Was fürs Auge

Ausstellungskonzepte | Edel oder lieber Hightech? Wo Kunden richtig Geld ausgeben sollen, bekommen sie schon beim Angucken und Aussuchen richtig was geboten. Drei Beispiele.

Was fürs Auge

Zur Bemusterung ins Kino das ist der innovative Weg, mit dem Andreas Schurig seinen Kunden die Qual der Wahl erleichtern will. Denn wer baut, braucht viel Fantasie. Formen, Raumaufteilung, Farben, Außenfassaden oder Böden „Das sind Details, die sich viele künftige Eigenheimbesitzer nur schwer vorstellen können“, sagt der geschäftsführende Gesellschafter des Massivhausherstellers Bauunion 1905 in Grödnitz (Brandenburg). Deshalb hat Schurig zusätzlich zu seinen Musterhäusern im Frühjahr 2009 das Bauherrenkino in Netzen vor den Toren Berlins eröffnet.

In einem eigens dafür eingerichteten Kinosaal nehmen die künftigen Bauherren wie im echten Kino auf einem gemütlichen Sofa Platz. Sie setzen sich eine 3-D-Brille auf (siehe Foto) und lassen sich dann durch ihr neues Haus führen.

„Die Kunden können Parkettböden, Wandfarben oder Fliesen nach Lust und Laune nur mit einem Klick verändern“, sagt Schurig. Das bringt Planungssicherheit in den Prozess. Der Clou dabei: Im Hintergrund läuft die Kostenkalkulation mit. Damit sehen die Bauherren sofort, wie sich zum Beispiel die Entscheidung für Laminat oder Parkett auf die Gesamtkosten ihres Hausbaus auswirkt, und können sofort gegensteuern.

Das Bauherrenkino ergänzt den aktuellen Massivhauspark der Bauunion 1905 in Grödnitz und Netzen, wo sich Interessenten zusammen 16 eingerichtete Musterhäuser ansehen können.

Auf die Idee des Bauherrenkinos kam Schurig bei dem Besuch der Fachmesse Bau vor zwei Jahren. „Am Stand der Firma Softwareparadies aus Dresden habe ich zum ersten Mal von der virtuellen Bemusterung gehört“, sagt er. Softwareparadies und das Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation in Stuttgart arbeiten schon seit 2005 an der Entwicklung einer Software für virtuelle Bemusterung. Gefördert wird das Vorhaben von der Sächsischen Aufbaubank und der Euro-
päischen Union. In Andreas Schurig fand das Projekt den ersehnten Partner aus der Wirtschaft.

Die Darstellung des ausgestatteten Eigenheims übertrifft bei weitem das, was etwa der Ikea-Küchenplaner leistet. „Was heute in virtuellen Welten möglich ist, im Vergleich zur normalen Computerdarstellung ist so, als ob man einen Trabant mit einem Mercedes vergleichen würde“, sagt Holger Schönemann, Geschäftsführer von Softwareparadies.

Mit der Vorstellung des Bauherrenkinos in Grödnitz ist die erste Projektphase in der Entwicklung der Bemusterungssoftware abgeschlossen. Kunden der Bauunion 1905 steht das Bauherrenkino exklusiv zur Verfügung. Jeder Häuslebauer kann damit im Maßstab 1:1 sein neues Heim frei begehen, bevor der erste Spatenstich gemacht ist. Zwei Beamer projizieren die neuen Räume auf einen 2,50 mal 3 Meter großen Bildschirm. Und fast wie per Mausklick können die Kunden dann etwa weiße einfache Fliesen gegen Glasmosaik im Badezimmer tauschen. Gleichzeitig zum neuen optischen Eindruck sehen sie sofort, wie sich die Kosten verändern. Momentan können die Kunden aus 180 Bodenbelägen, 900 Wand- und Dekorfliesen und neun Serien Sanitärkeramik auswählen. Die Datenbank wird ständig erweitert.

