhard Schneider.

Alternative Angebote machen

Ist das Angebot fertig, macht Schneider einen neuen Termin aus und erklärt dem Kunden persönlich die Alternativen. Darüber hinaus bietet er an, auch die Koordination der anderen Gewerke zu übernehmen: „Wir wollen dem Kunden die Sicherheit geben, dass seine Wünsche zuverlässig erfüllt werden.“ Um das im hektischen Alltag zu gewährleisten, beschäftigen sich auch die Mitarbeiter regelmäßig mit dem Thema „Kundenwünsche“. Schließlich, so Schneiders Erfahrung, macht die Arbeit viel mehr Spaß, wenn sie vom Kunden anerkannt wird: „Inzwischen sind die Mitarbeiter richtig heiß darauf, von der Kundschaft gelobt zu werden.“

Damit das möglichst oft passiert, bespricht das kleine Team alle sechs bis acht Wochen nach Feierabend, welche Dinge aus Kundensicht noch geändert werden können. War es etwa früher üblich, morgens um sieben Uhr zu beginnen, starten die Arbeiten heute auch mal um acht oder später. Auch Freitagnachmittag und Samstag sind nach Schneiders Aussage für die Mitarbeiter „keine heiligen Kühe“ mehr: „Alle haben schließlich ein Interesse daran, dass der Betrieb gut funktioniert.“

Mit der Konzentration auf die Bedürfnisse der Kunden hat der Wertheimer Unternehmer auch aus Sicht der Marketingexperten einen wichtigen Schritt zur Existenzsicherung getan: „Modernes Marketing kann nicht von einer Festung aus betrieben werden, indem man den Markt einfach beschießt“, erklärt Professor Hermann Diller, Leiter der „Wissenschaftlichen Gesellschaft für innovatives Marketing“ in Nürnberg. Angesagt ist nach seiner Erfahrung ein partnerschaftliches Marktverständnis, bei dem die Unternehmer den Kunden „auf Augenhöhe“ begegnen.

Drei klare Vorteile nennen

Auch die um sich greifende Blog- und Empfehlungskultur im Internet bedeute nicht das Ende des Marketings: „Wer ein innovatives und attraktives Leistungsangebot offeriert, kann Kunden bewegen und Märkte damit aktiv gestalten“, ist der Experte überzeugt. Entscheidend für den Erfolg sei, dass sich der Kunde mit seinen Ängsten und Bedürfnissen ernst genommen fühlt.

Auch Wolfgang und Martina Junge warnen in ihrem Buch „Konflikte mit Kunden“ ausdrücklich vor leeren Versprechungen und Lippenbekenntnissen. Gefragt sei vielmehr echtes Engagement für den Kunden. Da die richtige Ansprache je nach Typ sehr unterschiedlich ausfallen kann, haben die Verkaufstrainer für neun verschiedene Charaktere konkrete Gesprächsstrategien entwickelt (siehe Beispiele unten).

Neben diesen sehr individuellen und eher zeitlosen Bedürfnissen wird der Kundengeschmack zusätzlich von allgemeinen Markttrends und Meinungen beeinflusst. So hat etwa der österreichische Trendanalytiker Christian Hehenberger ein allgemeines Kundeninteresse zur Reduzierung der Komplexität ausgemacht (siehe Seite 25): „Die Menschen nehmen Innovationen und Angebotsformen nur mehr dann gerne auf, wenn deren Vorteile leicht verständlich sind, die Anwendung einfach ist und zusätzliche
Attraktivitätsfaktoren geboten werden.“ Im Umkehrschluss bedeutet dies nach Ansicht des Experten, dass Unternehmen nur dann beim Kunden punkten können, wenn Sie es schaffen, die zentralen Vorteile ihres Angebots in drei bis fünf Kernthesen zu verpacken.

