Kolumne Mitarbeiterführung von Barbara Seidl, 1. Folge „Warum muss ich als Chef immer alles kontrollieren?“

Zugehörige Themenseiten:
Fachkräftemangel, Mitarbeitermotivation und So geht Mitarbeiterführung – Kolumne von Barbara Seidl

Ist es Absicht oder kann der Mitarbeiter es nicht besser? Barbara Seidl, Wirtschaftsmediatorin und Expertin für Personalführung in München, kennt die typischen Fragen der Chefs aus ihrer Beratungspraxis. Exklusiv auf handwerk-magazin.de gibt Sie Tipps zu den typischen Führungsproblemen – zum Nachlesen und Umsetzen.

Anweisung Chef Baustelle
Es muss nicht immer am Mitarbeiter liegen, wenn er Anweisungen seines Vorgesetzten nicht wie gewünscht umsetzt. - © AdobeStock/ArTo

Die Frage des Monats

„In meinem Betrieb verbrauche ich viel Zeit und Energie mit der aus meiner Sicht mangelnden Bereitschaft der Mitarbeiter, die anfallenden Aufgaben zu erledigen. Immer muss ich alles anschaffen und kontrollieren. Zum Beispiel, ob der Werkstattwagen aufgeräumt und gereinigt oder der Aufenthaltsraum ordentlich verlassen wurde. Oder ob sich jemand verantwortlich fühlt und zur Neige gehende Verbrauchsmaterialen meldet, damit ich diese rechtzeitig bestellen kann. Von alleine langt keiner hin, jeder wartet ab, ob es nicht vielleicht ein anderer macht oder verweist auf den Kollegen, der das doch auch machen könne. Bevor ich es dann nochmals sage oder es Diskussionen gibt, mache ich es häufig selbst. Wie bringe ich meine Mitarbeiter dazu, dass sie ihre Aufgaben erledigen?“

Die Einschätzung von Barbara Seidl

Im geschilderten Fall sind aus meiner Sicht drei Komponenten bedeutsam: die persönliche Einstellung und Arbeitsweise jedes einzelnen Mitarbeiters, die Zusammenarbeit im Team und die systemische Sicht: das Führungsverhalten und die Rolle des Inhabers.

Häufig ist in kleineren, mittelständischen Betrieben und in Handwerksbetrieben die Aufgabenverteilung historisch gewachsen und nicht schriftlich festgehalten. Die tägliche betriebliche Praxis stützt sich auf Erfahrung und auf die Vergangenheit, in der vieles klappte. Bei Veränderungen, Wachstum und durch neue Anforderungen vom Markt, den Kunden oder dem Gesetzgeber reichen die bisherigen mündlichen Vereinbarungen nicht mehr aus, um die hohen Qualitätsstandards zu halten. Mängel und Defizite werden sichtbar, Fehler nehmen zu, kosten wie geschildert Zeit, Energie und Geld.

Schritt 1: Aufgaben- und Stellenbeschreibung schriftlich formulieren

Stellen Sie sich als erstes die Frage, ob jeder einzelne Mitarbeiter wirklich um seine persönlichen Aufgaben weiß. Der erste Schritt sollte die Erstellung einer schriftlichen Aufgaben- und Stellenbeschreibung sein. Wenn dann eine Aufgabenbeschreibung existiert, ist jedoch noch nicht sichergestellt, dass jede/r Mitarbeiter/in diese kennt, versteht und danach handelt. In Ihrem Betrieb sollte eine intensive Kommunikation über die persönlichen Arbeitsbereiche stattfinden und darüber, wer welche Aufgaben übernimmt. Ebenso ist es wichtig über Konsequenzen zu sprechen, wenn Arbeiten nicht, nicht zum richtigen Zeitpunkt und/oder nicht in der gewünschten Qualität erledigt werden. Beziehen Sie alle Mitarbeiter in den Prozess ein - manchmal werden langjährige erfahrene Mitarbeiter „verschont“ und Aushilfen oder kurzzeitig Beschäftigte außen vor gelassen.

Schritt 2: Know-how und Wissen der Mitarbeiter prüfen

Als nächster Schritt sollten Sie gemeinsam mit Ihren Führungskräften überprüfen, ob die Mitarbeiter das notwendige Wissen und die Fähigkeiten für die individuelle Aufgabenerledigung besitzen. Kann der Mitarbeiter die Ziele erreichen, oder ist er unter- oder überfordert? Stellen Sie Abweichungen fest, können Sie gezielt Mitarbeiter fördern und weiterbilden. Oder aber die Aufgaben neu verteilen oder den Zuschnitt der Aufgabenbereiche anpassen.

Schritt 3: Teamgeist und Zusammenhalt checken

Die zweite Komponente in Ihrem Fall betrifft die Zusammenarbeit im Team. Untersuchen Sie, wie das Team und die Kollegen zusammenarbeiten. Beurteilen Sie die Kooperationsfähigkeit und das Verhalten der Mitarbeiter untereinander. Gibt es eine starke Cliquenbildung und Außenseiter, gibt es ungelöste Konflikte und hemmende Wirkkräfte, die den betrieblichen Erfordernissen und Werten entgegenstehen? Geht es um unterschiedliche Einzelfälle oder verbergen sich hinter dem Thema andere Hindernisse die einen roten Faden erkennen lassen? Beispiele dafür können ein schlechtes Betriebsklima, eine Schuldzuweisungskultur, mangelnde Motivation oder Illoyalität sein.

Bitte beachten Sie: Der Verweis auf Kollegen kann ein Hinweis sein, dass die Problematik nicht bei den Aufgaben, sondern deren angemessene und „gerechte“ Verteilung im Team zu suchen ist.

Schritt 4: Geduld aufbringen – und die Rolle des Chefs hinterfragen

Als Teil des betrieblichen Systems sind Chefs und Inhaber vor allem Impulsgeber - mit positiver und negativer Wirkung. So kann das von Ihnen kritisierte Verhalten Ihrer Mitarbeiter auch das persönliche Verhalten der Führung spiegeln. Überprüfen Sie Ihre eigenen Ansprüche und den Bewertungsmaßstab: Wie häufig kommt das von Ihnen kritisierte Verhalten vor, wie oft klappt es gut?

Vielleicht fehlt Ihnen auch manchmal die Geduld und Sie werden zu früh aktiv und machen es dann selbst? Das Selbermachen kann auch eine Folge der Rückdelegation durch Mitarbeiter sein. Denn aus Erfahrung wissen Ihre Angestellten, dass Sie im Zweifel einspringen, in der Regel wenig Zeit und Nerven haben für eine Diskussion haben und das Kritikgespräch vermeiden wollen. Sprechen Sie den zuständigen Mitarbeiter zügig an, analysieren Sie (mit ihm) die Gründe und geben Sie eine neue Anweisung oder Vorgabe. Wenn Sie etwas ändern wollen, dann sollten Sie ein klares Feedback geben und immer wieder das gewünschte Verhalten einfordern.

Sie haben auch eine Frage zur Mitarbeiterführung, die Ihnen auf den Nägeln brennt? Dann schreiben Sie direkt eine Mail an kontakt@barbara.seidl.de, unsere Expertin wird sich gerne Ihrer Fragestellung annehmen. Die spannendsten Themen veröffentlichen wir dann hier auf der Website, selbstverständlich anonym.