Arbeitsrecht: Chef kontrolliert Mitarbeiter

Handy, E-Mails, Internet - die meisten Chefs lassen ihre Mitarbeiter betriebliche Geräte auch für private Kontakte nutzen, inklusive Missbrauchsrisiko. Was Betriebe kontrollieren dürfen.

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    Diplom-Ingenieur Martin Koser lässt seine Mitarbeiter, wie hier Stefan Materla, Tablets auch privat nutzen.
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    „Wir haben unseren Mitarbeitern die private IT-Nutzung grundsätzlich verboten.“ Georg Haaß, Obermeister der SHK-Innung Mönchengladbach.
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    Die meisten Unternehmer gestatten ihren Mitarbeitern, das Internet auch privat zu nutzen.
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    Gerhard Rieger
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    „Setzen Sie im Extremfall missbräuchlicher IT-Nutzung auch eine Kündigung durch.“ Gerhard Rieger, Fachanwalt für Arbeitsrecht in München.

Was der Chef kontrollieren darf

Für Elektro Koser in Kirchheim unter Teck bei Stuttgart ist es wichtig, dass die fünf Mitarbeiter gut per Handy erreichbar sind. „Ob sie bei Kunden vor Ort Fragen haben, Material oder technische Informationen brauchen - der schnelle Kontakt zum Betrieb spart Zeit und Geld“, weiß Juniorchef Martin Koser. Zu rund 70 Prozent geht es dabei um Aufträge bei Geschäftskunden wie gewerbliche Betriebe, Bauträger oder Kommunen. Die Angebotspalette umfasst unter anderem Automatisierung, Beleuchtung, Kommunikations- und Datentechnik, Energietechnik sowie Gebäude- und Sicherheitstechnik.

Private Nutzung von Handy und Tablets auf Vertrauensbasis

„Jüngere Mitarbeiter setzen ihr eigenes Smartphone mit Flatrate für die Firma ein. Wo es erforderlich ist, stellen wir auch betriebliche Handys“, berichtet Koser. Auch firmeneigene Tablets sind im Einsatz, um Pläne oder Auszüge aus Handbüchern schnell ohne größere Auftragsunterbrechung zu übertragen. „Bei privater Nutzung während der Arbeitszeit vertrauen wir darauf, dass die Mitarbeiter ihre Pausen dafür verwenden, ansonsten sich kurz fassen“, betont Martin Koser. „Doch wenn jemand länger die Arbeit für private Gespräche oder SMS unterbricht, sprechen wir ihn an und reagieren im schlimmsten Fall mit einer Abmahnung.“ So weit ist es jedoch in dem Familienbetrieb noch nicht gekommen.

Wie bei Elektro Koser, so sehen sich praktisch alle Betriebe im möglichen Konfliktbereich zwischen hilfreicher Nutzung von Kommunikationstechnik und IT sowie der übermäßigen Privatnutzung. „Wer Letzteres übertreibt, kann entlassen werden“, stellt Jürgen Hoeser, Fachanwalt für Arbeitsrecht aus Frechen bei Köln, klar. Das gilt besonders, wenn Mitarbeiter unerlaubt privat surfen und dem Betriebssystem auf dubiosen Seiten, etwa mit pornografischen Darstellungen, einen Virus einfangen. Dann kann der Betrieb von Mitarbeitern sogar Schadenersatz fordern.

Seite 2: Wie Sie die private Nutzung von Kommunikationsmitteln regeln können

Sensible Daten schützen

In der Firma von Martin Koser dürfen die Mitarbeiter privat surfen, aber grundsätzlich und länger nur in ihrer Freizeit. An eBay-Auktionen nach Feierabend teilzunehmen ist in Ordnung. An sensible Firmendaten zur Kalkulation oder Finanzen und Steuern kommen außer dem Juniorchef ohnehin nur die übrigen Familienmitglieder, kein Risiko also für Betriebsgeheimnisse.

Das Unternehmen von Maler- und Lackierermeister Thomas Hinze aus Wunstorf bei Hannover löst wichtige Fragen auf Baustellen ebenfalls mit den modernen Endgeräten: „Ich bin froh, dass wir so immer quasi online sind und wichtige Fragen und Bestellungen auf kurzem Weg klären können“. Sein Vertrauen in die fast 20 Mitarbeiter wurde nur einmal enttäuscht. Hinze: „Da haben Praktikanten die Inneneinrichtung von luxuriösen Kundenwohnungen fotografiert und ins Internet gestellt“. Eine scharfe Rüge des Chefs war die Folge. Dennoch hält Hinze eine schriftliche Anleitung für die private Nutzung im Büro in seinem Betrieb für überflüssig, obwohl sie von Experten grundsätzlich empfohlen und von der Mehrzahl der deutschen Betriebe auch praktiziert wird.