Was bei überschaubaren Angeboten gut funktioniert, stößt bei komplexer werdenden Leistungspaketen an seine Grenzen. Denn je erklärungsbedürftiger ein Produkt oder eine Leistung ist, desto größer ist bei der Umsetzung des Reduzierungstrends die Gefahr enttäuschter Erwartungen. Entweder aus Kundensicht, weil sich dieser mehr davon versprochen hat. Oder aus Anbietersicht, weil sich die wesentlichen Vorteile dem Kunden erst gar nicht erschließen.

Erwartungen erfüllen

Da enttäuschte Kunden ihren Ärger gerne mit vielen anderen teilen, geht es für die meisten Unternehmen zunächst einmal darum, negative Mundpropaganda zu vermeiden. Ein, wie die Erfahrungen von Burkhard Kähler in Wangerland zeigen, schwieriger Drahtseilakt: „Im Durchschnitt hat jeder unserer Mitgliedsbetriebe pro Jahr mit fünf bis zehn Fällen von Zechprellerei zu kämpfen“, erklärt der Präsident des Deutschen Boots- und Schiffbauer-Verbandes (DBSV). So konstruieren inzwischen viele Kunden gezielt Schwierigkeiten, um Zahlungen für bereits erbrachte Leistungen zu verweigern. Erst kürzlich hatte der Inhaber der Werft Hooksiel selbst einen solchen Fall durchzufechten: „Weil ein Originalersatzteil erst in sechs Wochen lieferbar war, hatten wir auf Bitten eines Charterers eine provisorische Lösung entwickelt“, berichtet er. Obwohl deren volle Funktionstüchtigkeit vor Übergabe demonstriert wurde, verweigerte der Kunde später die Bezahlung unter dem aberwitzigen Vorwand, man sei „wegen des undichten Luks in Seenot geraten“, lacht Kähler.

Was folgte, waren Gutachten und Gerichtstermine. Einen vom Richter vorgeschlagenen Vergleich lehnte der Handwerker ab: „Damit hätte ich auf die Hälfte des mir zustehenden Betrages verzichtet“, ärgert er sich. Kähler bestand auf einem Urteil. Im Oktober 2007 wurde ihm schließlich Recht gegeben. „Die mir zustehenden 3900 Euro habe ich bis heute noch nicht erhalten“, stellt er fest.

Gerichtsverfahren enden nach Kählers Erfahrung fast immer ähnlich unbefriedigend. „Die einzig wirksame Lösung heißt Vorbeugung“, zeigt sich der Unternehmer umso mehr überzeugt, seit er das Reklamationsverhalten analysierte. „Bei Aufträgen, die vor oder bei Rückgabe des Bootes bezahlt wurden, betrug die Reklamationsrate insgesamt nur 0,03 Prozent. Bei Aufträgen, die im Nachhinein zu bezahlen waren, lag diese Quote fast 100-mal höher“, staunte er.

Die Konsequenz: Heute gewährt die Werft Hooksiel nur noch besonders vertrauenswürdigen Kunden nachträgliche Bezahlung. Die Regel ist eine sofort fällige Rechnung bei Übergabe des erledigten Auftrages. Vor umfangreicheren Arbeiten werden zum Teil mehrere Abschlagszahlungen vereinbart.

Vorkasse gegen Schnorrer

Bei den Kunden trifft diese Abwicklung – entgegen mancher Befürchtungen – auf Akzeptanz. „Wir haben keinen Auftragsrückgang feststellen können“, freut sich Burkhard Kähler, „dafür schrecken wir offenbar tatsächlich Schnorrer ab beziehungsweise führen Gelegenheits-Trickser gar nicht erst in Versuchung“. Schon in der Testphase jedenfalls sei die Reklamationsquote in seinem Betrieb um etwa 50 Prozent zurückgegangen, „von den Gerichtsverfahren, die uns erspart blieben, gar nicht zu reden“.

Kerstin Meier/Frank Pollack

kerstin.meier@handwerk-magazin.de