Werkhaus

Ein regelrechter Messejunkie war Willi Bruckbauer, seit er 1996 seine Schreinerei gründete. Jedes Jahr baute er zweimal im Jahr seinen Stand auf der Internationalen Handwerksmesse und der Heim und Handwerk in München auf. „Aber Kunden wie Messebesucher fragten immer wieder das Gleiche: ‚Haben Sie auch eine Ausstellung?’ Als 1999 das Geschäft dann immer besser lief, entschied sich Bruckbauer, das Ausstellungszentrum Werkhaus in Raubling bei Rosenheim zu bauen. Realisieren konnte er es zusammen mit zwölf Partnern wie Bulthaup, Spezialisten für Innenausstattung und „ganz wichtig einem Cafe“. Die Kosten von drei Millionen Euro wurden bei so vielen Partnern ebenfalls geteilt. Auch der Unterhalt der Ausstellung ist aufgrund der geteilten Kosten vergleichsweise günstig. Trotz des Wettbewerbs Bruckbauer hat sich mit dem Küchenhersteller Bulthaup die Konkurrenz ins eigene Haus geholt kann sich der Schreiner ein solches Ausstellungskonzept leisten. „Die Kunden sind bereit, für die Anschaffung einer Schreinerküche weit zu reisen“, berichtet der 39-Jährige stolz. Im Werkhaus können sie, so Bruckbauer, die Küchen nicht nur hautnah erleben, sondern sich auch zusätzlich einen Überblick über die anderen Gewerke verschaffen.

Hausschneiderei

Wer auf der A 96 in Richtung Lindau fährt, kommt an dem langgezogenen Gebäude der Hausschneiderei dem Ausstellungs- und Präsentationsgebäude des Ökohausherstellers Baufritz in Erk-
heim bei Memmingen vorbei. Auf 1700 Quadratmetern können sich dort Kunden und Interessierte über Ausstattungsdetails, Heiztechnik sowie Einrichtungsvorschläge für die Häuser der Firma Baufritz informieren. Entstanden ist die Hausschneiderei aus Marktforschung in Verbindung mit einem Projekt des Forschungsministeriums und der Fachhochschule Biberach. „Im Handwerk hat man normalerweise weniger mit Marktforschung zu tun, deshalb waren wir damals froh, dass wir das Projekt mit zwei renommierten Marktforschungsinstituten sowie drei Partnerfirmen umsetzen konnten“, sagt Dagmar Fritz-Kramer.

Grundlage des Forschungsprojekts waren die Sinus-Milieus, anhand derer die Studenten für Baufritz vier relevante ökologisch aufgeschlossene Zielgruppen unterschieden haben. Erstens werteorientierte Menschen, die sich mit der Herkunft eines Produkts beschäftigen. Dann die Zielgruppe der Sinnlichen, die sehr heimatverbunden sind und ein Produkt vor allem mit dem Herz begreifen wollen. Drittens emotionale Menschen, die internationaler ausgerichtet sind und eher ein Loft bewohnen. Schließlich identifizierten die Studenten noch die sogenannte Kennerschaft, die immer auf der Suche nach dem Besonderen ist.

„Ursprünglich wollten wir für jede Zielgruppe ein Haus bauen“, sagt Fritz-Kramer. Doch schnell war klar, dass die Zielgruppen eher an eine bestimmte Art der Ausstattung als an einen bestimmten Grundriss gebunden sind.

Gleichzeitig gab es bei Baufritz damals einen erheblichen Mangel, was die Bemusterung angeht. „Das war einfach nicht mehr zeitgemäß“, sagt Unternehmerin Fritz-Kramer. Und so kam es zur Hausschneiderei, die im Oktober 2005 fertig gestellt wurde.

120 Unternehmen sind dort unter einem Dach zu finden, die sich alle an den Baukosten von 1,5 Millionen Euro (ohne Grundstück) und an der Ausstattung beteiligt haben. Nach dem Motto Architektur und Technik erlebbar machen sind dort nicht nur unterschiedliche Eingänge, Holzarten und Einrichtungsvorschläge zu finden. „Wie in einem kleinen Physiklabor haben wir auch Haustechnik oder die Elektrosmog-Abschirmung erlebbar gemacht“, sagt die Allgäuer Unternehmerin. Und alle Produkte können angefasst und damit hautnah erlebt werden. Ob sich der Erfolg eines solchen Mammutprojekts überhaupt beziffern lässt? „Auf jeden Fall“, sagt die Unternehmerin, „wir wollten höherwertige Kunden erreichen und die Fertigungstiefe erhöhen, also nicht nur wie früher einfach den Holzbau hinstellen.“ Dass das dem Unternehmen gelungen ist, zeigen die Zahlen: In den vergan-
genen vier Jahren ist der durchschnittliche Umsatz des Unternehmens um 50 Prozent auf 50 Millionen Euro 2008
gestiegen.

gudrun.bergdolt@handwerk-magazin.de