IT-Musterrichtlinie der Gebäudereiniger

Erika Schönenberg zum Beispiel, die Geschäftsführerin des Landesinnungsverbands der Gebäudereiniger in Berlin, hat ihren drei Mitarbeitern die vom Bundesinnungsverband erarbeitete IT-Richtlinie an die Hand gegeben: „Ich bin in zwei Jahren im Ruhestand und wollte auch auf diesem Gebiet mein Feld bestellt haben“.

Das hat Georg Haaß, Gründer und Inhaber der Firma Haaß Haustechnik in Mönchengladbach, schon vor vier Jahren getan und seinen fast 40 Mitarbeitern jede private IT-Nutzung grundsätzlich verboten. „Durch einen Aushang und mündliche Unterrichtung weiß jeder Bescheid“, so Haaß, der auch Obermeister der Innung Sanitär, Heizung, Klima Mönchengladbach ist. Es sei wichtig, den Mitarbeitern die Gründe für das Verbot zu nennen. Schließlich könnten Viren das ganze Betriebssystem lahmlegen. Sein striktes Verbot nennt Haaß aber nur „die offizielle Version“. Ob einer mal kurz eine private E-Mail schreibt oder bei der Arbeit auf eine Internetseite stößt, auf die er eigentlich gar nicht wollte - haarklein kontrolliert wird das Ganze nicht. Haaß: „Ich kann nicht sagen, welcher Mitarbeiter wo wie reingeht. Aber meine Leute sollen ein Bewusstsein dafür haben, was erlaubt ist und was nicht“.

Seite 3: Videoüberwachung von Mitarbeitern - was ist erlaubt?

Überwachung von Mitarbeitern

„Tatsache ist, dass mit schriftlichen Anweisungen die juristische Lage viel handlicher wird“, stellt Anwalt Hoeser klar. Das sei ganz anders, wenn ein Chef einen Mitarbeiter wegen einer möglichen Straftat technisch überwachen will. Bei der Friedberger Landbäckerei Ihle zum Beispiel war der Betriebsratsvorsitzende in Verdacht geraten, sein Arbeitszeitkonto manipuliert zu haben. Die Geschäftsführung des Unternehmens, das mit 3000 Mitarbeitern Filialen in ganz Süddeutschland betreibt, ließ deshalb eine Überwachungs-Software installieren. Die Manipulation wurde bewiesen und dem Betriebsratsvorsitzenden gekündigt. Vor dem Arbeitsgericht aber scheiterte die Firma, weil der Einsatz der Software „unverhältnismäßig“ gewesen sei. „Kündigungen sind schwer durchzusetzen, so Ihle-Anwalt Gerhard Rieger aus München, „aber wir hatten schon neun von zehn Hürden genommen.“

Verhältnismäßigkeit der Videoüberwachung ist wichtig

Eigentlich waren auch die Voraussetzungen erfüllt, die das Bundesarbeitsgericht an eine verdeckte Videoüberwachung stellt. Doch der Augsburger Richter urteilte anders. Rechtsanwalt Rieger: „Das vom Richter angeführte Argument der Unverhältnismäßigkeit war der letzte Rettungsanker, um zu der Entscheidung zu gelangen“. Er hatte moniert, dass die Überwachungs-Software kurzzeitig auch Screenshots aufzeichnete, während der Ex-Betriebsratschef private E-Mails bearbeitet. Damit waren die Beweise im Verfahren nicht verwertbar. Die beim Landesarbeitsgericht (LAG) München eingelegte Beschwerde zog die Firma Ihle wieder zurück – im Hinblick auf befürchtete Gewerkschaftsdemonstrationen, „Dabei standen die Aussichten, vor dem LAG München zu obsiegen, sehr gut“, so Rieger.

Dass die Kontrollmöglichkeiten in solchen Fällen prinzipiell eingeschränkt sind, erfuhr jüngst auch die Geschäftsleitung des Modehauses Hollister mit Schneiderei in Frankfurt am Main: Nach dem häufigen Verlust von Kleidungsstücken hatten die Chefs die Taschen ihrer Mitarbeiter kontrollieren lassen. Laut LAG Hessen (Az. 5 TaBVGa 8/13) darf sie dies jetzt nur noch stichprobenartig. Allabendlich wird nun gewürfelt und nur, wer eine Vier erwischt, wird überprüft.